„Wenn wir Veränderung wollen, müssen wir Frauen anfangen, an ganz vielen Stellen nicht mehr mitzuspielen“

Seit rund 20 Jahren arbeitet Sonya (55) hinter den Kulissen der Musik- und TV-Branche. Bevor sie sich mit 50 als Songwriterin und Künstlerin noch mal völlig neu entdeckt hat, arbeitete sie für große Musikformate als Musik Supervisorin, hat gescoutet, Castings geleitet und als Vocal Coach sowohl in TV-Formaten als auch in der persönlichen Arbeit namhafte Künstler:innen begleitet. Jetzt startet sie mit einer Self-Made-Karriere durch. Bald will sie auf der Bühne stehen und Frauen jeden Alters dazu ermutigen, etwas zu wagen. HEYDAY sprach mit Sonya über die Herausforderungen ihres Neuanfangs – und die pure Freude, sich selbst zu verwirklichen…

Fotos: Eric Joel Nagel, Bella Lieberberg, privat

Sängerin SONYA im HEYDAY-Interview
Feels so fine“ – die erste Song-Komposition mit 50! Nach bisher drei selbst produzierten Singles erscheint im Frühjahr 2024 Sonyas erste EP.

HEYDAY: Liebe Sonya, du hast als Vocal Coach jahrelang im Hintergrund gearbeitet, und vielen Sänger:innen zum Erfolg verholfen. Wie kam es dazu, dass du irgendwann selbst auf der Bühne stehen wolltest?

Sonya: Ich würde nicht von mir behaupten, dass ich anderen Musiker:innen zum Erfolg verholfen habe. Die Künstler:innen, die ich begleitet habe, hatten alle bereits beachtliche Erfolge zu verzeichnen. Ich habe mich immer eher als Supporterin gesehen, als Quelle aus der andere schöpfen können: Ich habe sehr viel Energie, eine Menge Wissen und Erfahrung, ich gebe gerne ab.

Ich habe es immer geliebt, anderen dazu zu verhelfen, ihr ganzes Potenzial zu erkennen und bestmöglich nutzen zu können. Der Impuls mich selbst zu zeigen, kam tatsächlich gar nicht aus mir heraus, der Anstoß dazu kam von einer anderen Künstlerin und Freundin, und durch viele Gespräche mit Frauen, die Ageism in der Musikbranche am eigenen Leib erfahren haben. Ich selbst hatte nie darüber nachgedacht. Songs zu schreiben, war keine bewusste Entscheidung, die ich getroffen habe, sondern – so komisch das auch klingt – es ist einfach so passiert.

Einfach so passiert? Wie darf ich das verstehen?

Ich saß morgens beim Frühstück und dachte an einen Künstler, mit dem ich mal gearbeitet hatte – und plötzlich hatte ich eine Melodie für ihn im Kopf. Ich habe alles gehört, es war einfach da, der komplette Song, das ganze Arrangement. Ich bin dann hektisch ins Nebenzimmer gelaufen und habe alles, was in meinem Kopf war, in mein Handy gesungen – was das Klavier spielt, jeden Drumbreak, die Gitarren, Chöre, einfach alles.

Gemeinsam mit meinem Mann, der auch Musiker und Produzent ist, habe ich dann in ein paar Stunden den kompletten Song fertig aufgenommen – ich war wie ferngesteuert! Das war die Initialzündung. Da habe ich gemerkt, dass ich Songs schreiben kann, dass da was in mir ist. Und dann hab’ ich mich auf die Suche nach mir selbst gemacht – wer bin ich musikalisch, wie klingt das? Wie klinge ich?

„Songs zu schreiben war keine bewusste Entscheidung, die ich getroffen habe, es ist einfach passiert, da war auf einmal ganz viel Musik in meinem Kopf“

Durch TikTok, YouTube und Co. können über Nacht Megastars geboren werden. Die Anforderungen an neue Talente: jung, frisch und unverbraucht. Wie hat die Musik-Branche reagiert, als du verkündet hast, dass du mit über 50 als Musikerin mit deinen eigenen Songs durchstarten willst?

