Ein enges Band

Teresa Maier-Zötl

Keine Beziehung prägt einen Menschen so, wie die zur eigenen Mutter. HEYDAY hat mit Katja Pärli und ihrer Tochter Vivianne über die Bedeutung des Muttertags, Erziehung, und die Rolle der Frau in der Familie gesprochen. Die Fragen wurden getrennt voneinander gestellt – die Antworten der jeweils Anderen lesen die beiden erst in diesem Interview …

Mutter Tochter, Muttertag, Katja Pärly, Teresa Maier-Zötl
Vivianne (links) und Katja (rechts) wurden von Familienfotografin Teresa Maier-Zötl portraitiert
Fotos: Teresa Maier-Zötl
Mutter Tochter, Muttertag, Katja Pärly, Teresa Maier-Zötl
Mutter Tochter, Muttertag, Katja Pärly, Teresa Maier-Zötl

HEYDAY: Liebe Katja, alles Gute zum Muttertag. Welche Bedeutung hat dieser Tag für Dich? Was machst Du heute?

Katja Pärli: Ich mochte den Tag schon als Kind immer sehr, weil es mir gefiel, meine Mutter zu überraschen, ihr auf viele verschiedene Weisen besondere Freude zu bereiten und sie zu verwöhnen. Meine Mutter hatte das Talent, ihre aufrichtige Freude und ihre Wertschätzung dafür zu zeigen. Das hat mich als Kind wiederum glücklich gemacht. Also erinnere ich die vielen Muttertage aus der Perspektive des Kindes als immer sehr schöne Tage. Meine Mutter war glücklich, ich war glücklich und es war eine schöne Stimmung in der Familie.

Seitdem ich selbst Mutter bin, habe ich im Grunde das gleiche Empfinden in der anderen Rolle. Mit zunehmendem Alter hat dieser Tag ein wenig an Bedeutung verloren, sowohl für mich als Kind als auch als Mutter. Das mag daran liegen, dass man sich in seiner Entwicklung als „älterwerdendes Kind“ zunehmend von diesem vorgegebenen„Mutter-Tag“ zu „emanzipieren“ vermag. Man bekommt ein anderes Bewußtsein dafür, dass es ja schön ist, OHNE dieses offizielle Muttertags-Datum, einem Menschen, den man im besten Falle sehr liebt, und der täglich vieles für einen tut, eine Freude zu bereiten. So habe ich das in der Beziehung zu meiner Mutter erlebt – und so erlebe ich es auch in der Beziehung zu meiner Tochter. Sie bereitet mir häufig Überraschungen und macht mir auch das ganze Jahr über Geschenke – große und kleine, und auf jeden Fall immer solche, die mir zeigen, dass sie mich sehr gut kennt, dass sie mich sehr liebt, und dass sie möchte, dass ich sehr glücklich bin. Ich denke, dass dieser offizielle Muttertag also ein Ritual ist, das dazu dienen mag, dies oben beschriebene Bewußtsein in Kindern zu wecken, das sich dann in der weiteren Entwicklung entfalten kann.

In diesem Jahr werde ich den Tag nicht mit Vivianne verbringen können, da sich dies aufgrund der momentanen Umstände als schwierig erweist, denn Vivianne wohnt ja in Wien. Ich werde also wie jeden Tag mit ihr telefonieren oder einen Video-Anruf starten – nur wird sie an diesem Tag bestimmt „alles Liebe zum Muttertag“ sagen …

Hallo Vivianne, welche Bedeutung hat dieser Tag für Dich als Tochter? Wie ehrst Du Deine Mama und zeigst ihr Dankbarkeit?

Vivianne: Wenn ich ehrlich bin, hat dieser Tag mich schon immer ein bisschen unter Druck gesetzt. Wie soll man der Frau, die einem das Leben geschenkt hat, jemals die gebührende Dankbarkeit zeigen? Als wir noch beide in Deutschland gelebt haben, habe ich am Muttertag Frühstück ans Bett gebracht und noch ein kleines Geschenk organisiert – ein Buch oder eine Fussmassage. Jetzt, da wir diesen Tag aufgrund der räumlichen Distanz leider nicht gemeinsam verbringen können, habe ich ein gemeinsames Frühstück via FaceTime geplant. Grundsätzlich handhabe ich es aber so, dass ich meiner Mutter immer dann ein Geschenk mache, wenn ich etwas entdecke, von dem ich glaube, es könnte ihr gefallen. Ein täglicher, liebevoller Umgang ist wichtiger, als eine große Geste am Muttertag.

