Was wir durch die Endlichkeit lernen

Ein Buch über den Abschied und den Tod? – Unter dem Namen „Bye“ haben sich die Autorinnen Laura Letschert und Julia Felicitas Allmann dieser Herausforderung gestellt. HEYDAY lässt drei starke Protagonistinnen zu Wort kommen, die in „Bye“ ihre persönlichen Erfahrungen und Gedanken teilen

FOTOS: Laura Letschert

HEYDAY x BYE: Sabina Bisceglia
HEYDAY x BYE: Sylvia Brathuhn
HEYDAY x BYE: Dorothée Mellinghaus

Drei Frauen sprechen offen über den Tod, die Trauer und selbstbestimmtes Sterben: (v.l.) Sabina Bisceglia (50), Sylvia Brathuhn (67) und Dorothée Mellinghaus (78) sind Teil des Buches „BYE“, das uns alle ermutigt, mehr über die Endlichkeit zu sprechen – und das Leben dadurch bewusster zu gestalten.

„BYE ist ganz und gar kein trauriges Buch, sondern es macht vielmehr Mut, sich der eigenen Endlichkeit zu stellen – und auf dieser Basis zu reflektieren, was im eigenen Leben wirklich wichtig ist…”

Die Autorinnen Laura Letschert und Julia Felicitas Allmann

Wir alle nehmen immer wieder Abschied: Mal sind es Abschiede von Lebensabschnitten, Freundschaften, Idealen oder Selbstbildern, mal sind es Abschiede von geliebten Menschen, von langjährigen Haustieren oder irgendwann auch von unserem eigenen Leben. Doch obwohl die Vergänglichkeit allgegenwärtig und der Tod eine der wenigen Gewissheiten ist, die wir im Leben haben, reden wir so selten über ihn. Die Autorinnen Laura Letschert und Julia Felicitas Allmann möchten das ändern und haben ein Buch über das Sterben geschrieben. In BYE – Wir sprechen von Tod, Abschied und dem, was bleibt erzählen 16 Menschen ihre ganz persönlichen Abschieds- und auch Lebensgeschichten.

HEYDAY stellt drei Frauen aus dem Buch vor. Die Inhalte stellen die Situationen der Frauen dar, wie sie zum Zeitpunkt der Gespräche waren. Inzwischen können sich einige Lebensumstände oder Meinungen geändert haben – die einzelnen Kapitel des Buches sind bewusst als „Momentaufnahmen“ gestaltet.

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Sabina Bisceglia (50)
konnte den Tod ihres Mannes als Neuanfang begreifen

Foto: Laura Letschert

HEYDAY x BYE: Sabina Bisceglia

„Seit Matthias nicht mehr da ist, ist vieles auf Reset. Wenn man irgendetwas Positives daraus ziehen will, dann kann man sagen: Es gibt eine Art zweite Chance, einen Neuanfang“

Sabina verlor ihren Mann Matthias durch einen Sekundentod, während die beiden Kinder in der Schule und sie selbst bei einer Weiterbildung war. Zwei Jahre später erzählt sie sehr offen, wie sie und ihre Familie diese einschneidende Veränderung durchleben, gegen welche Vorurteile Sabina zu kämpfen hat und warum es ihr direkt nach dem Tod ihres Mannes besser ging als jetzt.

„Seit Matthias nicht mehr da ist, ist vieles auf Reset. Wenn man irgendetwas Positives daraus ziehen will, dann kann man sagen: Es gibt eine Art zweite Chance, einen Neuanfang. Ich kann vieles selbst entscheiden und bin nicht mehr abhängig von seiner Meinung, von seinem Job, seinen Wünschen“, sagt sie. „Es ergeben sich viele Möglichkeiten, denen ich nachgehen kann. Aber noch bin ich ganz beschäftigt mit all den Nebenkriegsschauplätzen, die es eben gibt, seit er nicht mehr da ist.“

Sabina arbeitet als Trainerin und Coach – ein Beruf, der sie sehr erfüllt, der sich aber immer als eine Art Nebenjob anfühlte, als ihr Mann noch lebte. „Neben den Kindern, neben dem Hausbau, neben, neben, neben – Matthias hat immer viel gearbeitet und war viel unterwegs.“ Sie erkennt neben all den Herausforderungen auch die Freiheit, die sie nun für sich hat: „Ich war schon immer frei, aber im Team gehst du einen gemeinsamen Weg – für diesen Weg macht jedes Teammitglied Abstriche. Mir ist unheimlich wichtig, dass es meinen Kindern gut geht, das beeinflusst meine Entscheidungen natürlich. Aber große Entscheidungen, die man als Team oder Eltern trifft, die treffe ich jetzt allein.“