Ich liebe TikTok, Instagram und all die sozialen Medien. Ich treibe mich da gerne rum – dadurch habe ich so viele tolle Leute für mich entdeckt, auf die ich sonst niemals aufmerksam geworden wäre. Auch Plattenfirmen suchen und finden dort in ganz vielen Fällen jemanden, der Millionen von Views oder Likes für irgendetwas hat, was vordergründig gar nichts mit Musik zu tun hat. Aber eine unglaubliche Reichweite erzielt hat.

Das finden Labels dann spannend, weil die Reichweite im Vordergrund steht. Dann soll aus jemandem, der Millionen Follower dafür hat, dass er beispielsweise Lip Sync und Tanzvideos macht, ein Sänger:in gemacht werden. Weil man davon ausgeht, dass sich die Follower auch für dessen Musik interessieren. Meistens ist dem nicht so. So kann keine Authentizität entstehen und die „Umformung“ funktioniert meist auch nicht auf längere Sicht. Das ist so eine Sache mit der Formbarkeit: Einerseits wollen alle eine Person, die sie wie eine weiße Leinwand mit all ihren Ideen beschreiben können, die mit großen Augen alles mitmacht – und dann wundern sie sich, dass es, live zum Beispiel, gar nicht funktioniert, weil der/die Künstler:in das gar nicht hergibt.

Wie waren die Reaktionen?

Ich stehe noch ganz am Anfang. Noch habe ich keinem einzigen Label meine Songs auf den Tisch gelegt, diesen Schritt werde ich gehen, wenn ich meine EP im Gepäck habe. Bisher habe ich mich erst mal an Frauen aus der Branche gewandt, weil ich mir – gerade von Frauen – Power und Mut erhofft hatte. Frauen supporten Frauen! Also ich meine, Support von Frauen, die in der Hierarchie oben stehen, für die Frauen, die den Support wirklich brauchen, weil sie noch unten stehen. Ich dachte so wäre das mit dem Supporten, weil, wenn man sich nur auf seiner Ebene gegenseitig auf die Schulter klopft, macht das ja keinen Sinn.

Ich hab’ mich mit Frauen getroffen, die sich für Diversität und die Sichtbarkeit von Frauen einsetzen oder für ein Label arbeiten. Eine hat mir geraten, das musikalische Genre zu wechseln und Schlagermusik zu machen, im Schlager „ist das Alter kein Problem.“ Oder ich könnte mir doch eine junge Protagonistin suchen und mich als Songwriterin und Produzentin im Hintergrund betätigen. Eine andere hat mir als Erstes ebenfalls geraten, musikalisch auf Schlager umzusatteln, weil es in der Pop-Musik für Frauen in meinem Alter keine Zielgruppe gäbe. Also völlig unabhängig davon, wie meine Musik klingt, wurde mir, nur aufgrund meines Alters, eine junge Zielgruppe abgesprochen.

Das ist Ageism, darum geht es, das ist absurd.

Im ersten Impuls hat es mich sehr verletzt. Aber dann habe ich mich geschüttelt und gedacht, nee, nee, Leute, so kann doch Veränderung nicht passieren, euer Ernst? Weiter geht’s Sonya, nicht aufgeben, da muss was passieren. Ganz ehrlich, es muss ja nur eine:r von den richtig wichtigen Leuten rumlaufen und allen anderen erzählen „das ist der heiße Shit, das wird richtig groß“ und dann wird das plötzlich – wie man sagt – „in der Branche gehyped“. Dann finden es auf einmal alle mega!

Es gibt einen sehr bezeichnenden Spruch: „Most people won’t support you until they see it’s popular to support you.” Leider ist das sehr wahr. Ich bin sehr dankbar, dass es, wenn auch nur ein paar, dafür aber sehr feine, kämpferische Menschen an meiner Seite gibt, die mit mir an mich glauben und helfen, wo sie können.

„Auch wenn das komisch klingt: Ich, die Newcomerin, bin ja vorher musikalisch, als Künstlerin noch niemals in Erscheinung getreten. Manche mögen denken: Wenn die so alt ist, dann macht die das bestimmt schon ganz lange. Aber so ist es bei mir ja nicht – musikalisch gesehen bin ich ein Teenager!”

