„Mein Leben nach dem Schlaganfall”

In unserer Live-Interview-Reihe auf Instagram sprach HEYDAY-Beauty-Expertin Martina Davidson (48) mit Elke Hofmann (43) über ein ernstes und wichtiges Thema: Von einem Moment auf den anderen hat sich das Leben der erfolgreichen TV-Moderatorin radikal verändert. Aus heiterem Himmel erlitt sie 2019 einen Schlaganfall – mit nur 37 Jahren. Nun möchte sie ihre Erfahrungen teilen und anderen Frauen ans Herz legen, die Thematik stets auf dem Schirm zu haben – egal in welchem Alter!

Fotos: Instagram, Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe, privat

„Ich will nicht über mich reden, sondern darüber: Woran erkenne ich einen Schlaganfall und warum ist es so wichtig, dass alle Frauen wissen, dass es sie zu jeder Zeit treffen kann“

Elke Hofmann

Mit ihrem Live-Talk auf Instagram wollten Elke Hofmann und Martina Davidson zum Austausch beitragen, aufklären und insbesondere Mut machen. Denn das Thema Schlaganfall ist definitiv relevant für die Frauen unserer HEYDAY-Community und ihre Familien. Und das – wie Elkes Beispiel zeigt – womöglich schon in einem Alter, in dem man sich diesbezüglich noch keinerlei Gedanken macht. Unter anderem will Elke andere Frauen mit den Symptomen eines Schlaganfalls vertraut machen und sie dazu ermutigen, im Verdachtsfall direkt ins Krankenhaus zu gehen und dort hartnäckig auf ein sofortiges MRT zu bestehen – denn das kann ihr Leben retten.

HEYDAY hat den Talk vom August 2023 nun verkürzt als Lesestoff aufbereitet.

Du möchtest doch lieber zuhören oder zusehen, statt zu lesen? Die Links dafür findest du am Ende dieses Beitrags.

„Nach dem Schlaganfall bin ich deutlich gesünder, aber auch egoistischer geworden. Es steht jetzt nicht mehr die Firma vorn, sondern tatsächlich mal ich selbst”

HEYDAY: Herzlich willkommen, liebe Elke. Möchtest du dich kurz vorstellen?

Elke Hofmann: Hallo, ich bin Elke, Anfang 40 und habe mein ganzes Leben lang super viel gearbeitet. Das habe ich gerne gemacht, denn ich wollte immer selbstständig sein. Irgendwann wollte ich dann auch eine Familie gründen – das ist mir gelungen, mit einem ganz lieben Mann. Als meine Tochter acht Monate alt war, erlitt ich einen Schlaganfall. Ab diesem Zeitpunkt habe ich mein ganzes Leben komplett umgekrempelt.

Ich arbeite immer noch, aber nicht mehr so viel und auch auf eine ganz andere Art und Weise, bin deutlich gesünder und egoistischer geworden. Nennen wir es mal so. Es steht jetzt nicht mehr die Firma vorn, es stehen nicht mehr die anderen vorn, sondern jetzt stehe tatsächlich mal ich vorn.

Manchmal finden das nicht immer alle gut, aber ganz ehrlich: Das ist mir mittlerweile egal. Früher habe ich mir immer einen Kopf darüber gemacht, was andere Leute denken könnten. Nun mache ich das überhaupt nicht mehr. Nicht, dass ich jemanden verletzen oder auf die Füße treten möchte – aber nein, ich denke als allererstes einfach mal an mich und meine Bedürfnisse, meine Wünsche und in allererster Linie an meine Gesundheit.

Dieser 12. März, ein Dienstag im Jahr 2019, hat vieles in deinem Leben verändert. Wie oft denkst du noch an diesem Tag?

