Wenn die Hormone Achterbahn fahren und der Körper plötzlich neue Regeln schreibt, suchen viele Frauen nach Antworten – und nach einem Ort, der sie wieder zu sich selbst zurückbringt. Für Swantje-Britt Koerner (59) liegt dieser Ort seit über zwanzig Jahren in einem stillen Tal an der Mosel: das Ayurveda Parkschlösschen in Traben-Trarbach. Swantje nimmt uns mit auf ihre Reise zu folgenden Fragen: Wie hilft Ayurveda, die Wechseljahre leichter, klarer und stabiler zu erleben? Und warum gerät gerade VATA, das „Älterwerden-Dosha“, bei so vielen Frauen aus dem Gleichgewicht?

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Ich reise von der Ostsee her an. Mit abgelackten Nägeln, weil Lack bei den anstehenden Ganzkörpermassagen sowieso absplittern könnte. Zu Beginn der Woche habe ich meinen geliebten Morgen-Espresso abgesetzt, denn es wird ein paar Tage lang nur Kräutertee geben. Keinen Kaffee, keinen Alkohol. Lediglich Tee und jede Menge heißes, warmes und raumtemperiertes Wasser, schon gleich nach dem Aufstehen. Es wird frühmorgens auf leisen Sohlen gebracht, vor der Zimmertür abgestellt und ist zuvor zehn Minuten lang abgekocht worden. Woher ich das alles schon weiß, bevor ich überhaupt angekommen bin?
Ankommen bei mir selbst
Ich war schon ein paar Mal hier. Im Parkschlösschen in Traben-Trarbach, einem 5-Sterne-Ayurveda-Hotel rechts der Mosel in einem bewaldeten Tal mit sich zu beiden Seiten steil erhebenden Bergen. Das Haus ist meine ayurvedische Homebase seit über 20 Jahren und das einzige seiner Art in Europa, das sich seit der Eröffnung 1993 ausschließlich auf die traditionelle indische Heilkunst mit dem Fokus auf Panchakarma-Kuren konzentriert.
Das erste Mal kam ich nach der Diagnose meines Hashimoto hierher, einer autoimmunen Schilddrüsenunterfunktion. Ich hatte zehn Kilo zugenommen und fühlte mich unendlich schwer. Im Parkschlösschen lernte ich Ernährung ganz neu, ließ mich an transzendentale Meditation heranführen und fühlte mich nach mehreren Wochen Kur innerlich wieder gereinigt und leicht. Ich konnte mit neuer Kraft an meinen redaktionellen Arbeitsplatz zurückkehren.
In den letzten Jahren hat sich bei mir einiges getan. Mein Körper ist mir durch das Auf und Ab der Hormone und rheumatische Erkrankungen an Organen und Gelenken noch mehr ins Bewusstsein gerückt. Ich will wissen, wie diese Umstellungen im Körper aus Sicht der altindischen Heilkunde erfasst werden. Und wie das Parkschlösschen darauf reagiert. Was Ayurveda für die Frau in den Wechseljahren tun kann.

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„In den letzten Jahren hat sich bei mir einiges getan. Mein Körper ist mir durch das Auf und Ab der Hormone und rheumatische Erkrankungen an Organen und Gelenken noch mehr ins Bewusstsein gerückt“