Sängerin SONYA im HEYDAY-Interview

Trotz vieler Ängste hat Sonya ihren Karriere-Start als Songwriterin und Sängerin mit viel Enthusiasmus durchgezogen – zahlreiche positive Rückmeldungen beweisen, dass die Entscheidung richtig war…

Sängerin SONYA im HEYDAY-Interview

Was waren die größten Herausforderungen bei deinem Neuanfang? Wie gehst du mit deinen Ängsten um?

Was Ängste betrifft: Da geht es mir mal mehr, mal weniger gut. Ängste und Zweifel treiben mich ständig um, ich bemühe mich, beides nicht zu ernst zu nehmen.

Die größte Herausforderung war für mich der erste Schritt nach Außen – der Moment, an dem ich mich zum ersten Mal öffentlich gezeigt habe, war unglaublich schwer. Ein paar Tage vorher hab’ ich viel geweint, hatte höllische Angst vor den Reaktionen, vor Beurteilung, davor belächelt und nicht ernst genommen zu werden. Ich wollte mir all das Schöne, das ich da geschaffen hatte, nicht zertreten lassen. Ich arbeite seit 20 Jahren hinter den Kulissen der Musik- und TV-Branche – und mich selbst jetzt nach vorn zu stellen, mich ganz neu zu zeigen, das war das Härteste, was ich mich jemals getraut habe.

Letztlich waren die Reaktionen dann überwältigend schön, ich habe unzählige tolle Nachrichten bekommen und alle waren voller Anerkennung.

„Der Moment, an dem ich mich zum ersten Mal öffentlich gezeigt habe, war unglaublich schwer. Ich hatte höllische Angst vor Beurteilung, davor belächelt und nicht ernst genommen zu werden. Ich wollte mir all das Schöne, das ich geschaffen hatte, nicht zertreten lassen“

Ganz schön mutig, dass du auf dein Herz hörst – gerade in einer immer noch latenten Männerdomäne wie der Musik-Branche. Wie schaffst du es, deinen Weg zu gehen?

Ich muss immer auf mein Herz hören, mein Herz ist lauter und stärker als alles andere. Wenn ich ihm nicht folge, merke ich das immer – manchmal an schleichender Unzufriedenheit und manchmal ganz direkt. Ich glaube, wenn ich am Anfang zu viel darüber nachgedacht hätte, was ich da vorhabe, wäre ich wahrscheinlich nicht losgelaufen.

Ich trage eine unermüdliche Art von Enthusiasmus in mir, eine Begeisterungsfähigkeit, etwas Naives, Leichtes. Wenn ich für etwas brenne, dann kann mich nichts aufhalten, dann renne ich los.

Ich bin ja auch losgerannt, gerade weil wir Frauen es in der Musik-Branche, und nicht nur da, schwerer haben als unsere männlichen Kollegen. Ich wollte ab einem bestimmten Zeitpunkt ganz bewusst mein Alter in den Fokus stellen, zeigen, dass wir gerade in der Popmusik ab einem gewissen Alter nicht mehr stattfinden. Nur um Musik zu machen nach Außen zu treten, hätte mir nicht gereicht. Ich brauchte diesen Sinn dahinter, es musste einen Grund geben. Ich wollte mich ganz bewusst da hinstellen und sagen: Guck mal, ich bin 53 Jahre alt und ich mache geile Popmusik. Älter werden ist gar nicht so scheiße, wie alle immer denken. Dein Leben ist nicht vorbei, wenn du über 40 bist – trau dich was!

Hattest du bei der Anbahnung deines Projektes Vorbilder? Wenn ja, welche?

Ich bin generell nicht so der Typ der Vorbilder hat, ich erlebe phasenweise immer mal wieder Menschen, hauptsächlich Musiker:innen, die mich inspirieren, die ich toll finde. Aber dann bewege ich mich weiter und merke, wie mein Interesse schwindet und ich mich neu orientiere. Das ist ein ganz unbewusster Prozess, es passiert einfach so. Ich glaube, die einzige Künstlerin, die mich wirklich seit über 10 Jahren konstant begleitet und die ich mal mehr, mal weniger liebe, ist Robyn.

