„Jugend und äußerliche Schönheit sind für mich keine Qualität. Aber wer man wird, das ist das Spannende“

Nach 13 Jahren Pause ist Tessa Mittelstaedt (50), die jahrelang ein fester Bestandteil des Kölner Tatort war, zurück am Theater. In der Komödie Das perfekte Geheimnis geht es um Lügen in Beziehungen und tägliche Schwindeleien. Im Rahmen eines Shootings für Rau Berlin sprach HEYDAY mit Tessa über den Mut zur Ehrlichkeit, das Älterwerden vor der Kamera und ihren eigenen Reifeprozess

Fotos: Carolin Saage, Haare & Make-up Anja Kieselbach, Mode: Rau Berlin

Schauspielerin Tessa Mittelstaedt im HEYDAY-Interview, Foto Carolin Saage
Alle Outfits in dieser Strecke: RAU Berlin
Aus der deutschen TV-Szene ist Tessa Mittelstaedt seit der Jahrhundertwende kaum wegzudenken. Aktuell erntet sie viel Applaus für ihre Rolle der „Eva“ in der Komödie Das perfekte Geheimnis von Paolo Genovese

HEYDAY: Liebe Tessa, Kleider machen bekanntlich Leute – in welcher Rolle siehst du dich bei dieser aktuellen Modestrecke?

Tessa Mittelstaedt: Als die Anfrage zu diesem Mode-Shooting kam, dachte ich nur: „Wie toll, definitiv zusagen!“ Martina Rau und ihr Team haben es mir so leicht gemacht: Das war Lebensfreude pur und exzellente Teamarbeit – das Shooting hat einfach nur Spaß gemacht! Ich mag die Werte der Marke RAU Berlin, wie etwa lokale Herstellung und bewusste Auswahl der Materialien in hoher Qualität für Langlebigkeit und zeitlosem Stil. 

Was ist dir bei Mode wichtig?

Ich mag zeitlose Klassiker, die langlebig sind und immer wieder anders kombiniert werden können. Marken, die wie RAU Berlin auch noch lokal produzieren, arbeiten bewusst und fair. Die Materialien fühlen sich nicht nur gut an, sondern sind auch Ökotex zertifiziert und damit umweltbewusst hergestellt. Außerdem hat RAU Berlin in der eigenen Boutique auch andere faire und vegane Labels. Tierschutz und Nachhaltigkeit ist mir auch bei der Auswahl meiner Bekleidung sehr wichtig. 

Du spielst in deinem neuen Theaterstück Das perfekte Geheimnis die Psychologin Eva, die einiges zu verbergen hat. Jeder Mensch flunkert und lügt mal. Aber wo hört bei dir der Spaß auf?

Tessa Mittelstaedt: Ich mag es gar nicht, angelogen zu werden. Ich verliere dadurch mein Vertrauen. Und das ist doch die Basis für fast alles.

Sollte man in einer Partnerschaft wirklich alles von sich preisgeben oder ist es ok, wenn der Partner nicht alles über einen weiß?

Für mich ist jeder Mensch eine Insel, sehr komplex. Ich bin davon überzeugt, dass man einen Menschen nie ganz kennenlernen kann. Man lernt sich ja selbst erst peu à peu mit den Jahren kennen. Ein Leben reicht da nicht aus. Insofern ist es für mich nicht verwunderlich und auch völlig in Ordnung, wenn ich nicht alles weiß.

Welche Notlügen lässt du bei dir in der Familie durchgehen?

Das weiß ich nicht! Wenn ich aus der Not angelogen werde, weiß ich doch nicht, dass es eine Lüge ist. Wie schon oben erwähnt, ich mag Lügen nicht. Sie verhindern den wahren Kontakt, das ehrliche Miteinander, sogar das Aussprechen von Problemen und Konflikten. Vielleicht wären Notlügen ok, wenn es um das Seelenheil meiner Kinder ginge. Aber auch da stehe ich mit der Entscheidung auf Kriegsfuß. Sich Ehrlichkeit zuzumuten, halte ich für eine große Tugend. 

Schauspielerin Tessa Mittelstaedt im HEYDAY-Interview, Foto Carolin Saage

Gerade beim Thema Alter nehmen es ja manche nicht so genau. Geben es nicht preis oder machen sich ein paar Jährchen jünger. Hast du das auch schon erlebt? Sollte man nicht zu seinem Alter stehen?