Das Ayurveda Parkschlösschen in Traben-Trarbach


Der erste Morgen: zurück in die Langsamkeit
Der erste Morgen hebt an. Ich bin ziemlich müde, weil ich durch die lange Anreise und den interessanten Vortrag am Vorabend zu spät ins Bett gekommen bin. Für meinen konstitutionsbedingten Rhythmus wäre eine Schlafenszeit von etwa 10 Uhr abends bis 6 Uhr früh ideal. Zugegeben, wenn ich endlich mal sämtliche „sozialen Verpflichtungen“ in den späten Stunden des Tages weglassen würde, wäre ich sogar schon vor 10 Uhr im Bett. So schlafbereit bin ich dann schon.
Die Ruhe im Haus ist wohltuend. Ich habe eine der großzügigen und gemütlichen Suiten mit Tageslichtbad, Badewanne und kleinem Sekretär im Dach des Jugendstil-Anbaus bekommen. Mit Blick in den Park. Ich sehe beim Blick aus dem Fenster erdende Farben und den rauschenden Fluss.
Mein Magen knurrt. Hashimoto muss morgens etwas essen. Das weiß ich seit wenigen Monaten dank meiner Heilpraktikerin, aber ich fühle es mittlerweile auch, weil mein Körpergefühl über die Jahre besser geworden ist. Doch erst einmal trinke ich zwei, drei Tassen vom abgekochten Wasser. Reinige meine Zunge mit einem von zu Hause mitgebrachten Schaber. Wasche mir mein Gesicht. Putze mir die Zähne. Entleere den Darm, der von dem fast heißen Wasser angeregt wurde. All das ist Teil meiner Morgenroutine, die ich an diesem Ort hier erlernte. Regelmäßige Abläufe wie diese helfen, Stabilität in den Körper zu bringen. Zu Hause würde ich noch Olivenöl durch den Mund ziehen.
Ich könnte jetzt zum Yoga gehen, das morgens und abends für Gäste des Hauses angeboten wird. Diese Stunden sind wundervoll, aber ich merke: Ich bin zu geschafft. Der erste Schritt zum Runterkommen. Wenn man merkt, dass man geschafft ist. Ich gehe nach unten. Die immer fröhliche Celeste begrüßt mich herzlich und hat schon gleich einen Scherz auf den Lippen. „Na, Frau Koerner …!“. Sie bringt mich an meinen Tisch in einem der beiden Speisesäle, er wird mir für den gesamten Aufenthalt gegeben. Dann muss ich … nein, darf ich zuerst den herb-säuerlich schmeckenden Amalaki-Aloe Vera-Drink auf nüchternen Magen einnehmen. Den hatte ich mal wieder vergessen. Jetzt heißt es erst mal warten, damit er im Inneren aufräumen kann.
Ich schnappe mir ein Buch aus der Parkschlösschen-Bibliothek über Face-Yoga, gehe wieder zurück auf mein Zimmer und imitiere ein paar Gesichter. Das macht Spaß. Handy-Surfen ist nicht, denn W‑LAN existiert nicht im Parkschlösschen. Die stromführenden Leitungen in den Zimmern der Gäste sind ummantelt, sodass keine elektromagnetischen Felder entstehen. Die Wände und Zwischendecken wurden zudem aus baubiologisch unbedenklichen Materialien gefertigt – alles Aspekte der großen Entstörung und Heilförderung, die hier angestrebt werden.
Nach einer halben Stunde gehe ich wieder runter und bekomme einen mit Mandel-Kokosmilch frisch gekochten Porridge aus Hirse, Buchweizen oder Quinoa und Amaranth. Oder alles zusammen. Warm, glutenfrei, kaum süß, ohne gekochtes Obst, dafür aber mit extra viel Zimt und Vanille. So, wie ich ihn mag. Dazu einen Rajas Cup, eine kräftige Kräutermischung, die ein wenig wie Kaffee duftet und schmeckt.

„Etwa 80 Prozent der Menschen in der modernen Zivilisation haben ein erhöhtes VATA – der Nährboden für Entzündungen. Wenn der Schutz der Östrogene wegfällt, steigt VATA zusätzlich. Wenn Frauen gut durch die Wechseljahre und eine gesunde Langlebigkeit wollen, müssen sie ihr VATA beruhigen“




