Die Hamburger Fotografin Brita Plath (50) hat ein ganz besonderes Gespür für Menschen. Mit ihren Bildern verhilft sie Frauen zu einer positiveren Eigenwahrnehmung und mehr Selbstbewusstsein. In unserem Interview verrät sie uns, wie sie Frauen, die sich als unfotogen bezeichnen, Sicherheit vermittelt, warum sie gerade mit dem Älterwerden hadert und dass es hilfreich sein kann zu versuchen, die Männer zu verstehen
HEYDAY: Liebe Brita, bei deiner Arbeit als Fotografin porträtierst du hauptsächlich Frauen. Machen weibliche Fotokünstler bessere Fotos von Frauen, als es Männer können?
Brita Plath: Ich denke, dass es nicht unbedingt darauf ankommt, dass ich eine Frau bin, sondern vielmehr, dass ich mich gut in mein Gegenüber einfühlen kann. Ich nehme sehr schnell wahr, welche Seite der Persönlichkeit gezeigt und welche eher versteckt wird und warum etwa die taffe Seite oft nur ein Schutzschild ist. Es ist bestimmt ein Vorteil, dass ich einen Menschen dort abholen kann, wo er/sie gerade steht, und gleichzeitig eine gewisse Sicherheit in der Shooting-Situation vermitteln kann.
„Selbstzweifel sind in unserer Gesellschaft leider fast schon normal“
Los Angeles, New York, Hamburg – ihr Handwerk hat Brita in Übersee gelernt, doch ihr Herz schlägt für die Hafenstadt an der Alster
Ich mag einfach Menschen und achte intuitiv auf den subtilen Ausdruck meines Gegenübers. Die Haltung, die Stimme, die Gestik, das Auftreten und natürlich die Geschichte der Person, die vor mir steht. Dabei geht es nicht darum, dass man unbedingt seine persönliche Geschichte erzählen muss, aber es hilft manchmal, um Vertrauen aufzubauen. Ich finde die Vielfalt der Menschen, die ich so kennenlerne und ihre Geschichten, die sie zu dem gemacht haben, wer sie jetzt sind, einfach immer wieder faszinierend…
Was liebst du an deinem Beruf am meisten?
Spontan würde ich sagen, dass ich dann am glücklichsten bin und echt Spaß habe, wenn ich meiner Kreativität freien Lauf lassen kann. Damit meine ich, dass ich verschiedenen Elemente von Fashion und Beauty in ein Porträtshooting integrieren kann, und die Menschen herausfordern kann sich in ganz neuer Weise zu zeigen.
Was ist das Herausforderndste an deinem Beruf?
Es ist immer wieder eine Herausforderung, wenn ich eine Kundin habe, die sich selbst gar nicht mehr sieht. Sie benötigt ein Porträt und erinnert sich an die letzten Bilder, die vor 10 oder 15 Jahren entstanden. Danach gab es nur noch Schnappschüsse. Mit dieser Wahrnehmung von sich kommt sie zu mir. Wenn ich dann die Fotos mache, sieht sie sich eigentlich das erste Mal nach vielen Jahren wieder. Das kann schon mal eine „klitzekleine“ Herausforderung sein. Gewichtszunahme, Falten und vielleicht ein fehlendes Strahlen in den Augen führt zu einer Eigenreflexion, die überraschend sein kann – aber letztlich auch wichtig ist.
Mit welcher Intention kommen die Frauen zu dir?
Zu 95 Prozent mache ich Porträts im Business-Kontext. Es kommen kaum Frauen zu mir, die sich privat ein Fotoshooting leisten möchten.
Brita liebt ihre Arbeit. Ihr Ansatz: Sie möchte sich und ihre Kund:innen glücklich sehen
Zu dick, zu klein – Frauen sehen sich ja selbst oft ganz anders, als sie sind. Wie gehst du um mit Frauen, die mit Selbstzweifeln zu dir kommen? Wie schaffst du es, dass sie sich vor der Kamera wohl und sicher fühlen?
Wenn ich mit meiner Kundin spreche und sie mir sagt, dass sie sich auf Bildern nicht mag oder sich gar für „nicht fotogen“ hält, dann freue ich mich fast – weil ich sie mit meinen Bildern vom Gegenteil überzeugen kann. Auf diese Weise gelingt es mir oft, richtig kreativ zu arbeiten und die Kundin dann auch in Sachen Styling – Kleidung, Haare, Make-up – zu beraten. Das geht dann schon in Richtung Personal Branding.