„Das ist Wahnsinn, auf was für einer Ebene unser Verstand funktioniert und unser Schutzmechanismus sich einschaltet”

An dem Tag, als Matthias starb, war Sabina beruflich unterwegs und wurde von einer Nachbarin informiert, dass sie nach Hause kommen sollte. Als sie begriff, was passierte, dachte sie sofort daran, wie sie es den Kindern sagen könnte. Sie funktionierte einfach: „Selbst als ich meine Freundin anrief, bei der meine Tochter war, war ich sehr gefasst. Ich bin bei uns ins Gäste-WC, habe die Tür abgeschlossen und sagte zu ihr: ‚Ich kann jetzt nicht sprechen, Matthias ist tot, behalte bitte meine Tochter bei dir.‘ Sie ist Ärztin, hat sofort sehr professionell reagiert: ‚Alles klar, melde dich, tschüss.‘ Das ist Wahnsinn, auf was für einer Ebene unser Verstand funktioniert und unser Schutzmechanismus sich einschaltet. Ich glaube, ich habe diesen Schmerz auch nie so richtig zugelassen. Ich glaube, der kommt jetzt erst – nach zwei Jahren.“ Sabina war und ist klar, dass sie sich auch um sich selbst kümmern muss, um stark zu bleiben und vor allem, um für ihre Kinder da zu sein.

Eine große Aufgabe war es für die Drei, ein neues Familienleben in der neuen Konstellation aufzubauen. „Wir haben darauf geachtet, wo der größte Schmerzpunkt liegt. Was gar nicht ging, war allein schlafen. Also haben wir alle zusammen geschlafen“, sagt Sabina. „Es waren viele nüchterne Entscheidungen, die dazu geführt haben, dass es uns emotional besser geht. Zum Beispiel haben wir das Sonntagsfrühstück gestrichen. Das war immer unser Familienritual.“ Nach dem Tod von Matthias ließen sie sich von Freunden einladen, haben gepicknickt oder im Bett gefrühstückt. Hauptsache, es war anders. „Ich habe ein paar Wochen später das Schlafzimmer mit dem Büro getauscht und alles umgestaltet. Die schlimmsten Momente waren die Sonntage, die Geburtstage, die Urlaube, natürlich die Familienfeiertage. Aber auch manche Abende, an denen er so sehr fehlte, um die Kinder in den Schlaf zu kraulen oder mit mir auf dem Sofa ein Glas Wein zu trinken.“

„Heute habe ich mehr Gelassenheit entwickelt und bin viel mehr bei mir”

Gleichzeitig ist Matthias immer bei ihnen, und Sabina und die Kinder nehmen ihn heute in Form eines Regenbogens wahr. „An meinem Geburtstag saß ich mit meiner Freundin in einem Lokal auf der Terrasse zum Abendessen. Ich schaute auf zwei Häuser, dazwischen war ein kleines Stück Himmel“, erzählt Sabina. „Ich habe mit ihr angestoßen und plötzlich kam der Regenbogen. Es hat nicht geregnet und es war schon Abend. Und trotzdem kam der Regenbogen.“

Kurz nach dem Tod von Matthias meldete sich Sabina bei einer Dating-Plattform an, auf der sie schnell einen neuen Mann kennenlernte. Damit stieß Sabina viele Menschen vor den Kopf – vor allem die Familie ihres Mannes. „Ich glaube, es ist von außen ganz schlecht vorstellbar, was in mir vorging. Hättest du mir vorher erzählt, dass ich das tun könnte, hätte ich dir einen Vogel gezeigt. Ich selbst hätte es mir überhaupt nicht vorstellen können“, sagt Sabina. „Durch diese Erfahrung werde ich mir jetzt über viele eigene Vorurteile bewusst und merke, dass ich nun anders damit umgehe. Wenn man es selbst durchlebt, ist es etwas ganz anderes.“

Sie glaubt, dass Matthias ihr den neuen Partner geschickt hat, um sie in der schweren Zeit zu stärken. Inzwischen hat sich Sabina allerdings von dem Mann getrennt – weil sie spürte, dass sie ihren Weg erst einmal allein gehen kann und will. Was sich seit dem Tod ihres Mannes in ihr verändert hat: „Ich glaube, mir sind viel mehr Dinge nicht mehr so wichtig“, sagt Sabina. „Davor habe ich viel mehr über Dinge nachgedacht. Heute habe ich mehr Gelassenheit entwickelt und bin viel mehr bei mir. Es ist nicht mein Problem, was Andere denken.“