Oder das Model Ashley Graham, die finde ich toll, die hat richtig was bewirkt, hat sich was getraut. Sie hat in ihrer Karriere als Model, bevor sie als erstes Curvy Model weltberühmt wurde, bestimmt oft gehört „nimm mal 20 Kilo ab, wenn das hier funktionieren soll“ …. hat sie nicht gemacht und hat damit für Millionen von Frauen Sichtbarkeit und Akzeptanz geschaffen.

Sängerin SONYA im HEYDAY-Interview

One woman business: Bis dato macht Sonya alles weitgehend selbst – von der Komposition über die Arbeit im Studio bis hin zu den Single-Veröffentlichungen

Sängerin SONYA im HEYDAY-Interview

Wie haben sich aus deiner Sicht die Möglichkeiten und Chancen für Frauen im Gegensatz zu früher entwickelt?

Die Möglichkeiten und Chancen haben sich zum Glück stetig verbessert. Ich meine, es ist gerade mal um die 60 Jahre her, da mussten Frauen ihre Ehemänner um Erlaubnis bitten, wenn sie arbeiten gehen wollten. Es hat sich viel getan und ich bin davon überzeugt, dass es sich die Lage auch immer weiter verändern und verbessern wird – wenn wir nicht müde werden, Veränderungen auch einzufordern!

Wir müssen uns zeigen, aber man muss uns die Chancen gesehen zu werden natürlich auch geben, sonst bringt das ja alles nichts. Es braucht solche Momente wie den, als das renommierte Magazin Sports Illustrated sich getraut hat, das sogenannte Curvy Model Ashley Graham in einem Badeanzug auf dem Cover abzudrucken – und damit nicht nur die Modewelt komplett verändert hat. Es bedurfte nur eines einzigen namhaften Designers, der sie in Dessous auf den Catwalk geschickt hat, um sie weltberühmt zu machen.

Ich finde es mega, dass wir heute in der Werbung, in der Mode oder in TV-Formaten Frauen sehen, die nicht mehr nur dieser einen Norm entsprechen, die wir jahrelang allgemein als schön bezeichnet haben. Wir sehen Frauen mit Körpern, die uns nahe sind, in denen wir uns erkennen dürfen, nur beim Alter, da zucken alle zusammen. Ich möchte mehr Frauen sehen, die nicht mehr ganz jung sind, aber auch noch nicht alt. Da gibt es doch mehr zu sehen zwischen „geht gerade noch so als jung durch“ und der coolen grauhaarigen Granny.

„Ich habe ab einem bestimmten Zeitpunkt ganz bewusst mein Alter in den Fokus gestellt. Ich wollte damit sagen: Guck mal, ich bin 53 Jahre alt und ich mache geile Popmusik. Älter werden ist gar nicht so scheiße, wie alle immer denken. Dein Leben ist nicht vorbei, wenn Du über 40 bist – trau dich was!“

Wir bei HEYDAY sind der Meinung, dass wir mehr ältere Frauen als Vorbilder für die Jüngeren benötigen. Welche Vorbilder begleiten dich?

Das finde ich auch, absolut. Wir brauchen einfach mehr Protagonistinnen, die gerade für jüngere Frauen eine Inspiration sind. Die zeigen, dass Altern nicht das Ende vom lustigen Leben bedeutet, nicht das Ende von Karriere und Erfolg und auch nicht das Ende von Attraktivität.

Ich hab’ das so gefeiert, als die Schauspielerin Michelle Yeoh kürzlich mit 60 ihren ersten Oscar abgeräumt hat. Großartig! Auch Ihre berührende Rede dazu – ihre Worte sind um die Welt gegangen. Oder als im Mai dieses Jahres die Sports Illustrated die 81-jährige Martha Steward aufs Cover gedruckt hat und auch die Schauspielerin Kate Winslet, die sich immer wieder öffentlich für die Sichtbarkeit von Middle Age Frauen stark macht und aufmerksam macht auf Ageism in der Filmindustrie.