In meiner Branche herrscht ein schon immer existierender Jugendwahn, der diskriminierend ist. Alter spielt bei Wein und Käse eine Rolle, Menschen sollten nicht nach ihrem Alter beurteilt werden, sondern nachdem, wer sie sind. Was sie in die Welt hinaus senden und was sie geben und nach ihren Erfahrungen. Aber das ist vielleicht ein naiver Gedanke. Ich habe zum Beispiel immer gerne zugehört und meine Großmütter beobachtet, wie sie im Leben stehen oder eben auch nicht und was sie darüber erzählen. Da sind so viele Schätze, positive wie negative, die mich unendlich berühren, erzählenswert sind und mich prägten. Jugend und äußerliche Schönheit sind für mich erst einmal keine Qualität. Das entscheidet der Genpool, die Natur. Aber wer man wird, das ist das Spannende: Meine Entscheidungen und Einstellungen zum Leben in all seinen Facetten definieren mich.

„Alter spielt bei Wein und Käse eine Rolle, Menschen sollten nicht nach ihrem Alter beurteilt werden, sondern nachdem, wer sie sind“

Auf der anderen Seite ist es sicher nicht immer einfach, wenn man vor der Kamera altert – und sozusagen jeder zusieht. Wie empfindest du das?

Och, finde das irgendwie schön – mein Reifeprozess auf „Zelluloid“ festgehalten. Aber auch da geht es für mich nicht ums Äußerliche. Ich bin Geschichtenerzählerin, ich will meine Messages hinaussenden, Menschen berühren. Für mich persönlich sind es Gefühle und Erfahrungen, die an bestimmte Filme oder Fotos gebunden sind – die schwingen mit, wenn ich mir zufällig alte Ausschnitte oder Bildmaterial von mir ansehe.

Aber tatsächlich fiel es mir bei den jetzigen Theaterfotos an der Komödie auf: Meine Theaterpause beträgt ganze 13 Jahre, dazwischen bin ich Mutter geworden, noch mehr zur Frau. Ich habe mich verändert und erkenne deutlich: Wow, Tessa, in der Tat, du bist nicht mehr 30.

Kennst du das Gefühl, als Frau unsichtbar zu werden oder kannst du es nachempfinden?

Unsichtbar? Nein, das kenne ich bisher nicht. Es gibt schöner Weise immer noch das Blitzen und die kleinen alltäglichen Flirts in der U-Bahn, beim Einkaufen, das kurze prickelnde aber harmlose zu lang in die Augen sehen. Aber die Einschläge kommen auch bei mir näher, leider manchmal auf diskriminierende Art und Weise. Beruflich wie privat. Beruflich hat es mit weniger Drehangeboten für Frauen über 45 zu tun. Privat hatte ich am Flughafen mal einen gemeinen Moment mit zwei Männern, Mitte 30, die offensichtlich Frauen nach ihrer Attraktivität beurteilt haben und als sie meiner gewahr wurden, sagten: „Ah nee, die ist doch über 40.“ Ich hab’ nur gedacht, Fresse! Was weißt du schon von mir!

„Frauen sollten sich im Alter nicht verstecken, sondern das eigene Leben stolz mit all seinen Erfahrungen wie eine wunderschöne Perlenkette tragen“

Schauspielerin Tessa Mittelstaedt im HEYDAY-Interview, Foto Carolin Saage

Was muss sich ändern, damit Frauen im Alter gesehen werden? 

Sie müssen sich den öffentlichen Raum nehmen, vermehrt vorkommen in Werbung, Fernsehen, Filmen, Interviews, mehr Podcasts für Frauen von Frauen, mehr Selbstbewusstsein. Akzeptanz durch Penetranz, wie mein Mann immer so schön sagt (lacht). Frauen sollten sich im Alter nicht verstecken, sondern das eigene Leben stolz mit all seinen Erfahrungen wie eine wunderschöne Perlenkette tragen. Neulich habe eine so schöne grauhaarige Frau mit schwingendem Pferdezopf die Straße überqueren gesehen – bold and beautiful: Wow, das war ein Role Model!