Nahezu täglich. Heute war auch wieder solch ein Moment: Eine Wespe hatte mich gestochen, die Beule ist schon deutlich zurückgegangen, aber irgendwann bemerkte ich, dass meine Hand taub wurde, es fing an zu kribbeln. Dazu ist es heute relativ warm und ich habe meine Tage bekommen. Alles kam zusammen und mir klappte ein wenig der Kreislauf weg. Mir wurde schwindelig und das triggert dann natürlich sofort wieder die Gedanken: Oh Scheiße, nicht dass das wieder irgendwas ist. Die Frage ist, wie man damit umgeht. Ich versuche, keine Angst zu haben oder in Panik zu geraten.

Immer positiv bleiben: Elke im Krankenhaus

Was genau ist an dem Tag passiert, an dem du den Schlaganfall hattest?

Ich hatte morgens um 9 Uhr einen Termin beim Zahnarzt, eine ganz normale Routineuntersuchung. Ich lag auf der Zahnarzt-Liege und während der Behandlung dachte ich mir: Was fummelt denn die Zahnärztin mit dem Gummihandschuh immerzu an meinem Handrücken herum? Das tat sie aber gar tatsächlich nicht, sondern das Gefühl, das ich hatte, kam daher, dass meine linke Hand taub geworden war..

Dann bat mich die Zahnärztin aufzustehen und ich wollte meine Jacke anziehen, habe aber den Ärmel immer wieder verfehlt. Die Ärztin fragte dann, ob es mir gut gehe, und schlug vor, zum Hausarzt zu gehen. Da in unserem Ort alles relativ nah beieinander ist, hat sie mich begleitet – und ich bin auf dem Weg dorthin ständig gestolpert.

Beim Hausarzt wurde dann ein FAST-Test gemacht, und habe mich noch gewundert: Ich habe doch keinen Schlaganfall, was für ein Quatsch. Der herbeigerufene Notarzt hat dann einen Hubschrauber angefordert, es gab aber Komplikationen, und ich kam erst über eine Stunde später in der Klinik an. Unterwegs hatte ich wahnsinnigen Durst und meine Symptomatik kam und ging – mal konnte ich mich auf der linken Seite bewegen, mal nicht.

In der Klinik fühlte mich nicht ernst genommen: Das MRT war erst für Stunden nach meiner Ankunft geplant, dann hieß es wieder „für einen Schlaganfall ist sie zu jung“, es wurde gefragt, ob ich schon mal Migräne hatte. Die beste Frage war: Nehmen sie Kokain? Solch ein Schwachsinn. Natürlich nehme ich keine Drogen. Ich will den Ärzten in dieser Situation überhaupt keine Vorwürfe machen, aber ich glaube, dieses Vorgehen ist kein Einzelfall.

Wie auch immer: Um 16:30 Uhr am Nachmittag wurde dann endlich ein MRT gemacht und festgestellt: Ich hatte lauter kleine Schlaganfälle im Gehirn erlitten, weil ein Blutgerinnsel dort durchgewandert und immer wieder irgendwo stecken geblieben ist. Es geht mir heute wieder gut, aber ich will nicht über mich reden, sondern darüber: Woran erkenne ich einen Schlaganfall und warum ist es so wichtig, dass alle wissen, dass es jeden zu jeder Zeit treffen kann.

„Die Risikofaktoren für einen Schlaganfall:

Rauchen, Übergewicht, hoher Cholesterinspiegel oder Blutdruck, zu viel Alkohol und mangelnde Bewegung. Aber dann gibt es eben auch Leute wie mich, die in ihrem Leben nie übergewichtig waren, nie geraucht haben und keine tierischen Produkte essen – und dennoch einen Schlaganfall erleiden“

Ich hatte vor ein paar Wochen einen solchen Fall in der Familie, aber mit einer viel älteren Person. So etwas hatte ich für mich selbst niemals auf dem Schirm…

Und genau deswegen sage ich: Auf den Aufklärungsbögen und den Prospekten sind immer nur grauhaarige alte Leute abgebildet – nehmt doch auch mal ein Bild von einer 20-jährigen, denn es kann jeden jederzeit erwischen. Meine Oma zum Beispiel hatte einen Schlaganfall mit 22 Jahren.
Mir haben so viele Leute auf Instagram geschrieben und ich war auch in alle möglichen Facebook-Gruppen, weil ich niemanden hatte, mit dem ich überhaupt mal über meine Angst reden konnte. Und in diesen Gruppen waren auch junge Mädchen, eine hatte an Silvester einen Schlaganfall, ist in die Notaufnahme gegangen und die haben sie weggeschickt und gesagt: „Schlafen Sie sich mal aus.“ Es gibt wirklich ganz tragische Fälle.