In der Musik-Branche ist diese Entwicklung noch nicht angekommen: Entweder du bist jung und wirst gesignt – oder du wurdest jung gesignt und bist seither sehr erfolgreich, dann darfst du auch altern. Aber mit über 40 von einem Label noch gesignt zu werden – ich habe keine Ahnung, ob es das in der Popmusik schon mal gab. Ich kenne keine Künstlerin über 25, die noch keine Erfahrung damit gemacht hat, dass man ihr sagt: „Jetzt aber Gas geben, sonst wird’s nichts mehr.“ Oder man bekommt ans Herz gelegt, sich doch einfach ein paar Jahre jünger zu machen – „siehst doch noch ganz gut aus“.

Das ist einfach krass, was im Musik-Business immer noch abgeht: Es ist, als würde man jungen Leuten absprechen, jemanden zu feiern, der nicht mehr in ihrer Altersliga spielt. Als müssten die Jungen und die Alten jeweils unter sich bleiben – als wäre Musik nicht altersübergreifend. Als würden Taylor Swift oder Billie Eilish nur von jungen und Madonna und Beyoncé nur von alten Leuten gehört.

Sängerin SONYA im HEYDAY-Interview

Einer unserer Claims bei HEYDAY: Never too late! Du bist das beste Beispiel! Was rätst du anderen Frauen in deinem Alter, die davon träumen, noch mal etwas ganz anderes zu machen und sich selbst zu verwirklichen?

Das ist ganz schwer zu sagen. Das Wort „Selbstverwirklichung“ ist so leicht gesagt, aber es geht bei den meisten Frauen ja nicht nur um sie selbst. Da hängt oft so viel dran: Kinder, Familie, vielleicht eine Krankheit, finanzielle Abhängigkeit – was auch immer einen daran hindert, das zu tun, was man will. Dann ist natürlich auch jeder Mensch anders: Was den einen leicht fällt, scheint für andere völlig unmöglich.

Ich kann nur für mich sprechen: In meinem Leben war es schon immer so, dass ich – egal in welcher Situation ich war – immer sehr mutig war und mir vieles zugetraut habe. Ich denke immer: Das schaffe ich, los geht’s. Ich kann gut Entscheidungen treffen und mich mit allen Konsequenzen ins Ungewisse stürzen – auch wenn sich meine Lebensumstände dadurch oft verschlechtert haben und ich es oft sehr schwer hatte. Es war mir immer wichtig, mir neue Herausforderungen und Ziele zu suchen, nicht stehenzubleiben. Ich mag Veränderung, und mag es, mich immer mal wieder zu erneuern. Mich zu häuten, damit Neues seinen Platz findet. Ich kann Ängste und Zweifel ganz gut überwinden.

„Es ist einfach krass, was im Musik-Business immer noch abgeht: Es ist, als würde man jungen Leuten absprechen, jemanden zu feiern, der nicht mehr in ihrer Altersliga spielt. Als müssten die Jungen und die Alten jeweils unter sich bleiben – als wäre Musik nicht altersübergreifend. Als würden Taylor Swift oder Billie Eilish nur von jungen und Madonna und Beyoncé nur von alten Leuten gehört“

Gerade sehen wir in der Öffentlichkeit vermehrt Frauen mit grauen Haaren und coole Best Ager Models. Dennoch fühlen sich viele Frauen ab 40 unter Druck – etwa gut auszusehen und leistungsfähig zu bleiben. Spürst du diesen Druck auch? Darf man als Frau heute noch optisch altern?

Ja, den spüre ich auch, dieser Druck ist absolut überall. Es geht immer irgendwie ums jung sein. Dies scheint ein notwendiges Attribut für Erfolg zu sein, wir kriegen das ja auch überall um die Ohren gehauen: Hier hebt man das „junge innovative Team“ hervor und da werden „junge talentierte Mitarbeiter“ gesucht. Talentiert allein reicht nicht – jung sein ist wichtig!

In der Musik-Branche sind Formulierungen wie „junge unverbrauchte Künstlerin“ ganz normal, immer noch! Das finde ich zum Beispiel total von gestern. „Unverbraucht“ – das Wort muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen! Wenn wir Veränderung wollen, müssen wir Frauen anfangen, dieses Spiel an ganz vielen Stellen nicht mehr mitzuspielen. Das fängt im Kleinen an. Etwa dabei, dass wir Frauen ab einem gewissen Alter nicht mehr so gerne offenbaren, wie alt wir sind oder unser Alter gänzlich verschweigen – so als würden wir uns insgeheim dafür schämen müssen. Das finde ich persönlich sehr schade. Ich wünsche mir mehr Frauen, die offen damit umgehen.