Selbstzweifel sind leider in unserer Gesellschaft fast schon normal. Ich gehe damit sehr behutsam um, da ich fest davon überzeugt bin, dass es lange, eingeprägte Sätze sind, die fest verankert wurden. Manchmal laufen auch die Tränen, das hilft aber auch, um den Druck zu nehmen. Die Bilder zeigen dann die eigentliche Schönheit, die die Kundin vielleicht vorher so noch nie gesehen hat. Oft entsteht eine neue, positivere Eigenwahrnehmung und ein größeres Selbstbewusstsein.
„Es gibt einen Druck in der Gesellschaft, dass Frauen einem Ideal entsprechen müssen. Wenn sie das nicht mehr tun, werden sie ausgetauscht“
Kürzlich hat Emma Thompson auf der Berlinale eine beeindruckende Rede gehalten, die den Schönheitsdruck und Komplexe im Alter thematisierte. Warum setzen wir Frauen uns immer noch so unter Druck – Body Positivity hin oder her?
Ich habe die Rede von Emma Thompson natürlich gehört und stimme ihr absolut zu. Es gibt einen Druck in der Gesellschaft, dass Frauen einem Ideal entsprechen müssen, und wenn sie das nicht mehr tun, dann werden sie ausgetauscht. Und das nicht nur in Hollywood bei der Auswahl der Schauspielerinnen oder bei den Schönen und Reichen, sondern auch im ganz normalen Leben. Woher das meiner Meinung nach kommt, versuche ich gerne mal kurz zu erklären. Wenn man das Leben von Frauen in den „alten/ursprünglichen Familienstrukturen“ beschreiben würde, dann würde es wahrscheinlich so aussehen:
– Attraktive Phase, wenn sie jung sind (bis 30 Jahre)
– Fürsorge-Phase, wenn sie Mütter werden (30-50 Jahre)
– Neufindungsphase (40-50 Jahre)
– Neues Leben, weiter in der Ehe, allein oder neuer Partner (50-75)
– Fürsorge-Phase für den Mann (75+)
Aus meiner Sicht haben sich diese Phasen durch die vielen modernen Frauen der Generation der Baby-Boomer (Anm. d. Red.: Im Zeitraum von 1955 bis 1969 Geborene) und durch die darauffolgende Generation X verändert. Die persönliche Entwicklung ist viel freier geworden. Es ist nicht mehr selbstverständlich, dass alle Frauen auch eine Familie gründen wollen, können oder müssen. In der Selbstständigkeit der Frauen gibt es einen sehr großen Wandel, der dazu führt, dass Frauen heutzutage anders in der Gesellschaft gesehen werden wollen, und die einst so festen Strukturen ganz neu gesehen werden müssen. Durch die freie Wahl der Ausbildung und die Unabhängigkeit der Frauen hat sich auch das Bild des Alterns geändert.
Das ist einerseits sicherlich positiv, andererseits möchten Frauen – auch wenn sie älter werden – immer noch attraktiv und begehrlich sein. Das wird durch die Medizin und natürlich die sozialen Medien gefördert. Wir können viel mehr aus uns machen, als es vorher möglich war. Dieser Trend beginnt nun auch in den jüngeren Generationen und somit haben wir ein neues Dilemma. Der Trend, „perfekt“ zu sein. Ob der Trend gesund ist und ob jede OP den Frauen und dem Selbstwertgefühl wirklich guttun, wird kaum hinterfragt. Es ist die äußere
Erscheinung, die in den Vordergrund tritt. Meiner Meinung nach sind es die Frauen aus der Generation Boomer und der Generation X, die jetzt für wirkliche Individualität laut werden. Sie geben den jüngeren Frauen den Mut zu erkennen, dass sie schön und „gut genug“ sind, so wie sie sind.
Der hohe Konsum von Instagram und Co. führt dazu, dass wir uns ständig mit anderen vergleichen und unzufrieden sind. Wie siehst du das?
Auf jeden Fall führen die sozialen Medien zu mehr Unzufriedenheit mit dem eigenen Äußeren, dem eigenen Leben. Der Vergleich mit anderen Frauen, die Schönheit, der Reichtum, die Freunde, das Auto und die tollen Klamotten der anderen, führen häufig zu Neid und Missgunst. Das ist die Welt, in der wir jetzt leben. Ich sehe aber auch, dass sich dieser Trend in eine bessere Richtung wandelt. So viele Coaches, spirituelle und wunderbar individuelle Frauen zeigen sich, werden mehr und mehr in den sozialen Medien sichtbar. Sie belegen mit ihrer Arbeit ein Bild von Frauen, die verletzlich, stolz, gebildet, sanft und mit sich selbst absolut im Reinen sind. HEYDAY ist ein perfektes Beispiel. Ihr seid ein Magazin, in dem die unterschiedlichsten Frauen sich so zeigen können, wie sie gesehen werden wollen.