BYE – Wir sprechen von Tod, Abschied und dem, was bleibt

HEYDAY x BYE: Buch von Laura Letschert und Julia Felicitas Allmann

„Die Gewissheit, dass unser Leben endlich ist,
kann uns Angst machen – oder uns spüren
lassen, dass unsere Zeit genau deshalb kostbar ist.
In diesem Buch erzählen Menschen in
persönlichen Gesprächen sehr offen von ihren
Abschiedsgeschichten. Sie laden uns damit ein, dem Sterben liebevoll und ohne Tabus zu begegnen. Diese Gespräche sind gleichzeitig Lebensgeschichten, die Trost und Kraft schenken und uns bewusst machen,
wie schön unser Dasein in allen Facetten ist.
Während du dieses Buch liest, wirst du
vermutlich berührt sein und mitfühlen. Du wirst
innehalten, Neues entdecken und hinterfragen.
Du wirst aber genauso lachen, dankbar sein und
dich selbst besser kennenlernen.”
Die Autorinnen Laura Letschert und Julia Felicitas Allmann lassen zwischen den Gesprächen eigene Gedanken einfließen – allem voran die Erkenntnis, das eigene Leben genau jetzt zu leben.

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Dorothée Mellinghaus (78)
möchte selbstbestimmt sterben

Foto: Laura Letschert

HEYDAY x BYE: Dorothée Mellinghaus

„Mein Leben war abwechslungsreich und erlebnisreich, ich habe nichts mehr nachzuholen“

Sie führte immer ein selbstbestimmtes Leben und sie möchte selbst entscheiden, wann dieses Leben endet. Deshalb ist Dorothée Mellinghaus Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben, einem Verein, der sie bei der Vermittlung eines assistierten Suizids unterstützt. Im Buch erzählt sie, warum ihr diese Entscheidung schon lange ein Gefühl von Stabilität und Sicherheit gibt und wieso ihr Kater aktuell der einzige Grund ist, warum sie sich noch nicht vom Leben verabschiedet hat.

Obwohl Dorothée in naher Zukunft sterben möchte, bezeichnet sie sich selbst nicht als lebensmüde, sondern als lebenssatt. Der Unterschied: „In meinen Augen spricht aus dem Begriff ‚lebensmüde‘ viel Unzufriedenheit. Ich habe zwar schon seit meiner Kindheit mit seelischem Schmerz und Depressionen zu kämpfen, aber ich bin überhaupt nicht unzufrieden, weil ich auch viel Schönes erlebt habe. Mein Leben war abwechslungsreich und erlebnisreich, ich habe nichts mehr nachzuholen“, sagt sie. „Wenn ich meinen Antrag auf Freitodbegleitung stellen werde, tue ich das nicht mit Traurigkeit. Ich habe einfach genug vom Leben und ich finde es sehr gut, dass es Gesellschaften wie die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben gibt, die mir einen sehr ordentlichen Tod in Harmonie und Zufriedenheit ermöglichen.“

„Wenn ich meinen Antrag auf Freitodbegleitung stellen werde, tue ich das nicht mit Traurigkeit. Ich habe einfach genug vom Leben und ich finde es sehr gut, dass es Gesellschaften wie die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben gibt“

Mitglied in der Gesellschaft wurde Dorothée bereits mit 48 Jahren – und seitdem hat es sie immer beruhigt, dieses selbstbestimmte Ende ihres Lebens vor Augen zu haben. „Für mich war immer schon klar, dass ich mich nicht vor einen Zug werfe oder andere gewaltvolle Dinge tue, um mein Leben zu beenden. Doch ich hatte das Gefühl, dieser Weg der Sterbehilfe könnte für mich eine Alternative zum natürlichen Sterben sein und diese Aussicht hat mich immer beruhigt, sie hat mir innerlich eine große Stabilität gegeben, sie hat mir Kraft und Durchhaltevermögen in schwierigen Zeiten vermittelt“, erzählt sie.