Katja, was bedeutet das Muttersein für Dich persönlich? Was ist das Schönste daran?

Katja: Für mein Leben – und ich spreche ausdrücklich nur und ausschließlich für mich – war und ist das Muttersein das, was mich in meinem Erwachsenen-Dasein am meisten geprägt hat. Es hatte immer den wichtigsten Stellenwert in meinem Leben, hat mich unendlich viel gelehrt über Liebe und Vertrauen, und mich mit Glück und Lebensfreude erfüllt. Keine Karriere hätte ich jemals dafür eingetauscht.

Was war Dir als Mutter immer sehr wichtig bei der Erziehung von Vivianne?

Katja: Mir war es sehr wichtig, Vivianne in ein Gefühl von Liebe einzuhüllen und sie spüren zu lassen, dass sie genau so, wie sie ist, perfekt ist. Ich teile nicht die Meinung des „nobody is perfect”! Im Gegenteil: Ich bin der Überzeugung, dass wir alle, so wie wir sind, perfekt sind – mit all unseren Schwächen! Ich habe Vivianne immer gesagt, dass ich sie liebe und dass sie für mich nichts darüberhinaus tun muss, als einfach nur sie selbst zu sein. Ich wollte, dass sie sich so annimmt, wie sie ist. Gleichzeitig war es mir wichtig ihr zu vermitteln, anderen Menschen mit Respekt zu begegnen. Umgangsformen und das sogenannte „gute Benehmen” basieren immer auf dem Bestreben, anderen Menschen im Verhalten respektvoll zu begegnen. Und ich freue mich, dass es mir gelungen ist, meiner Tochter das zu erklären, zu vermitteln und auch vorzuleben.

Gleichzeitig war es mir ungemein wichtig, dass sie auf dieser Basis von Liebe und Angenommensein ihrem Alter entsprechend immer selbstständig und unabhängig von mir war. Ich habe ihr z.B. niemals den Tornister gepackt oder ihre Hausaufgaben „kontrolliert“. Ich denke, dass ich ihr damit vermittelt habe, dass ich ihr zutraue, alleine mit ihren Aufgaben zurechtzukommen. Später waren es dann größere Herausforderungen. So ist sie mit 14 Jahren alleine nach Amerika geflogen – in eine befreundete Familie. Ich bin sicher, dass all dies zur Entwicklung ihres Selbstvertrauens und Selbstbewußtseins maßgeblich beigetragen hat. In meiner Beziehung zu Vivianne war und ist mir immer vor allem unser Vertrauensverhältnis wichtig, das auf Ehrlichkeit beruht. Ich habe sie gelehrt, dass die Wahrheit nicht immer das Bequemste, aber unabdingbar als Basis für eine gesunden feste, starke Beziehung ist.

Vivianne, wie hast Du deine Mutter in der Rolle als Deine Erziehungsberechtigte erlebt? Welche Werte hat sie Dir vermittelt?

Vivianne: Als alleinerziehende Mutter hat sie zu jeder Zeit sowohl die Mutterrolle als auch die Vaterrolle erfüllen müssen. Ich habe mich immer wohl behütet und ernstgenommen gefühlt. Sie hat mir die sprichwörtlichen Wurzeln und Flügel zugleich gegeben. Von den vielen Werten, die meine Mutter mir mitgegeben hat, sind die wichtigsten Ehrlichkeit, Respekt, Vertrauen und Authentizität.

Mutter Tochter, Muttertag, Katja Pärly, Teresa Maier-Zötl
Vivianne Pärli (29) lebt mit ihrem Verlobten in Wien. Sie liebt Pflanzen (25 Zimmerpflanzen befinden sich in ihrer Wohnung), Bücher, Samt, Grün, Rosa und Nude-Töne. 2018 hat sie einen Bachelor in künstlerischer Fotografie gemacht und schließt demnächst ihre Ausbildung zur Buchhändlerin ab.

Katja Pärli (60) arbeitete als Kunsthistorikerin, bevor sie begann, sich intensiv mit Yoga zu beschäftigen. Seit über zehn Jahren steht die leidenschaftliche Tangotänzerin als erfolgreiches Model vor der Kamera.

Die Töchter von heute sind die Mütter von morgen. Vivianne, was würdest Du bei der Erziehung Deiner Kinder von Deiner Mutter übernehmen?