Bei einem Schlaganfall in jüngerem oder mittleren Alter kommen zwei Dinge zusammen: Weder die Patientinnen noch die Ärzte haben den Schlaganfall sofort auf dem Schirm. Und dann kommt noch die Bewertung von weiblichen Symptomen dazu, die ja oft auch unspezifisch sind – nicht nur beim Schlaganfall, sondern auch beim Herzinfarkt.

Das Problem: Die Studien, die grundsätzlich in der Medizin durchgeführt werden, werden hauptsächlich mit Männern gemacht. Mit Frauen, so heißt es, kann man keine randomisierten Doppel-blinde Studien machen, weil Frauen nicht so einfach vergleichbar sind, da sie zum Beispiel durch die Menopause gehen, hormonellen Schwankungen haben, oder in einer Schwangerschaft sind.

Die Deutsche Schlaganfall-Hilfe bietet auf ihrer Homepage den FAST-Test zur Erkennung eines Schlaganfalles an: Wenn du plötzlich stotterst, stolperst oder Lähmungserscheinungen in den Armen spürst, bitte eine andere Person, den Test mit dir durchziehen. Wen du immer und überall auf Nummer sicher gehen willst, kannst du dir die Test-App aufs Handy laden.

HIER geht’s direkt zum FAST-Test im Internet, die App findest du im Google-Play-Store oder im Apple-Store

Du hast vorhin den FAST-Test erwähnt, dessen Resultat auf einen Schlaganfall hindeuten kann. Bei welchen Symptomen ist dieser Test sinnvoll?

Im Prinzip bei allem, was dir komisch erscheint. Du gehst zum Beispiel mit einer Freundin spazieren, und die stolpert zweimal und du denkst dir: Das war doch jetzt ein ganz ebener Weg. Oder wenn jemandem das Besteck beim Essen ständig aus der Hand fällt oder die Person plötzlich ganz seltsam spricht, und du denkst dir: Was ist denn da los? In einem solchen Fall kannst du bei deiner Freundin vorsichtshalber den FAST-Test machen. Das geht ganz einfach, denn jeder Buchstabe hat eine Bedeutung:

  • F steht für FACE: Bitte die Person zu lächeln. Hängt ein Mundwinkel herab, deutet das auf eine Halbseitenlähmung hin. Also beide Bäckchen sollten sich bewegen.
  • A stet für ARMS: Bitte die Person, die Arme nach vorn zu strecken und dabei die Handflächen nach oben zu drehen. Bei einer Lähmung können nicht beide Arme gehoben werden, ein Arm sinkt oder dreht sich.
  • S steht für SPEECH: Lasse die Person einen einfachen Satz nachsprechen, oder einen Zungenbrecher. Ist sie dazu nicht in der Lage oder klingt die Stimme verwaschen, und klingt, als wäre die Person betrunken, liegt vermutlich eine Sprachstörung vor.
  • T steht für TIME: Sollten ein oder mehrere Symptome evident sein, bitte nicht zögern, sondern sofort die 112 und die Symptome schildern.

Der letzte Punkt – TIME – ist der wichtigste, denn jede Minute zählt: Bei Verdacht unbedingt sofort den Notruf anrufen und erklären, dass jemand womöglich einen Schlaganfall erlitten hat, Adresse durchgeben und sofort anrücken lassen. Bis dahin kannst du nichts anderes machen, das ist das Problem, denn es gibt zwei verschiedene Arten von Schlaganfällen.

