Er spricht vielen von uns aus der Seele und nimmt uns mit in den verrückten Alltag der Isolation: der Quarantäne-Blues von Katharina Kubsch. Im Interview mit HEYDAY verrät uns die studierte Musiktherapeutin und Gastronomin aus München, wie es zu dem Song kam und wie sie den derzeitigen Ausnahmezustand erlebt
Das Bad putzen, Thailändisch lernen und jeden Tag Yoga machen – jeder erlebt die Corona-Krise anders, und hat seine eigene Geschichte und seine eigene Art, damit umzugehen. Die studierte Musiktherapeutin Katharina Kubsch (47) spielt und singt in diversen Bandprojekten, arbeitet als DJ, ist Herzblut-Gastronomin mit eigenem Lokal und lebt mit Tochter und Freundin in München. Die derzeitige Quarantäne-Situation hat sie in einem Blues verewigt, der die Isolation und die weit verbreitete Selbstoptimierung auf die Schippe nimmt.
Welche Rolle spielt Musik in Deinem Leben?
Musik ist nach der Familie und den zwischenmenschlichen Beziehungen das Wichtigste für mich, sowohl selbst zu singen und zu spielen, als auch Musik zu hören. Knapp danach kommen allerdings die Gastronomie und das Nachtleben, gutes Essen und Trinken, und am liebsten die Kombination aus alledem.
Wie bist Du darauf gekommen, einen Song über die Quarantäne zu komponieren?
Ich sitze oft am Klavier und schaue, was passiert. In dem Moment, als der Quarantäne-Blues entstand, war ich glaube ich gerade sehr genervt. Vermutlich von mir selber. Doch glücklicherweise kam dieser Song raus. Das ist nicht immer so in solchen Situationen. Mein Projekt zuhause für die Zeit des Stillstands war, mal außerordentlich gründlich mein Bad zu putzen. Das waren auch die ersten Zeilen vom Blues und dann kamen nach und nach teils realistische, teils phantastische Ideen für den Zeitvertreib und gegen die Langeweile hinzu.
Wie erlebst Du die Corona-Krise? Privat und beruflich …
Zusammen mit meiner Freundin betreibe ich eine kleine Tagebar, die Bardales im Münchner Westen. Bis wir die ersten Tage der Schockstarre des Shutdowns überwunden und auf Take-Away umgestellt hatten, war es zuhause, sagen wir mal, spannend. Das Homeschooling ist bei einem Kind in der vierten Klasse ja noch irgendwie machbar. Aber dann haben wir auch noch einen Hund, um den wir uns kümmern müssen. Natürlich kocht man mehr zuhause und will alle bei Laune halten, und dabei sich selbst nicht vergessen. Da keiner in solchen Zeiten zu 100 Prozent das machen kann, was er sonst macht – sei es Arbeit oder Freizeitgestaltung – rückt die Decke schon mal beängstigend nahe.
Wie gehst Du mit dieser Herausforderung um? Welche Tipps hast Du gegen den Blues?
Ich persönlich gehe mehr raus in die Natur als sonst. Das finde ich sehr bereichernd. Zudem kann ich mich musikalisch ausdrücken, was in solchen Zeiten ein großes Geschenk ist. Und ich beobachte voller Begeisterung, wie Menschen in Krisenzeiten über sich hinauswachsen. Mehr Bewusstsein für das Miteinander etc. … Ich glaube, dass jeder Dinge hat, die er schon lange einmal tun wollte und in der Alltagshektik hinten angestellt hat. Jetzt ist die Zeit diese Dinge zu tun. Längere Spaziergänge, ein gutes Buch, mal gar nichts tun und schauen was passiert. Das geniessen, was noch möglich ist, z.B. das Gespräch über den Zaun oder Balkon mit den Menschen von nebenan, die man trotz all der Jahre Nachbarschaft nicht wirklich kennt.
„Soziale Kontakte stärken auch das Immunsystem, davon bin ich überzeugt.”
Zusammen mit ihrer Freundin Cecilia, die aus Peru stammt, betreibt die Ur-Münchnerin Katharina eine kleine, feine Tagesbar. Das Bardales bietet ein Crossover aus peruanischer und bayrischer Küche.
Zum Bardales geht es HIER entlang!
Siehst Du diese Zeit gerade eher als Familienurlaub oder totale Eskalation inklusive Budenkoller?
Familiär gesehen ist es eine Herausforderung, und es zeigt sich wer kompromißfähig ist (ich leider am wenigsten). Denn ohne das geht es meiner Meinung nach nicht. Man wird schon manchmal mit zwischenmenschlichen Themen konfrontiert, die normalerweise nicht auftauchen, weil sie gar keinen Platz haben in der Alltagshektik. Ich hatte auch eine kleine Krise mit mir selbst, die ich ja aber gottseidank kreativ verarbeiten konnte. Ich habe den schönen Spruch gelesen: „If you can’t go outside – go inside!” Wie wahr. Man darf sich nur nicht ablenken lassen, was für mich persönlich eine Herausforderung ist; ich lasse mich nur zu gerne von jeder Kleinigkeit ablenken. Aber wenn man sich auf die Situation einlässt, kann viel Gutes dabei rauskommen, vielleicht auch die Klärung langjähriger Konflikte, weil man ja nicht mehr so gut ausweichen kann.