Vivianne: Bedingungslos lieben! Konsequent sein ohne Strenge, präsent sein ohne zu erdrücken, richtungsweisend sein ohne zu dominieren. Bereits in jungen Jahren ein Verständnis von Respekt und Rücksichtnahme vermitteln, kombiniert damit, Kinder in ihrem Sein zu bestärken.

Katja, was waren die größten Herausforderungen, denen Du Dich als Mutter stellen musstest?

Katja: Vivianne vor physischer und psychischer Gewalt zu schützen, die heutzutage überall droht. Nein, um Gottes Willen nicht im engsten Umfeld. Aber ich hatte schon Sorge vor Unheil, das unerwartet und aus Richtungen kommen kann, die nicht kalkulierbar sind.

Mütter leisten Großes, ohne viel darüber nachzudenken. Eines vergessen sie dabei leicht: sich selbst. Katja, welche Tipps kannst Du Müttern geben, damit sie sich selbst nicht vergessen, und zwar ohne schlechtes Gewissen?

Katja: Mir selbst wurde als junger Mutter – die wohl den Eindruck machte, „sich selbst zu vergessen” – einmal der Rat gegeben, Dinge, die mir wichtig seien (ob Beruf, Hobby, die Beziehungen zu anderen Menschen), zu tun bzw. zu pflegen. Das sei nicht nur wichtig für mich sondern auch für das Bild, das in meiner Tochter von mir entstehe. Nur wenn ich mich selbst wichtig nähme, und meine Bedürfnisse und Wünsche, die nicht unmittelbar im Rahmen des Muttersein existierten, ernst nähme und selber respektiere, könne ich erwarten, dass auch meine Tochter diese ernst nähme und respektiere.

Und ja, das war ein weiser Rat, denn letztlich entsteht genau auf diese Weise der Respekt, der einem Menschen widerfährt. Auch derjenige eines Kindes, einer Tochter der Mutter gegenüber. Und ein weiterer unverzichtbarer Hinweis von einer klugen Frau an mich war: „Tun Sie genau das, was Ihnen gut tut und Sie glücklich macht. Tun Sie nichts bzw. unterlassen Sie nichts gegen ihre eigenen Wünsche und Überzeugungen, in der Hoffnung, damit etwas Gutes für das Kind zu tun. Das funktioniert nicht, denn: Was auch immer es sein mag – wenn Sie glücklich, ausgeglichen und zufrieden sind, wird Ihr Kind es auch sein.”

Das mag sich jetzt sehr „extrem“ anhören, aber in der Übertreibung wird anschaulich, was ich damit meine. Natürlich spreche ich hier NICHT von Egoismus und/oder egozentrischem Verhalten seitens einer Mutter. Mir haben diese beiden Hinweise in meinem Muttersein sehr geholfen und gutgetan.

Früher hieß es, erwerbstätige Mütter seien Rabenmütter. Bis heute ist der Beruf der Vollzeitmutter gesellschaftlich nicht anerkannt. Wie siehst du das, Katja? Welche Erfahrungen hast Du gemacht?

Katja: In meinem Leben als Mutter gab es unterschiedliche Phasen. Zeiten, in denen ich mal mehr, mal weniger oder auch gar nicht berufstätig war. Ich habe die Zeiten, in denen ich „nur“ Mutter war auch immer sehr genossen. Das mag in meinem speziellen Fall daran liegen, dass ich ein Studium absolviert hatte, das zu einer Berufstätigkeit als Kunsthistorikerin in der Forschung am Max-Planck-Institut geführt hatte, die mich nicht erfüllt und glücklich gemacht hat. Somit war es für mich kein „Verzicht“, nicht weiter „Karriere“ zu machen. Erst seitdem ich als Yoga- und Mediationslehrerin arbeite, würde ich auf diese berufliche Tätigkeit nicht verzichten wollen. Aber vor dieser Entscheidung stand ich glücklicherweise nie, da Vivianne zu diesem Zeitpunkt schon etwas größer war und ich diese Tätigkeit immer auf ideale Weise mit meinem Muttersein verbinden konnte.

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Mutter Tochter, Muttertag, Katja Pärly, Teresa Maier-Zötl
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Die Rolle der Frau hat sich in den letzten Jahrzehnten grundlegend geändert und damit auch die Erziehung der Mädchen. Wie siehst Du das, Katja? Brauchen Jungs eine andere Erziehung als Mädchen? Und was meinst Du dazu, Vivianne?

Katja: Nein, ich denke, sie sollten nicht unterschiedlich erzogen werden.