Zum einen ist da der sogenannten ischämische Schlaganfall – das ist der, den ich hatte – bei dem es sich um eine plötzliche Minderdurchblutung des Gehirns handelt. Dies führt zum Absterben von Gehirnzellen. Am häufigsten wird ein ischämischer Schlaganfall durch Blutgerinnsel oder der Verengung von Blutgefäßen verursacht, die das Gehirn versorgen. Die andere Schlaganfall-Variante ist der sogenannte hämorrhagische Infarkt, bei dem durch ein Aneurysma ein Blutgefäß im Gehirn platzt – ausgelöst durch Faktoren wie Gefäßermüdung im Alter, genetische Vorbelastung, hoher Blutdruck.

Beide Varianten des Schlaganfalls sind jedoch komplett verschieden: Der eine ist eine Verstopfung, der andere eine intensive Blutung in deinem Gehirn – daher benötigen die zwei Varianten zur Behandlung unterschiedliche Medikamente.

„Seit meinem Schlaganfall habe ich beschlossen, nicht mehr alles im Leben zu ernst zu nehmen“

Du hast gerade einige Risikofaktoren benannt, gibt es davon noch mehr?

Also Rauchen ist ganz klar ein Risikofaktor. Weitere Faktoren sind Übergewicht, ein hoher Cholesterinspiegel, hoher Blutdruck, zu viel Alkohol und mangelnde Bewegung. Aber dann gibt es eben auch Leute wie mich, die in ihrem Leben nie übergewichtig waren, nie geraucht haben und keine tierischen Produkte essen – und dennoch einen Schlaganfall erleiden.

Bei mir persönlich spielten womöglich auch hormonelle Veränderungen eine Rolle. Ich hatte damals gerade mit dem Abstillen begonnen und hatte während der Schwangerschaft eine Thrombophilie. Es gibt aber auch genetische Faktoren, die nie untersucht werden. Das sogenannte Faktor-V-Leiden zum Beispiel, da geht es um Blutgerinnungsstörungen. Oder das Persistierende Foramen ovale, das sind kleine Löchlein im Herzen.

Das sind alles Risikofaktoren, die aber nicht zwangsläufig zu einem Schlaganfall führen müssen. In meinem Fall war es wahrscheinlich eine Verkettung ungünstiger Umstände, denn wenn du einen einfachen Infekt hast, wird dein Blut ganz häufig schon mal dicker. Das hat damit zu tun, dass wir evolutionsbiologisch so ausgelegt sind, wenn uns etwas angreift. Bei einer Virus-Infektion, schaltet unser Körper in den Verteidigungsmodus: Es entsteht Stress, unser Blut wird automatisch dicker. Und Stress bedeutete in grauer Vorzeit, dass gekämpft wurde. Also hat der Körper das Blut gerinnungsfähiger gemacht, falls wir im Kampf verletzt werden.

Wie kann man einem Schlaganfall präventiv entgegenwirken?

Meine Routine, schon immer: Viel Flüssigkeit aufnehmen – 2 bis 3 Liter am Tag braucht der Körper. Wenn dir der Arzt sagt „Sie haben etwas zu hohes Cholesterin“, musst du nicht gleich panisch werden, aber du kannst trotzdem mal versuchen, mit der Ernährung ein bisschen gegenzusteuern – zum Beispiel dadurch, auf tierische Fette zu verzichten, wie ich es seit jeher mache. Es gibt außerdem einen einfachen Trick, der bei mir super funktioniert: Das ist jetzt keine generelle Handlungsempfehlung, aber mir hilft es, Paranüsse zu essen. Sie senken bei mir das Cholesterin.

Ist man vor einem Schlaganfall geschützt, wenn man deine Tipps befolgt?