Ayurvedische Diagnose: Wenn VATA und PITTA aus dem Gleichgewicht geraten
Um 10 Uhr steige ich in den Ärzte-Trakt zu meiner medizinischen Konsultation, einem ausführlichen Gespräch mit einer der drei ayurvedischen Medizinerinnen. Maria Hebel sitzt an ihrem Tisch und blickt auf meine aktuellen Blutwerte. Sie bestätigt eine Blutarmut, die weiter abgeklärt werden sollte, und fragt mich, wie ich mich körperlich, mental und emotional fühle.
Ich antworte, ich hätte mal wieder zu viel im Kopf und wolle am liebsten gleich alles auf einmal erledigen. Außerdem klopfe mein rechtes Auge. So, als ob es kurz vor dem nächsten Entzündungsschub stünde. Typisch für einen Herbst, die Übergangszeit. Maria Hebel hört genau zu, blickt in meine Patientinnen-Akte und bringt meine Konstitution ins Gespräch: PITTA-VATA. Mehr PITTA als VATA. Leider seien beide Doshas im Ungleichgewicht. Das VATA wäre zu hoch. Und das PITTA ebenfalls, deshalb die vielen unruhestiftenden Entzündungen im Körper.
Ich sage, bei ihrem Vortrag gestern, habe sie erklärt: Unsere moderne Lebensweise beinhalte viele VATA-erhöhende Faktoren und mentale Belastungen: Stress, Lärm, Reisen, Umzüge, Jobwechsel, unregelmäßige Schlaf- und Essgewohnheiten – solches Übermaß führe zur Nervosität, zu Schlafstörungen, autoimmunen Erkrankungen, Beschwerden des Bewegungsapparates und neurologischen sowie psychischen Erkrankungen. Etwa 80 Prozent in der modernen Zivilisation hätten ein erhöhtes VATA.
Nun hätte ich vor Kurzem gelesen, dass sich bei einer Frau ab dem 40. Lebensjahr
VATA noch einmal erhöhe. Durch die Wechseljahre! Wenn der Schutz der Östrogene wegfalle. Ob dann eigentlich so gut wie jede Frau ab den beginnenden Wechseljahren VATA-anfällig wäre? Sie bestätigt. VATA steige mit dem Älterwerden, als der degenerative und trockene Anteil einer Konstitution, der Nährboden für Entzündungen. Indem VATA austrockne und rau mache, befeuere es PITTA. Und um PITTA zu besänftigen, müsse ich das VATA beruhigen. Puhhh … es gibt viel zu tun, wie mir scheint.
Ich denke an Frauen in meinem Umfeld. Manche sind erst Anfang 40. Ihr VATA steigt und plötzlich bekommen sie alle ähnliche Beschwerden. Wenn sie gut durch die Wechseljahre kommen wollen, wenn sie eine gesunde Langlebigkeit wollen, müssen sie ihr VATA beruhigen.
Am Ende der Stunde fasst die Medizinerin meine Hand, kippt den Handteller nach oben und legt drei Finger auf meinen Puls unterhalb meines Handgelenks. Hört und fühlt. Vertieft sich regelrecht. Sowohl am linken Handgelenk wie am rechten. Beide Pulsarten seien da: Die Schlange für VATA. Der Frosch für PITTA. Ich bekomme meinen Behandlungsplan und Kräuterpräparate für verschiedene Tageszeiten mit so wohlklingenden Namen wie Kisol und Triphala. Und ich bin happy. Die Ernsthaftigkeit, mit der mir hier als Patientin begegnet wird, ist sagenhaft. Allein das dürfte schon mein VATA beruhigen.

„Wer eine Panchakarma macht oder auf KAPHA-Reduktionskost ist, muss oft ein paar Tage etwas Verzicht üben, aber ich habe Glück: Bei mir geht es dieses Mal um VATA-Reduktion, also darf ich ohne Einschränkungen in den nahrhaften, alle Sinne ansprechenden Speisen schwelgen“




Essen als Medizin – und als Umarmung
12:30 Uhr. Essen. Endlich. Mittags brennt bei mir das Verdauungsfeuer AGNI so stark, dass ich ungehalten werde, wenn ich nicht sofort etwas zwischen die Kiemen bekomme. Das ist meine PITTA-Grundkonstitution.
Die Küche im Parkschlösschen ist ultimativ köstlich. Sie setzt auf eine vegetarische, alle sechs Geschmacksrichtungen (süß, sauer, salzig, scharf, bitter, zusammenziehend bzw. herb) enthaltene, jeden Tag frisch zubereitete, warme ayurvedische Kost und Kurkost, mit der die Doshas ausbalanciert werden sollen. Wer eine Panchakarma macht oder auf KAPHA-Reduktionskost ist, muss oft ein paar Tage etwas Verzicht üben, aber ich habe Glück: Bei mir geht es dieses Mal um VATA-Reduktion. Also darf ich ohne Einschränkungen in den nahrhaften, alle Sinne ansprechenden Speisen schwelgen. In guten Ölen und mit Ghee, geklärter Butter, zubereiteten Saucen. Nicht zu leicht, aber auch nicht beschwerend.
Heute ist Sonntag und es gibt Buffet. Ich lade mir meinen ersten Teller mit frittiertem Blumenkohl voll, mit Hummus, Zucchiniröllchen und Rote Bete-Carpaccio. Dann setze ich mich an meinen Tisch und will anfangen, aber … HALT! Erstmal den obligatorischen Inger-Kreuzkümmel-Trunk. Der wird vor jeder Mahlzeit gebracht und soll den Magen aufräumen.
Beim zweiten Teller komme ich mit Aleksandra, der Köchin, die diesen Sonntag das Buffet kreiert hat, ins Gespräch und lasse mir die Zubereitung ihrer Speisen erklären. Ich frage sie, ob es sich um eine sattvische Ernährung handelt. Sie verneint. Weil zum Beispiel kleine Mengen von Knoblauch und Zwiebeln in Suppen verarbeitet würden, die nach Ayurveda Unruhe in den Körper bringen können. Deshalb handle es sich nicht um eine rein sattvische Ernährung. Aber die Speisen würden im Sinne von SATTVA zubereitet, friedvoll und in liebevoller Zuwendung. Das ist typisch fürs Parkschlösschen. Jeder ist ansprechbar. Nimmt sich Zeit. Hilft. Allein das salbt schon die Seele, beruhigt, nährt und erfüllt.