Vivanne: Darauf möchte ich gerne frei nach Chimamanda Ngozi Adichie antworten: Das Schlimmste, was man in der Erziehung von Jungs machen kann ist, ihnen das Gefühl zu geben, hart sein zu müssen, keine Angst haben zu dürfen, sich nie schwach oder verletzlich zu zeigen – das wiederum führt zu sehr fragilen Egos. Je härter ein Mann glaubt sein zu müssen, desto schwächer ist sein Ego. Was schwache Egos mit Menschen machen, weiß glaube ich jeder nur allzu gut. Von daher denke ich nicht, dass Jungs eine andere Erziehung als Mädchen brauchen. Wenn die Basis Respekt, Toleranz und vor allem Liebe ist, macht man schon viel richtig.

Vivianne, wie reagierst du auf Aussagen wie: „Du bist genau wie Deine Mutter“ oder „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm“?

Vivianne: Was für ein Kompliment!

Katja, und was konntest Du von deiner Tochter lernen? Wofür bist Du Vivianne dankbar?

Katja: Dankbar bin ich ihr dafür, dass sie so ist, wie sie ist, für ihre Liebe, ihr Vertrauen und ihre Offenheit, und dafür, dass sie mich an ihrem Leben so sehr teilhaben läßt. Gelernt habe ich unendlich viel von ihr. Vor allem vielleicht, dass man mit Reden und Kommunikation tatsächlich mehr erreichen kann, als ich es jemals für möglich gehalten hätte.

Vivianne, wofür bist Du deiner Mutter besonders dankbar?

Vivanne: Dass sie meine Entwicklung und Erziehung zu ihrem Lebensmittelpunkt gemacht hat, ohne sich selbst zu verlieren. Oh, und dass ich nicht Antigone heiße und nicht getauft wurde. (lacht)

Mutter Tochter, Muttertag, Katja Pärly, Teresa Maier-Zötl

Gibt es etwas, was du schon immer mit deiner Mutter erleben wolltest, Vivianne?

Vivianne: Eigentlich haben wir immer alles gemacht, was wir gemeinsam erleben wollten. Als kleines Mädchen wollte ich immer eine Reiterreise mit meiner Mama machen. Das ist mein frühester Wunsch mit ihr. Heute würde ich aber eher zu einer gemeinsamen Ayurvedareise tendieren – vielleicht reiten wir einfach zu dem Retreat (lacht).

Was hat es mit Eurem gemeinsamen Tattoo auf sich?

Vivianne: Ich habe es mir nach einem Jahr Bedenkzeit mit 18 stechen lassen. Die Symbole für Glaube, Liebe und Hoffnung – also Kreuz, Herz und Anker wollte ich verewigen. Da ich nicht gläubig bin, wollte ich das Kreuz nicht, und hab dafür das „K” von Mamas Vornamen genommen. Zwei Wochen nachdem ich es hatte meinte Mama „naja, eigentlich muss ich mir das ja jetzt auch stechen lassen.”
Ein paar Tage später sind wir dann gemeinsam zu meinem Tattoo-Künstler gegangen und ich hab‘ Händchen gehalten …

Vivianne, wie gehst Du mit dem Thema Vergänglichkeit um?

Vivianne: Sie ist unumgänglich. Ich denke, dass es viel mit unserer Kultur zu tun hat, dass Jugend das Ideal ist und der Tod der Feind. In dem Moment, in dem wir geboren werden, ist der Tod Teil unseres Weges. Trotzdem habe ich erst gestern „frische” Falten entdeckt und mich ein bisschen erschrocken. Aber dann hab ich mir gedacht „hey, du wirst dieses Jahr 30, da ist es doch normal, dass die Haut nicht mehr wie mit 16 ist.”

Was hälst du davon, dass deine Mama gerade als Model durchstartet, Vivianne?

Vivianne: Endlich!

Katja, was wünschst Du dir und Deiner Familie für die Zukunft?

Dass sich unser Miteinander weiterhin so lebendig entwickelt – in Liebe zueinander, mit Respekt voreinander, Fürsorge füreinander, Ehrlichkeit untereinander sowie Freude und Glück miteinander! Die äußeren Umstände sind mir dann wirklich ziemlich egal

Vivianne, wie und wo siehst Du Dich und deine Familie in 20 Jahren?

Vivianne: Gesund und vital und geografisch näher beisammen – also zumindest im selben Land.


Ein weiteres Interview mit Katja zum Thema Beauty & Schönheit findest Du HIER.

Du kannst Katja HIER auf INSTAGRAM folgen.


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