Wann bist du mit einem Foto zufrieden? Was macht ein gutes Foto für dich aus?
Wenn ich das Bild auf der Kamera sehe und es mich gleich anspricht, dann gibt es eine innere Freude. Dann ist alles gut und meist pushe ich mich und die Kundin dann noch ein wenig mutiger zu werden und mehr auszuprobieren.
Die Fotografie war bzw. ist immer noch eine Männerdomäne, man spricht immer noch von den „großen Fotografen“. Welche Erfahrungen hast du diesbezüglich gemacht?
Das stimmt natürlich…meine Vorbilder sind auch die männlichen Fotografen. Ich habe damit kein Problem, würde mich aber natürlich freuen, wenn ich dann auch eines Tages im gleichen Atemzug genannt werde. Aber ob männlich oder weiblich – auf das Foto kommt es an!
Jede Frau hat unterschiedliche Facetten – auch Brita. Sie ist Fotografin, Mutter, Tochter, Ehefrau, Geschäftsfrau und Freundin
„Ganz spontan finde ich das Älterwerden nicht so super. Aber nicht, weil ich nicht im Reinen mit mir bin, sondern weil es mir zeigt, dass die Zeit hier endlich ist“
Wie hast du es geschafft, dich in dieser Männerbranche durchzusetzen?
Mein Ansatz ist es nicht, mich durchsetzen zu müssen. Mein Ansatz ist es einen tollen Job zu machen und mich und meine Kunden glücklich zu sehen.
Durch Instagram hat sich für Fotografen viel geändert. Jeder denkt, er kann fotografieren. Wie siehst du das?
Ich sehe in dieser Entwicklung kein Problem. Man sieht an den Bildern, wo die Person steht, was sie oder er kann und in welchem Stil jemand arbeitet. Das kann dann individuell von den Kunden gesucht und gewählt werden. Das Gleiche gilt auch für viele andere Berufe, die man nicht gelernt haben muss, sondern als Quereinsteiger
gestartet hat.
Brita stellt sich ganz und gar auf ihre Kundinnen ein, motiviert sie dazu, aus sich herauszugehen – und zeigt sie stets von ihren besten Seiten
„Wer sich in seinem Körper nicht wohlfühlt, sich dabei schlecht ernährt und dann unglücklich ist, sollte dringend etwas verändern“
Wie wichtig ist Personal Branding als Fotografin heutzutage?
Personal Branding finde ich richtig toll! Ich habe vor ein paar Jahren damit angefangen, als ich mein Projekt Facetten der Weiblichkeit ins Leben gerufen habe. Es gibt mir die Chance meinem Kunden zu zeigen, wie vielfältig er oder sie sein kann. Das ist super wichtig. Als Beispiel: Ich bin nicht nur Fotografin. Ich bin auch Mutter, Tochter, Ehefrau, Geschäftsfrau und Freundin. Das sind ganz unterschiedliche Facetten einer Persönlichkeit, die jeder Mensch mitbringt und mit denen ich in einem Shooting arbeiten kann. Es ist immer eine individuelle Entscheidung, welche Facette in diesem Moment wichtig ist.
Wir bei HEYDAY beschäftigen uns ja mit dem Thema Älterwerden. Wie erlebst du das Thema Älterwerden bei deinen Kundinnen? Wie erlebst du es selbst?
Ganz spontan finde ich das Älterwerden nicht so super. Aber nicht, weil ich nicht im Reinen mit mir bin, sondern weil es mir zeigt, dass die Zeit hier endlich ist. Meine Mutter ist sehr früh gestorben und mein Vater lebt nun seit fast 10 Jahren nicht mehr. Das heißt für mich, ich bin die nächste. Ansonsten bin ich für den Zustand meines Körpers auch selbst verantwortlich. Alles ist eine Entscheidung. Das, was ich esse, ob ich Sport
treibe und wie viel ich schlafe. Die ästhetische Medizin hat viele Möglichkeiten und wenn der Wunsch und das nötige Kleingeld da ist, kann ich nachhelfen. Ansonsten muss ich der Natur freien Lauf lassen.
Vielen Frauen berichten uns, dass sie sich weniger attraktiv und weniger gesehen fühlen, weil sich vielleicht ihre Figur geändert hat oder sie eben nicht mehr so aussehen wie früher.