Vierhändige Abhyanga – Öl, das bis zu den Knochen beruhigt
14 Uhr. Ich warte im Vorraum des weitläufigen Untergeschosses vor einem nach Männern und Frauen getrennten Therapiebereich. Bei abgedimmtem Licht, in meinem Bademantel und Schlappen, die mit meinen Initialen beschriftet wurden. Eine meiner beiden Therapeutinnen holt mich ab. Auf dem Weg zu meinem Behandlungszimmer sehe ich das ein oder andere bekannte Gesicht. Hier arbeiten manche schon seit 20 Jahren. Was mich immer sehr freut in dieser schnelllebigen Zeit.
Die vierhändige ABHYANGA ist eine Ganzkörpermassage mit einem erhitzten Öl und gilt als Inbegriff der VATA-Besänftigung. Nach wenigen Ausstreichungen entlang der Beine und Arme fühle ich bereits ein neues Gleichmaß. Mein sprunghafter Geist, der noch schnell ein paar Fragen klären und Probleme lösen wollte, schaltet auf eine andere Frequenz. Ich schweige und gerate in eine Art Trance. Das machen die synchronisierten Bewegungen der vier Hände, aber auch die Wärme des Öls. Ein VATA-Öl. Sesam, langgekocht mit Kräutern. Es nährt die Haut und soll sogar bis zu den Knochen gelangen. Zugleich wird die Lymphe angeregt, Stoffe freizugeben und in Bewegung zu setzen.
Ich genieße die Stunde und werde zuletzt noch 20 Minuten mit einer sanften, liebevoll ausgeführten Bauchmassage verwöhnt, die neu im Programm ist. Als Bestandteil der „AYURWOMAN“, einer Auszeit zur Stärkung der hormonellen Balance und inneren Mitte für weibliche Kurgäste.

„Ich nehme mir Zeit für mein ayurvedisches Kur-Journal und schreibe alles auf. Wie der erste Tag war. Wie ich mich fühle. Was ich besser machen will, später, daheim an der Ostsee“
Jetzt nichts als Stille
Danach bin ich erstmal langsam und dusche mir im Therapiebereich das Öl von der Haut und aus den Haaren. Erst shampoonieren, noch ohne Wasser, dann erst spülen. So geht es leichter. Heute möchte ich mich nicht mehr groß bewegen. Auch nicht im Geist. Also gehe ich hoch auf mein Zimmer und nehme mir den restlichen Tag Zeit, mein ayurvedisches Kur-Journal anzufangen, das jeder Gast bei seiner Anreise erhält. Ich setze mich an den Sekretär und schreibe alles auf. Wie der erste Tag war. Wie ich mich fühle. Was ich besser machen will, später, daheim an der Ostsee. Ich gehe früh zum Abendessen und verschwinde danach gleich wieder auf meinem Zimmer. Heute mal keinen Vortrag, auch wenn der noch so interessant sein wird.
Glücklich beschließe ich den Tag für mich allein. Mit einer Wärmflasche auf meinem Bauch und einer warmen, pflanzlichen Milch mit einer Mischung aus Kardamom, Muskat und anderen wunderbaren Gewürzen. Heute schlafe ich weit vor Mitternacht ein. In dem für mich richtigen Zeitfenster.
Das tut so gut: pure Energiearbeit
Für den nächsten Vormittag habe ich mich für eine nicht Ayurveda-typische Anwendung einbuchen lassen. Das geht, weil alle Therapiepläne individuell ausgearbeitet und je nach Befinden während der Kur angepasst werden. Meine Medizinerin gibt mir zudem dieses Mal Spielraum. Ich darf frei entscheiden, was ich brauche.
Bevor ich in den Therapiebereich gehe, trinke ich erstmal zwei Gläser Tee. Überall im Parkschlösschen stehen Thermoskannen mit heißem Wasser und diversen Tees für die unterschiedlichen Doshas. Ich entscheide mich für einen Kardamom-Fenchel-Tee. Der gilt als verdauungsfördernd und soll VATA harmonisieren. Genau richtig für mich.
Später warte ich unten im Haus im Bademantel, bis Philipp kommt, der mich in einen Raum im Therapiebereich der Männer führt. Philipp macht Cranio-Sakral, eine sanfte Form der Osteopathie. Für mich ist es pure Energiearbeit. Seine Hände erspüren meine Blockaden im unteren Rücken und die Zerrung am Oberarm. Vor einem Jahr habe ich zur Wintersonnenwende 100 Sonnengrüße hintereinander gemacht – diese Überlastung merke ich noch immer. Für ein paar Stunden werden alle Schmerzen aus meinem Körper verschwinden. Unfasslich gut.