„In der Musik-Branche sind Formulierungen wie junge unverbrauchte Künstlerin ganz normal, immer noch! Das finde ich zum Beispiel total von gestern. Unverbraucht“ – das Wort muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen!“

Werden wir von diesem Druck beherrscht? Gut aussehen um jeden Preis?

Wir wollen doch alle irgendwie immer bestmöglich dastehen, das ist ja auch menschlich. Es ist ja auch ein schönes Gefühl, wenn man in den Spiegel schaut und sich gefällt – ganz unabhängig von der Meinung Anderer.
Ich freue mich immer, wenn ich mich in meine Lieblingsklamotten schmeiße, mich aufhübsche und denke: Yeah, gefällt mir! Es geht mir hier nicht darum, zu sagen: Altern ist der Wahnsinn! Auch ich erlebe nicht jeden Tag als einfach: Ich hadere oft mit meinem Äußeren und vor allem mit den körperlichen Veränderungen, die mit dem Altern einhergehen. Ich wünschte, ich könnte sagen: Es ist mir total egal, weil wahre Schönheit ja von Innen kommt. Aber so einfach ist es leider nicht, zumindest nicht für mich.

Trotzdem lasse ich mich davon nicht beherrschen und ich unterwerfe mich dem Druck auch nicht. Ich mache alles so, wie es sich für mich gut anfühlt. So, wie ich bestmöglich mit dem Älterwerden klarkomme. Da gibt es kein Rezept, dem man folgen kann. Das muss jeder für sich selbst erleben, herausfinden und entscheiden, wie man damit umgeht. Früher oder später macht diese Erfahrung ja sowieso jeder, zumindest sei es jedem zu wünschen, weil früh sterben will ja auch keiner.

Sängerin SONYA im HEYDAY-Interview

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Was bedeutet für dich ein erfülltes Leben im Alter?

Ich denke gar nicht so viel über mein Leben im Alter nach, es kommt wahrscheinlich ohnehin ganz anders. Ich kann mir das jetzt genauso wenig vorstellen, wie ich mir mit 30 mein Leben mit 50 nicht vorstellen konnte.

Erfüllung wäre für mich gesund zu bleiben, im Kopf fit zu sein, Menschen um mich zu haben, mit denen ich viel lachen kann, die ich liebe und die mich lieben. Ich würde gerne so dastehen, dass meine Familie und ich sorgenfrei, in finanzieller Unabhängigkeit leben könnten – das ist wirklich eine Vorstellung, die in mir ganz viel Ruhe auslöst.

Wie sieht dein Traum für die Zukunft aus? Was willst du unbedingt erreichen?

Ich habe viel vor, mein Kopf ist voll. Ich wünsche mir, gesehen und gehört zu werden – im großen Rahmen. Ein tolles kleines Team um mich herum wäre traumhaft, ein Label mit Visionen und viel Mut. Ich werde jetzt im Frühjahr meine erste EP rausbringen und im Sommer dann als Support Act mit Lena auf Tour gehen.

Darüber freue ich mich am allermeisten deshalb, weil mir bisher abgesprochen wurde für eine junge Zielgruppe relevant zu sein. Dass Lena mir diese Plattform bietet, Vertrauen in mich als Künstlerin hat und mir die Möglichkeit gibt, auf ihrer Bühne sichtbar zu werden, ist unglaublich von ihr und ein starkes Statement.

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2022 erschien ihre erste Single Feels So Fine, mit der sie
erstmals als Künstlerin, Songwriterin und Produzentin in
Erscheinung trat. Mit ihren stark von den Achtzigerjahren beeinflussten Synth Pop Songs und ihrer klaren Haltung zum Thema Ageism in
der Musik-Branche, möchte sie andere ermutigen ihren
Leidenschaften zu folgen. Es ist ihr ein besonders Anliegen, Frauen dazu
aufzufordern, ihr Alter nicht zu verstecken und zu zeigen, dass Veränderung möglich ist – egal in welchem Alter.

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