Schauspielerin Tessa Mittelstaedt im HEYDAY-Interview, Foto Carolin Saage

Wie gehst du mit dem Älterwerden um? Haderst du manchmal oder bist du total fein damit? Welche Erfahrungen hast du gemacht? 

Ja, klar hadere ich. Ich betrachte mich und denke oftmals: Aha, das ist ja jetzt eine interessante Veränderung. Ich versuche wahrzunehmen, aber nicht zu bewerten und wenn, dann mit Humor. Mich selbst zu umarmen. Anzunehmen, was ist. Denn es gehört zum Leben dazu.  

Hast du dich jemals „zu alt“ gefühlt, um etwas zu tun? Warum nicht oder warum doch?    

Nee, das habe ich nicht. Das Alter auf meinem Personalausweis hat wenig mit dem zu tun, wie ich mich fühle. Ich gehe mit meinen Kindern in den Kletterpark klettern, fahre Motorrad, will nächstes Jahr einen Fallschirmsprung machen. Ich liebe es, auf den Wellen zu bodyboarden. Die Herausforderungen sind zwar da. Aber alles, was Spaß macht, will ich erleben: use it or loose it. Wir haben nur dieses eine Leben.

„Selbstliebe ist der Schlüssel zu allem“

Was hast du im Laufe der Jahre über dich gelernt?  

Das zu beantworten, bräuchte ich Seiten. Aber ich benenne mal ein paar für mich wichtige Dinge: ehrlicher mit mir im Kontakt zu sein, dass Selbstliebe der Schlüssel zu allem ist, dass das Außen nicht mein Inneres definiert, dass ich jeden Tag die Möglichkeit habe, eine andere Wahl und liebevollere Entscheidungen zu treffen, dass nur ich der Kreateur meines Lebens bin, dass niemand anderes für mein Glück verantwortlich ist, als ich.

Schauspielerin Tessa Mittelstaedt im HEYDAY-Interview, Fotos Carolin Saage

Wir haben gelesen, dass du etwas abergläubisch bist und zum Beispiel nicht in einem ungeraden Jahr heiraten möchtest. Woher kommt dein Aberglaube? 

Das ist eher ein Gefühl als Aberglaube. Alles, was ich mit meinem Mann und meiner Familie erlebt habe, fand in einem geraden Jahr statt. Eine so wichtige Entscheidung, wie Heirat in einem ungeraden Jahr, fühlt sich für mich einfach falsch an.

Schauspielerin Tessa Mittelstaedt im HEYDAY-Interview, Fotos Carolin Saage

Was wünschst du dir für deine Zukunft? Wie und wo siehst du dich in 30 Jahren?

Hm! Die Frage habe ich mir noch gar nicht gestellt, interessant. Vielleicht so: Ich hoffe, rüstig und gesund genug zu sein, um mich meiner Neugierde aufs Leben und den kleinen Wundern dieser wunderschönen Welt hingeben zu können, in Frieden, vielleicht am Meer, mit Mann, Hund und Freuden, in der Hoffnung, dass es meinen Kindern gut geht und sie auch als Erwachsene das Vertrauen zu mir haben, um mich an ihrem Leben immer mal wieder Teil haben zu lassen. Ja, das wäre viel…

Fotos: Carolin Saage, Haare & Make-up Anja Kieselbach, Mode: Rau Berlin

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Mehr über Tessa Mittelstaedt
Tessa kam 1978 in Ulm zur Welt, absolvierte nach dem Schulabschluss eine Ausbildung an der Schauspielschule Bochum und studierte Method Acting bei John Costopoulos sowie in der Masterclass von MK Lewis. Nach einigen Engagements in diversen deutschen Theaterhäusern übernahm sie 2000 die Rolle der Franziska Lüttgenjohann im Tatort Köln. Seither spielte sie in über 30 Fernsehserien mit – von der SOKO bis zum Bergdoktor. Ferner ist sie eine gefragte Hörbuch-Sprecherin. Aktuell ist Tessa in der Komödie am Kurfürstendamm (im Theater am Potsdamer Platz) im Theaterstück Das perfekte Geheimnis zu sehen.

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Tessas Looks in dieser Strecke kannst du HIER bei RAU BERLIN shoppen

HIER geht es zum aktuellen Spielplan und Theaterkarten für das Stück „Das perfekte Geheimnis“

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