„Die Infrarot-Sauna balanciert PITTA und VATA, indem sie direkt auf tiefere Gewebsschichten wirkt und Entzündungen lindert“

Zwischen Infrarot und Thermalwasser
Gegen 11 Uhr gehe ich durch den Zwischenbau, in dem der hoteleigene Shop, der Ärztetrakt, Yoga-, Physio- und Fitnessräume angesiedelt sind, in das ehemalige städtische Kurmittelhaus, wo sich die Veda-Therme befindet. Hier finden sich das Schwimmbad, eine Biosauna, eine finnische Sauna und eine Infrarot-Sauna, die es bei meinem letzten Aufenthalt noch nicht gab.
Auf dem Schild neben der Eingangstür lese ich, dass Infrarot PITTA und VATA balanciert, indem es direkt auf tiefere Gewebsschichten wirkt und Entzündungen lindert. Na, dann nichts wie hinein.
Ich verbringe eine halbe Stunde in dem mit Salzsteinen ausgekleideten und von oben mit Steinsalz bedampften Raum und fühle mich wunderbar.
Jetzt ab in den Pool mit warmem Thermalwasser. Ein Buddha schaut mir unter seinen halbgeöffneten Lidern dabei zu, wie ich meine Runden schwimme. Überall im Haus gibt es Buddhas. Der Gründer des Parkschlösschens, Wolfgang Preuß, hat sie gesammelt und im Ort ist ein Museum mit dem Großteil seiner riesigen Sammlung angesiedelt.
Den Nachmittag verbringe ich wieder mit Journaling und der Lektüre eines Buches, das ich vor zwei Jahren unten aus dem Shop gefischt habe: „Mit Ayurveda durch die Wechseljahre“. Es ist sagenhaft aufschlussreich und enthält unter anderem Rezepte und praktische Anleitungen für die Selbstmassage. Heute fasziniert mich, dass die ayurvedische Frauenheilkunde das Leben in drei große Abschnitte unterteilt.
Hier steht: „Unabhängig von der individuellen Konstitution herrscht in der Kindheit eine KAPHA-Dominanz vor, die Lebensmitte wird von PITTA bestimmt und im Alter ist das vorherrschende VATA für viele Veränderungen und Beschwerden verantwortlich.“ Im Grunde ist VATA, so geht mir auf einmal auf, auch das Älterwerden-DOSHA. Individuell wie gesamtgesellschaftlich. Unsere älter werdende Gesellschaft sammelt jede Menge VATA-Symptome an – so funktioniert gesunde Langlebigkeit aber nicht. Wir alle müssten VATA beruhigen, immer wieder.
Kurz vor dem Einschlafen stelle ich fest, dass meine Bettdecke etwas schwerer sein könnte. Beim Vortrag am ersten Abend habe ich gelernt, dass zu viel VATA sich mit beschwerten Decken wohlfühlt. Dass es solche Decken inzwischen sogar bei Discountern zu kaufen gibt. So eine Decke will ich unbedingt für Zuhause.
„Nach einer Stunde Waldbaden ohne Podcast oder Musik auf den Ohren, fühle ich mich herrlich erfrischt und zugleich entspannt. Das war 100 Prozent VATA-beruhigend“