Nein. Trotz alledem ist mir der Schlaganfall passiert! Warum? – Also bei mir liegt der Fall so: Ich habe ein Persistierendes Foramen ovale (PFO), ein Überbleibsel des embryonalen Kreislaufs. Es handelt sich dabei um kleine Löcher im Herzen, die sich aber nur unter Druck öffnen. Dadurch kann ein Übertreten von Thromben aus dem Venensystem in den Systemkreislauf stattfinden – das ist oft die Ursache für Schlaganfälle bei jüngeren Patienten unter 60 Jahren.
Das PVO wurde nach dem Schlaganfall bei mir festgestellt – bei einer Untersuchung im Krankenhaus, die wirklich widerlich war: Ich musste einen Schlauch herunterschlucken, so dick wie ein Gartenschlauch. Normalerweise wird das mit einer Propofol-Betäubung gemacht, aber ich versuche grundsätzlich zu viel Medikamenten zu vermeiden, also habe ich beschlossen, das bei vollem Bewusstsein zu machen. Ich will ja auch Bescheid wissen, was da so vor sich geht.

Ich musste ein wenig gegen den Würgereiz ankämpfen, aber ich kann ich dir gleich sagen: Was mal drin ist, ist drin. Der Schlauch mit einem Ultraschallkopf wurde in der Speiseröhre auf Höhe des Herzens geschoben, und eine zuckerhaltige Lösung wurde mir injiziert. Dann wurde ich gebeten, einen Druckausgleich zu machen – so wie man das zum Beispiel im Flugzeug oder beim Tauchen kennt. Während des Druckausgleichs kann man sehen, ob diese Bubbles, die der Zucker in deinem Blut erzeugt, in deinem Herz die Kammern wechseln können. Wenn dem so ist, dann bedeutet das, du hast ein PFO. Entweder fließen die Bubbles gleich durch oder nur wenn du drückst, so wie in meinem Fall.
Viele Ärzte empfehlen in meinem Fall, das PFO per Katheter zu verschließen. Bezüglich dieses möglichen Eingriffs habe ich mich viel auf Instagram ausgetauscht und beidseitiges Feedback bekommen. Viele Leute haben gesagt, dass sie das PVO verschließen ließen, seither mit weniger Angst leben, und danach nie wieder einen Schlaganfall hatten. Andere haben mir geschrieben: „Scheiße, bei mir ist es der Katheter verrutscht, das hat nicht richtig gehalten.“

Speziell diesen möglichen Eingriff nach dem Schlaganfall machen zu lassen, ist also eine ganz individuelle Entscheidung, die natürlich nur mit sehr guter ärztlicher Begleitung getroffen werden kann?

Ganz genau. Das ist absolut individuell. Ich habe mich mit mehreren Professoren zu dem Thema ausgetauscht und mich gegen eine Schließung entschieden. Es kann auch immer noch sein – sollte es ein neues Verfahren geben, dem ich mehr Vertrauen schenke – dass ich es doch noch machen lasse, irgendwann.

„Ich hätte nie gedacht, dass mich mit 37 ein Schlaganfall treffen kann“

Wie lebst du jetzt nach dem Schlaganfall? Bist du ein Nerd geworden, was die Gesundheit betrifft?

Ja, in den ersten Wochen nach dem Schlaganfall erstmal ganz extrem. Da habe ich die ganze Zeit alles an Medikamenten in mich reingestopft, die mir verschrieben wurden – und später festgestellt, dass es viel zu viel gewesen ist und mir eigentlich noch mehr geschadet hatte.
Meine damalige Einstellung war in etwa so: Überhaupt nie wieder ein Glas Alkohol! Ich mache jetzt gar nichts mehr, ich sitze jetzt nur noch zu Hause und gehe nicht mehr unter Leute. Wenn mein Mann gesagt hat „komm, lass uns in ein schönes Wellnesshotel fahren, damit du ein wenig abschalten kannst“, habe ich erst mal geguckt, wo die nächste Stroke Unit in der Nähe ist. Wie weit ist es zum nächsten Krankenhaus? Ich konnte nicht alleine zu Hause sein, es musste immer jemand da sein und wenn mein Mann gesagt hat „ich habe jetzt aber wirklich einen wichtigen Termin in der Arbeit“, dann hatte ich das Telefon ständig griffbereit.