Das stimmt natürlich. Wir verändern uns alle im Alter. Ich sehe aber auch sehr viele Frauen, die trotz der Veränderungen gut mit sich umgehen und eine ganz neue, tiefe Schönheit entwickeln. Sie sehen gepflegt aus, kleiden sich geschmackvoll und haben eine tolle Ausstrahlung. Damit hast du schon gewonnen. Wenn man sich gehen lässt, übergewichtig wird, sich schlecht ernährt und dann unglücklich ist, dann sollte man damit anfangen, etwas dagegen zu unternehmen.
Kennst du das auch? Wie kommst du aus so einer kritischen Phase heraus?
Natürlich kenne ich das auch! Ich würde lügen, wenn ich nicht auch Phasen habe, in denen ich mir meinen Körper von früher wünschen würde. Ich arbeite daran.
Britas Appell: Wir sollten uns immer wieder daran erinnern, wie wichtig gute Freunde sind
HEYDAY-Gründerin Stephanie (li.) mit PR-Expertin Konstanze Braun. Konstanze hat Brita und Stephanie zusammengebracht
Wie können Frauen, die keine 20 mehr sind, sich sinnlich und attraktiv fühlen?
Vieles hat mit der eigenen Einstellung zu tun. Wie möchte ich mich sehen, wer will ich sein und wie möchte ich alt werden? Ich könnte z. B. damit aufhören, meine Haare zu färben. Der Trend geht ja gerade in Richtung der natürlichen Haarfarbe. Das kann jeder für sich entscheiden, für mich ist es aber keine Option. Ich habe mit Mitte 20 entschieden, dass ich lieber blond sein möchte. Ich finde, es steht mir einfach besser und ich fühle mich damit wohler. Also werde ich jetzt nicht damit aufhören, nur weil es ein Trend ist seine grauen Haare zu zeigen. Sinnlich und attraktiv sind für mich Frauen, die in sich ruhen und genau wissen, wer sie sind. Das beginnt mit einem gepflegten Äußeren – welche Mittel dafür genutzt werden, ist jedem persönlich selbst überlassen.
Was wünschst du dir für uns Frauen (und für dich persönlich) für die Zukunft? Was muss sich unbedingt bald ändern?
Das ist eine schöne Frage, denn ich glaube, dass wir alle viel mehr lernen sollten. Wir sollten uns immer weiter entwickeln. Wir sollten ein Bewusstsein dafür haben, wie unterschiedlich die Menschen denken und fühlen. Wir sollten versuchen, zu verstehen, wie Männer lieben, leben und wie sie denken, um zu akzeptieren, warum
wir anders sein dürfen. Wir sollten uns immer wieder daran erinnern, wie wichtig gute Freundinnen sind und dass die Menschen, um die wir kämpfen müssen, lieber ganz schnell aus unserem Leben verschwinden sollten.
Familie ist toll, aber wenn dir jemand nicht guttut, dann beschränke den Kontakt auf das Geringste. Wir haben nur ein Leben und das sollten wir mit Menschen verbringen, die sich freuen, wenn sie dich sehen. Lerne positiv zu denken und inspiriere andere Menschen es auch zu tun. Täglich zu lernen ist anstrengend und je mehr du verstehst, desto schwieriger kann das Leben manchmal sein. Es hat aber im Gegenzug viel mehr Qualität und führt zu einem glücklicheren Leben – und zu dir selbst.
Facetten der Weiblichkeit: Mit ihren Projekten lotet die erfolgreiche Fotografin die Befindlichkeiten von Frauen in der heutigen Gesellschaft aus
Über Brita Plath
In Hamburgs Westen aufgewachsen, zog es sie nach einer kaufmännischen Ausbildung schnell in die weite Welt. In Los Angeles startete sie ihr Studium in Business Administration und liebte es, in dieser Zeit auch kreativ mit der Kamera zu arbeiten. Die Grundsteine für eine ganz neue und kreative Karriere wurden im sonnigen Kalifornien gelegt. Ihr Studium hat Brita dann in New York abgeschlossen, von der Liebe wurde sie danach wieder in ihren Heimathafen Hamburg zurückgeholt. Hier beginnt nun ihre Karriere – sie baut sich einen Namen in der Branche auf und entwickelt sich zu einer gut gebuchten Fotografin. Bis heute lebt sie mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern in Hamburg und ist eine leidenschaftliche Fotografin hauptsächlich im Bereich Beauty und Fashion. Mit ihren Projekten „Facetten der Weiblichkeit“ und „The Pink Tütü“ beschäftigt sich Brita mit der Frage der Weiblichkeit und wie diese in der Gesellschaft gelebt wird.