Waldbaden im Mammutbaum-Licht
Am dritten Tag bin ich schon so bei mir angekommen, dass ich um 6:30 Uhr aufstehe, ohne müde zu sein. Ich trinke zwei Tassen fast heißes Wasser in kleinen Schlucken. Reinige mir die Zunge. Wasche mir mein Gesicht. Putze mir meine Zähne. Entleere den Darm. Dann setze ich mich hin und meditiere, indem ich mein Mantra innerlich gebetsmühlenartig wiederhole. Das Wort ist mir vor 20 Jahren im Parkschlösschen zugeteilt worden. Nach wie vor werden im Haus Einzelstunden in die Einführung zur Meditation angeboten.
Als ich aus meiner Versunkenheit auftauche, hat sich mein Geist, der anfangs noch in diversen Gedanken wie ein eifriges Äffchen hin- und hergesprungen ist, beruhigt. Ich könnte mir nun eine Wanne volllaufen lassen. Baden, habe ich gestern gelesen, ist besser für die VATA-Beruhigung als Duschen. Statt zu baden, dusche ich dann aber doch, ziehe mich an und gehe zum Frühstück, denn Hashimoto soll morgens etwas essen. Ich treffe die immer fröhliche Cecil und bekomme von ihr einen leckeren Porridge. Und eine Tasse Rajas Cup.
Danach bade ich doch, aber anders. Ich gehe für eine Stunde hinaus. In den Herbst. Waldbaden. Es hat geregnet. Mit gemächlichen Schritten bewege ich mich durch die herbstlichen Farbwelten im weitläufigen Park mit seinen exotischen Bäumen. Bleibe unter dem riesigen Mammutbaum stehen. Spaziere über den im frühen Licht glitzernden Rasen, setze mich auf eine der festinstallierten Liegen. Atme bewusst die pflanzlichen Duftstoffe ein. Terpene, so heißen sie. Sie werden von Bäumen und Pflanzen zur Kommunikation und Abwehr von Schädlingen ausgesendet. Sobald man sie einatmet, stärkt man sein Immunsystem, reduziert Stress und verbessert die Stimmung. Das habe ich mal bei einer von der Gästebetreuung organisierten Tour durch den Park gelernt. Nach einer Stunde Waldbaden ohne Podcast oder Musik auf den Ohren, fühle ich mich herrlich erfrischt und zugleich entspannt. Das war 100 Prozent VATA-beruhigend.


Hormon-Yoga: Energie lenken, VATA beruhigen
Um 16 Uhr nehme ich an einer Stunde Hormon-Yoga teil. Ich mache mein halbes Leben lang Yoga und habe viele Richtungen erlernt, aber Hormon-Yoga kenne ich nur vom Hörensagen. Vorab erfahre ich, dass man sich im Parkschlösschen an das Hormon-Yoga von Dinah Rodrigues anlehne. Man habe ihre Übungen jedoch komprimiert und leichter, sanfter gemacht, sodass auch Einsteiger mitkämen. Bestens!
Wir sind nur wenige Teilnehmer in dem weitläufigen, lichten Raum mit den bodentiefen Fenstern zum Park, denn viele sind noch bei ihren Anwendungen. Ich liege mit dem unteren Rücken auf einem kleinen Sandsack und strecke beide Arme nach oben hin aus. Nun soll ich wie ein Blasebalg atmen – kräftig ein und kräftig aus. Ich spüre den leichten Druck, der durch den Sack auf meine Lendenwirbelsäule ausgeübt wird.
Kati, die auch den Therapiebereich leitet, nimmt sich Zeit, uns zu erklären, was wir da eigentlich machen. Die Übung nenne sich „Diamantschlaf“. Ich lerne, dass es um Energielenkung geht. Dass durch die BHASTRIKA-Atmung, die Blasebalg-Atmung, Energie zu den Eierstöcken, den Nebennieren und der Schilddrüse gelenkt wird. Ich lerne, dass im Hormon-Yoga die Handgelenke für die Eierstöcke stehen. Und VATA im unteren Rücken sitzt und genau den stimulieren wir gerade.
Die nächste Übung beginnt. Ich setze Mula Bandha, Wurzelverschluss. Lenke meine Aufmerksamkeit zur Hypophyse, einer erbsengroßen Drüse an der Schädelbasis, die durch ihre Hormonproduktion lebenswichtige Körperfunktionen wie Wachstum, Stoffwechsel und Fortpflanzung steuert. Dabei soll ich wieder wie ein Blasebalg atmen. Uffz, das ist ja ganz schön komplex.
Am Ende der Stunde fühle ich mich, als ob ich doppelt so lange auf der Matte gewesen wäre. Dabei auch wacher. Wie gut durchlüftet. Schade, dass Hormon-Yoga vor zwanzig Jahren noch kein Thema war. Ich hätte es bestimmt praktiziert und vielleicht hätte es mir bei meiner Schilddrüse geholfen.
Im anschließenden Zweier-Gespräch wird Kati noch etwas ausführlicher. Hormon-Yoga habe zum Ziel, den Hormonhaushalt zu stimulieren und zu balancieren, wodurch es begünstigend auf das in den Wechseljahren steigende VATA einwirken könne. Zum VATA gehöre Nervosität. Dass der Geist unruhig sei und sehr aktiv. Dass mehr Anspannung im Körper sei und man sich schlecht konzentrieren könne.
Überdies sei dieses Yoga ein Training der Wahrnehmung, weil man bei den energetisierenden Übungen sehr fokussiert sein müsse, um sie zu koordinieren. Stimmt! Die Erfahrung habe ich soeben gemacht.