Wie denkst Du – wird uns diese Krise als Gesellschaft verändern?
Ich denke schon, dass unser grenzenloses Konsumverhalten mal einen Dämpfer bekommen hat, und hoffentlich viele Menschen wieder ihren Blick für die wesentlichen Dinge schärfen konnten. Vielleicht ist uns auch noch bewusster geworden, dass wir sorgsamer mit unserer Umwelt und mit der Natur umgehen müssen. Einer der Vorteile dieses Shutdowns ist mit Sicherheit, dass Flora und Fauna mal eine kleine Verschnaufpause von uns Menschen haben/hatten. Diese danach, wenn alles wieder hochgefahren wird, auch noch zu schützen und zu achten, das wird die große Herausforderung. Aber das ist etwas, worauf wir wirklich Einfluss haben.
Welche Ängste begleiten Dich und welche Ängste kannst Du in deinem Freundeskreis beobachten?
In meinem Freundeskreis gibt es alle möglichen Umgangsweisen mit der Situation. Einige wenige sind sehr panisch, was mir leid tut und was ich nur schwer nachvollziehen kann. Ich finde, dass man allzu oft vergisst, die Situation – und zwar auch die von Regierungsseite und Gesundheitsorganisationen geschilderte – kritisch zu hinterfragen. Ich kann nicht wirklich einschätzen, wie gefährlich das Virus ist. Aber die Tatsache, dass beispielsweise Menschen sich nicht von ihren im Sterben liegenden Angehörigen verabschieden können, finde ich absurd und unverhältnismäßig. Auch die Einsamkeit, die viele Menschen jetzt mit voller Wucht trifft, ist mit Sicherheit für die Psyche schädlicher als angenommen. Soziale Kontakte stärken auch das Immunsystem, davon bin ich überzeugt.
Welche Folgen hat die Krise für Dich und Deine Familie?
Meine Arbeit liegt momentan auf Eis. Keine Veranstaltungen, daher keine Gigs oder DJ-Jobs, lediglich Klavierunterricht ist noch möglich. Ohne konkrete Ziele und Veranstaltungen für sich alleine zu üben, fällt mir persönlich auch schwer. Denn das erfordert ungeheure Disziplin – meine schwächste Seite zusammen mit meiner Inkonsequenz. Die Band-Projekte liegen auf Eis, da wir ja nicht mal ordentlich proben können. Neben meinem Hauptprojekt Monaco Fränzy – die Filmband zu der Münchner Kinokomödie Schmucklos, bei der ich am Klavier sitze und Backvoices singe – spiele ich noch im Duo Cut&Soul und im Mädelstrio JFK. Also langweilig wird’s unter normalen Umständen eh nie. So gesehen fühlt es sich erstmal an wie eine Vollbremsung. Aber ehrlicherweise tut so eine Entschleunigung zum Teil auch gut. Ich kann zumindest körperliche Erholung feststellen. Aber wir haben ja auch einen kleinen Imbiss, die Bardales Tagesbar, und der läuft ja Gottseidank weiter. Es ist ein Crossover aus bayerischer heißer Theke und Peruvian Kitchen, da meine Freundin Peruanerin ist. So nach und nach nehmen die Leute dieses Konzept auch an.
Was willst Du mit Deiner Musik erreichen?
Meine Musik mache ich in erster Linie, weil ich das am liebsten tue, am besten kann und mich selbst damit erfreue. Wenn ich damit auch andere Leute erreichen und erfreuen kann, bin ich natürlich umso glücklicher. Ich habe aber keine Botschaft in dem Sinne – außer: Hört gute Musik, Leute, und genießt das Leben! Meine Musik soll unterhalten, aber es muss auch nicht alles in mir an die Öffentlichkeit.
Was bedeutet Musik und speziell dieser Song für Dich?
Dieser Song bedeutet mir relativ viel, da ich durch ihn wieder gemerkt habe, dass ich, wenn der Fokus klar ist, sehr schnell und zielgerichtet arbeiten kann. Zudem war die Resonanz im Freundeskreis so gut, dass ich einfach gerne die Energie aufgebracht habe, um den Song unter die Leute zu bringen. Außerdem habe ich viel Unterstützung und Leidenschaft für die Sache bei meiner Tochter entdeckt, was mich sehr gefreut hat. Sie ist neun Jahre alt und hat einen Teil des Videos mit dem Handy gedreht, ich finde das großartig.
„Ich habe keine Botschaft in dem Sinne – außer: Hört gute Musik, Leute, und genießt das Leben!”
Katharina Kubsch ist Vollblutmusikerin. Sie spielt seit ihrem achten Lebensjahr Klavier, zudem auch Schlagzeug und Percussion. Ihr Stile: Jazz, Rock, Blues, Folk, Latin. Seit Anfang der Neunzuigerjahre spielt sie in verschiedenen Bandprojekten, ist aber auch solo unterwegs. Außerdem schreibt sie Musik für Theaterproduktionen und gibt Klavierunterricht.