„Ich stelle mir diese Form des Sterbens friedlich und ästhetisch vor. Und vor allem ganz klar und selbstbestimmt, nicht als Übersprungshandlung. Ich war schon als Kind sehr selbstbestimmt, weil ich es sein musste – und diese Fähigkeit ist mir mein ganzes Leben lang geblieben. Deshalb möchte ich irgendwann sagen: So, jetzt bin ich so weit. Ich möchte würdevoll sterben.“

Doch noch ist dieser Zeitpunkt nicht gekommen und das liegt vor allem an dem Kater, den Dorothée seit einigen Jahren besitzt. „Ich habe einen wunderbaren schwarzen Hauskater, den ich aus einem Tierheim geholt habe, und ich könnte es nicht ertragen, dass er zurück ins Tierheim muss, nur weil ich mein Leben beenden möchte“, sagt sie. „Es klingt jetzt schrecklich, wenn ich sage, dass ich auf den Tod dieses Tieres warte, aber vermutlich ist es so. Dabei weiß ich gar nicht, wie alt der Kater ist, das konnte man mir damals nicht sagen. Wenn ich mit ihm zusammen bin, ist es das Einzige, was mir noch Freude gibt. Ich lebe mit ihm allein und es ist das Schönste für mich, mit ihm zu kuscheln. Wenn er mich ansieht, habe ich das Gefühl, dass er mich versteht. Deshalb würde ich es nicht übers Herz bringen, ihn seinem Schicksal zu überlassen.“

„Das Sterben an sich hat tatsächlich gar keinen Schrecken für mich. Es ist für mich ganz selbstverständlich, es ist das Ende meines Lebens. Ich bin dankbar, dass ich das so pragmatisch sehen kann“

Dorothée hat wenig Verständnis dafür, dass das Medikament für einen assistierten Suizid nicht so weit freigegeben wurde, dass Ärzte und Ärztinnen es direkt an Menschen wie sie verschreiben können. Im aktuellen Verfahren muss sie Gespräche mit juristischen und medizinischen Fachleuten führen, es wird eine sechsmonatige Frist abgewartet, um sicherzugehen, dass der Wunsch wirklich von Dauer ist. Das Medikament wird dann in einer Einrichtung verabreicht – dabei hätte Dorothée eigentlich einen anderen Wunsch.

„Ich würde das gerne mit einer Fachkraft bei mir Zuhause – an meinem Zufluchtsort – machen. Hier fühle ich mich wohl, es ist wunderschön im Wohnzimmer mit der großen Terrassentür und dem Blick nach draußen. Ich habe hier eine große Fernsehliege, die sich gut eignen würde“, sagt sie. „Ansonsten stelle ich es mir wie einen ganz normalen Tag vor: Ich würde vermutlich vorher noch einen Kaffee trinken, weil ich schon immer gerne und viel Kaffee trinke.“

Vor dem Sterben selbst hat Dorothée keine Angst: „Das Sterben an sich hat tatsächlich gar keinen Schrecken für mich“, sagt sie. „Es ist für mich ganz selbstverständlich, es ist das Ende meines Lebens, und mein Leben war okay, mit all den schweren Phasen und mit all meinen Traumata – und ich bin dankbar, dass ich das so pragmatisch sehen kann.“


Sylvia Brathuhn (67)
öffnet neue Perspektiven auf den Tod

Foto: Laura Letschert

HEYDAY x BYE: Sylvia Brathuhn

„Ich dachte, ich bin ein guter Mensch, ich bin eine gute Mutter, ich rauche nicht, ich trinke nicht, ich mache Sport – warum bekomme ich Krebs?

Als junge Frau verlor sie ihre Mutter an Krebs, als Intensivkrankenschwester arbeitete sie an der Grenze zwischen Leben und Tod. Dr. Sylvia Brathuhn erkrankte zweimal an Krebs, was sie mit der Endlichkeit ihres eigenen Lebens konfrontierte. Jetzt ist sie Philosophie-Dozentin und Mitherausgeberin eines Fachmagazins über Krisen, Leid und Trauer. Abschied und Verlust sind also zentrale Themen für sie – und gleichzeitig blickt Sylvia bewusst auf das, was bleibt.

Bei ihrer ersten Krebserkrankung war es Schilddrüsenkrebs. Sylvia reagierte kämpferisch: „Damals hielt ich es für eine ziemliche Unverschämtheit vom Schicksal, ich fand es frech. Ich dachte, ich bin ein guter Mensch, ich bin eine gute Mutter, ich rauche nicht, ich trinke nicht, ich mache Sport – warum bekomme ich Krebs? Meine Einstellung war: Okay, Irrtümer passieren, eigentlich war ich sicher nicht gemeint, aber da muss ich jetzt durch“, erzählt sie. „Ich bin da ziemlich stramm durchgegangen und weiß noch, dass ich während der Bestrahlungen wieder arbeiten ging, weil ich dachte, das bisschen Bestrahlung macht doch nichts.“