„Ich habe viel Wärme in mir und empfinde mehr Hiersein im Jetzt. Mehr Selbstvertrauen. Stabilität. Was ansteht, darf kommen, aber erst, wenn es dran ist“
Zurück nach Hause – mit mehr innerer Stabilität
Ich bleibe noch ein paar Tage, bekomme wärmende, beruhigende Massagen, esse mich glücklich, nehme am Yoga teil, meditiere, schlafe zeitig und tausche mich hier und da mit anderen aus. Es sind überwiegend Frauen im Haus. Etliche über 40. „VATA-RIANERINNEN“, taufe ich sie, taufe ich uns. Auch wenn wir in unseren Hauptkonstitutionen unterschiedlich sind, eint uns dieselbe Störung. Eine Störung im VATA. Auch, weil wir in den Wechseljahren sind. Manche noch am Anfang, manche bereits mittendrin, andere wie ich an deren angeblichem Ende. Dabei endet die Umstellung im Grunde nie ganz, wenn ich meiner Mutter glauben mag.
Auf dem Weg zurück an die Ostsee, halte ich meine Mütze griffbereit. Am Meer weht ein herbstlicher Wind. Nicht so gut, weil er mein VATA wieder nach oben treiben wird.
Aber ich fühle mich gut. Ich habe viel Wärme in mir und empfinde mehr Hiersein im Jetzt. Mehr Selbstvertrauen. Stabilität. Was ansteht, darf kommen, aber erst, wenn es dran ist.
Vom ayurvedischen Essen werde ich für Wochen einen milden, angenehm süßlichen Geschmack auf der Zunge behalten und für längere Zeit nahezu alle VATA-erhöhenden Nahrungsmittel vermeiden. Ich habe mich sozusagen recht schnell von dem für mich Falschen entwöhnt.
Danke, Ayurveda. Danke, Parkschlösschen. Ihr habt mal wieder mein VATA besänftigt.
DIE DOSHAS: VATA, PITTA, KAPHA

VATA – das Bewegungsprinzip
- Steuert Nervensystem, Atmung, Beweglichkeit
- Eigenschaften: leicht, kalt, trocken, schnell, unruhig.
- Erhöht durch: Stress, Reisen, Lärm, unregelmäßige Routinen – und in den Wechseljahren ganz besonders
- Typische Beschwerden bei Überschuss: Nervosität, Schlafstörungen, Entzündungen, Schmerzen im Bewegungsapparat, Autoimmunreaktionen
PITTA – das Transformationsprinzip
- Zuständig für Verdauung, Stoffwechsel und geistige Verarbeitung
- Eigenschaften: heiß, scharf, durchdringend, ölig
- Erhöht durch: Hitze, scharfes oder saures Essen, Druck, Perfektionismus
- Typische Beschwerden: Übersäuerung, Hautprobleme, Entzündungen, Herz-Kreislauf-Beschwerden
KAPHA – das Stabilitätsprinzip
- Gibt Struktur, Stärke und emotionale Ruhe
- Eigenschaften: schwer, kühl, feucht, stabil
- Erhöht durch: zu viel süße oder schwere Nahrung, Bewegungsmangel
- Typische Beschwerden: Gewichtszunahme, Ödeme, Atemwegsprobleme, Müdigkeit



