Ich hatte zu dem Zeitpunkt ja auch noch ein achtmonatiges Kind zu Hause und ich konnte natürlich nicht mehr stillen. Ich musste von einer Sekunde auf die andere abstillen, weil ich so voll mit Medikamenten war.
Außerdem habe ich superkrass auf die Ernährung geachtet, überhaupt kein Fett mehr zu mir genommen. Genau so sah ich dann auch ein paar Wochen später aus: Ich hatte in kürzester Zeit noch mal 15 Kilo abgenommen und sah dann wirklich ganz erbärmlich aus.

Du hast öfter von deinen Ängsten kurz nach dem Schlaganfall gesprochen und wie du versucht hast, wieder eine Balance im Leben zu finden…

Ja, diese bekannte Faustregel spukte mir im Kopf herum: Wenn du einen Schlaganfall hast, hast du ihn in den nächsten paar Wochen erneut – oder dann nach drei Jahren noch mal. Und das liegt einfach daran, dass der Mensch dazu neigt, drei Jahre nach einem Schlaganfall wieder in seine alten Muster zu verfallen. Das heißt, dass Raucher dann wieder anfangen zu rauchen, dass Trinker erneut angefangen zu trinken und so weiter.

Deshalb wollte ich mir auch von Anfang an nichts verbieten, sondern habe mir gesagt: Du musst jetzt wieder in einen normalen Alltag hineinfinden und das möglichst schnell. Ich habe also geschaut, was geht.
Zum Beispiel war ich auf einem Rockkonzert, habe dann aber gemerkt: Och nö, wir haben es mal gemacht, aber ich brauche das jetzt nicht noch einmal – ehrlich gesagt habe ich Menschenmengen schon immer gehasst. Aber ich wollte unbedingt wieder fliegen. Ich hatte panische Angst, dass ich einen Schlaganfall im Flieger kriege, und ich muss tatsächlich gestehen, ich bin bis heute nicht mehr transatlantisch geflogen. Weil ich Angst habe, über so viel Wasser zu fliegen. Bis heute.

Mit welchen Einschränkungen musst du heute leben?

Es ist nicht so schlimm – ich kann damit sehr gut leben. Aber ich habe zum Beispiel immer noch ständig schmerzhafte Nackenverspannungen auf der linken Seite. Dazu kommen Veränderungen in meinem Umfeld…

Es gibt also auch einen psychischen Faktor, der einen dann doch unter Umständen verändert?

Ja, wie gesagt, ich habe auch Freundschaften beendet. Also es haben sich Freundschaften aufgelöst dadurch, weil manche damit nicht klar kommen, dass ich jetzt zum Beispiel bei vielen Treffen früher heimgehe, dass ich bei vielem nicht mitmache.
Ich würde jetzt zum Beispiel heutzutage nicht mehr in einen eiskalten Eisbach springen oder irgendwie sowas, weil ich nicht weiß, wie in dem Moment mein Körper reagiert. Ich vermeide alles, was körperlich sehr anstrengend ist, um mein PFO nicht noch zu triggern und zu reizen. Ich weiß aber auch nicht, ob das sich vielleicht auch alleine durch das Muttersein verändert hätte, ob das jetzt initial unbedingt alles mit dem Schlaganfall zu tun hatte.
Es haben auch viele Bekannte gesagt, dass sie das nervt, wenn sie mit uns unterwegs sind und ich dann manchmal im Restaurant sitze und denke: Warte mal, fühlt sich jetzt die Gabel gleich schwer wie das Messer an? Du weißt ja, was ich meine, also ich frage mich oft: Fühlt sich das normal an?