„Ich hatte in dieser Zeit unfassbare Angst, mein Kind nicht aufwachsen zu sehen. Ich erinnere mich an eine Nacht, in der ich das Gefühl hatte, mit Gott einen Deal auszuhandeln und ihn darum zu bitten, dass ich das überleben darf“

Doch beim zweiten Mal war es anders: „Da merkte ich, ich muss mich damit auseinandersetzen. Ich hatte in dieser Zeit unfassbare Angst, mein Kind nicht aufwachsen zu sehen. Ich erinnere mich an eine Nacht, in der ich das Gefühl hatte, mit Gott einen Deal auszuhandeln und ihn darum zu bitten, dass ich das überleben darf“, sagt Sylvia. „Dass ich mein Kind aufwachsen sehen darf. Ich habe wirklich gelobt, immer dankbar zu sein, und mich dafür zu engagieren – das tue ich ja auch bis heute. Jetzt habe ich einen neuen Deal: Ich will meine drei Enkelmädchen aufwachsen sehen.“

Sylvia hat auch schon eine schwer kranke Freundin bis zu ihrem Tod begleitet und mit ihr Wolkenreisen unternommen, um sie zu unterstützen: „Wir haben in unserem Wohnzimmer ein riesengroßes Fenster mit einem gemütlichen Kuschelsofa davor. Als meine Freundin schon sehr fortgeschritten in ihrer Erkrankung war, hat sie viele Stunden auf diesem Sofa verbracht. Sie ist unglaublich gerne gereist, das konnte sie zu diesem Zeitpunkt leider nicht mehr“, erzählt Sylvia. „Dann haben wir irgendwann dort gelegen und ich habe gesagt: ‚Wie wäre es, wenn wir uns einfach auf eine Wolke setzen und gucken, wohin sie uns treibt?‘ Dann waren wir in Neuseeland, ohne dass sie oder ich jemals dort gewesen sind.“

„Wenn ein geliebter Mensch stirbt, stirbt auch immer ein Teil von einem selbst mit“

Als Philosophie-Dozentin blickt Sylvia auch aus wissenschaftlicher Sicht auf den Tod, und sie sagt: Wenn ein geliebter Mensch stirbt, stirbt auch immer ein Teil von einem selbst mit. Das kennt sie aus eigener Erfahrung: „Meine Oma war zum Beispiel die Einzige, die trotz meiner stattlichen Länge von 1,85 Metern ‚meine Kleene‘ zu mir sagte. Als sie starb, sagte das nie wieder jemand zu mir.“

Doch genauso bleibe immer ein Teil von den geliebten Menschen, die sterben. „Unser ‚Wir‘ liegt zwar zurück und besteht nur in der Erinnerung, aber diese Erinnerung hat sich in uns eingewoben, sodass sie uns verändert hat“, sagt Sylvia. „Ich habe zum Beispiel früher nie Krimis gelesen. Meine Schwiegermutter hingegen liebte Krimis – je gruseliger und blutrünstiger, desto besser. Sie lebt nicht mehr, jetzt lese ich Krimis. Dieses Gefühl, dass sie einen Platz in mir hat, das bleibt. Und das Gefühl, geliebt worden zu sein, das bleibt auch. Es gibt diesen Silberfaden zwischen uns, der für immer bleibt.“

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Über die Autorinnen

Fotos: Sandra Socha

Julia Felicitas Allmann liebt Geschichten und gute
Texte – vor allem solche, die etwas bewegen können. Als freie
Journalistin und Autorin, schreibt sie unter anderem über
Nachhaltigkeit, Female Empowerment, Gesundheit und Bildung.
In ihren ersten beiden Büchern ging es um unsere
Handlungsmöglichkeiten in der Klimakrise. Mit ihrem Angebot „love
to write“
gibt Julia ihr Wissen rund ums Schreiben weiter und
begleitet andere Menschen dabei, ihr eigenes Buch in die Welt zu
bringen. Julia lebt in Köln und hat zwei Kinder.

Laura Letschert ist Inner-Leadership-Coach und begleitet Frauen in anspruchsvollen beruflichen Rollen dabei, sich durch ihrer Selbstführung von innen heraus zu stärken und sich klar auszurichten. Als Autorin von „Bye” ist Laura überzeugt, dass mit einer Gemeinschaft und dem verbindenden Funken der Begeisterung aus großen gesellschaftlichen Aufgaben kleine, innovative Projekte entstehen können – die durchaus die Kraft haben, etwas für uns alle zu bewegen. Aktuell lebt sie mit ihrem Partner in Warschau.

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