Unabhängig davon, was andere Menschen vielleicht stört, kann ich mir vorstellen, dass man sich selber denkt: Mit wem möchte ich eigentlich meine kostbare Zeit verbringen…

Das ist ein sehr guter Punkt. Deswegen habe ich ja gesagt: Ich habe eine hoffentlich gute Form von Egoismus entwickelt. Aber es wird mir immer wieder angekreidet: „Boah, ihr reist, so viel muss das denn sein?“

Ja. Ich möchte ganz viel von der Welt sehen. Mein Kind ist noch nicht schulpflichtig, also nenne mir einen Grund, warum ich jetzt nicht viel herumreisen sollte, warum ich dem Kind nicht die Welt zeigen sollte.

Das ist wirklich ein ganz, ganz großes Problem, das in meinen Augen insbesondere Frauen noch mehr haben als Männer: Wir neigen immer dazu, etwas auf später aufzuschieben – später mal, wenn ich dann …, später, später, später – dann mache ich eine Weltreise.

„Das gute Geschirr wird nur rausgeholt, wenn Gäste kommen.“ Mit solchen Glaubenssätzen bin ich aufgewachsen. Das teure Parfum lege ich nur bei besonderen Anlässen auf, und so weiter. Das ist ein Mindset, über das mir eine sehr gute Freundin die Augen geöffnet und „HALT!“ gesagt hat. Weißt du, das Traurige ist, dass meine Mami ein ganz teures Parfüm hat, das sie immer nur zu besonderen Anlässen verwendet. Und das Schlimmste für mich: Wenn sie eines Tages stirbt, dann habe ich eine halbe Flasche von dem teuren Parfum, das ich ihr dann mit in den Sarg legen kann. Denn das ist dann der letzte große, besondere Anlass, bei dem sie es endlich tragen kann.

„Vor allem Frauen neigen dazu, ihre Wünsche immer wieder aufzuschieben. Später, später, später – dann mache ich eine Weltreise“

Weißt du, wir kaufen uns schöne Sachen, die uns gefallen und rennen dann die ganze Zeit im Jogginganzug rum. Ich habe da eine andere Haltung, ich ziehe mich das gerne an, ich gehe auch so einkaufen. Es ist mir total wurscht, wenn die Leute gucken und sagen: „Die takelt sich zum Einkaufen auf“. Es gibt heute diese Corona-Mentalität, die sich bei uns allen eingeschlichen hat, aber ich persönlich möchte mich einfach wohlfühlen: Wenn ich mal sage, ich sitze heute den ganzen Tag im Jogginganzug, dann ist es so. Wenn ich mich aber schön anziehen möchte, dann mache ich das auch.

Grundsätzlich versuche ich, das zu machen, worauf ich Lust habe. Ich mache mich nicht mehr von Familienfesten oder Ähnlichem abhängig. Ich habe mir auch angewöhnt, mal eben Arbeit abzusagen oder Jobs nicht anzunehmen. Das ist natürlich Luxus, aber den habe ich mir auch über die Jahre vor dem Schlaganfall erarbeitet. Und meine Freizeit verbringe nur noch mit Menschen, die mir guttun.

Wie ging es für dich nach dem Aufenthalt im Krankehaus weiter?

Also erst mal: Ich habe mich damals ganz bewusst gegen eine stationäre Reha entschieden. Und zwar, weil ich mich körperlich nicht massiv eingeschränkt gefühlt habe, und auch, weil ich jemandem, dem es schlechter gingt, den Platz nicht wegnehmen wollte. Und ehrlich gesagt, wollte ich in der Reha auch nicht sehen, wie schwer es andere Patienten getroffen hatte.
Alles andere hat sich tatsächlich einfach mit „kopfüber in den Alltag“ gelöst. Ich bin zum Beispiel lange Zeit nicht Auto gefahren, obwohl ich es gedurft hätte. Ich habe extra noch mal Fahrstunden genommen und mir attestieren lassen, dass ich fahrtüchtig bin. Mit dem Motorradfahren habe ich aufgehört und mir ein Dreirad gekauft. Ich dachte: Na ja, wenn du auf dem Fahrrad wieder einen Schlaganfall kriegst, dann fällst du wenigstens nicht um.

Aber auch das ist, denke ich, ein ganz individuelles Thema. Wichtig ist vor allem, dass man die Menschen nach einem Schlaganfall bestärkt und unterstützt und ihnen sagt: Wenn du Hilfe brauchst. auch psychologische Hilfe, bitte, bitte in Anspruch nehmen, unbedingt!
Vielleicht mal vorab: Ich bin eine ganz stinknormale Kassenpatientin, ich habe keine Zusatzversicherungen, kein Pipapo, gar nichts. Ich wurde nicht bevorzugt behandelt, sondern alles, was ich hier erzähle, bekommt man als Kassenleistung. Es kam sofort ein Logopäde, es kam sofort ein Ergotherapeut, dazu noch Physiotherapeuten und ein Psychologe. Mit mir wurde sofort über einen Reha-Platz gesprochen. Das sind alles Sachen, auf die man Anspruch hat, und die man abrufen – und bei Bedarf sollte man das natürlich unbedingt tun.

Was hat dir nach dem Schlaganfall geholfen? Hattest du eine Begleitung auf deinem weiteren Weg?

Also ich habe damals zum Beispiel auf Facebook und Instagram nach entsprechenden Gruppen und Accounts gesucht, um mich mit anderen Betroffenen auszutauschen, und habe einige Leute kennengelernt. Dazu gibt es zum Beispiel die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe und die gemeinnützige Organisation Deutsche Hirnstiftung.

Wie möchtest du, dass andere Menschen mit dir umgehen?

Also ich bin jemand, der nicht mit Samthandschuhen angefasst werden will. Ich hoffe einfach auf Verständnis, wenn ich mal etwas anders mache als andere Leute. Und ich möchte natürlich auch nicht jeden Tag auf meine Erkrankung angesprochen werden.

Und was wünschst du dir für dein restliches Leben?

Dass es noch möglichst lang ist. Aber viel wichtiger wäre mir, dass meine Mama und mein Papa noch lange gesund und glücklich bleiben. Und ich hätte gerne noch ein zweites Kind – denn jetzt bin ich endlich soweit sauber von all den Medikamenten. Deshalb habe ich auch noch keinen Bock auf die Wechseljahre. Ansonsten habe ich davor aber auch keine Angst. Wenn du mal so nah am Tod dran gewesen bist, dann verlieren viele Eitelkeiten und Oberflächlichkeiten an Gewicht.

Liebe Elke, ich danke dir sehr für den schönen Austausch und dass du deine Geschichte mit uns geteilt hast – ich glaube, es war auch für viele sehr mutmachend.

Ja, und wie gesagt, wenn jemand Fragen hat, immer gerne mir schreiben! Ich antworte meistens eher in der Nacht, wenn hier alles schläft, aber ich bin da. Tschüss, und danke!


Mehr über Elke Hofmann

Die Leidenschaft der Unternehmerin, Tierschützerin und Content Creatorin auf Social Media ist das Moderieren, das sie schon seit ihrer Studienzeit begleitet. Mit ihrer eigenen Marke ELLENI, die sie 2021 gründete, bietet sie Produkte aus 15 Jahren Home-Shopping an, die alle unter dem Label wir24.tv vereint sind. Elkes größter Stolz ist ihre Tochter Leni, die ihr Leben jeden Tag aufs Neue bereichert. Elke engagiert sich überdies für die Deutsche Hirnstiftung und spricht als Keynote-Speakerin über das Thema Schlaganfall. ⁠

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Mehr über Martina Davidson

Martina arbeitet als internationale Skincare-Trainerin für besondere und nachhaltige Kosmetikmarken, als Make-up-Artist ist sie seit über 20 Jahren in der Beauty-Welt unterwegs. Innere und äußere Schönheit und natürlich entspanntes Älterwerden – nur einige der Themen, die Martina bewegen. In der Interview-Reihe Ungeschminkt auf Instagram führt sie regelmäßig Gespräche mit spannenden Frauen.

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Podcast-Effekt: Das gesamte Gespräch zwischen Elke Hofmann
und Martina Davidson kannst du dir HIER direkt anhören.

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