Die Ernährung hat einen großen Einfluss auf unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden. Der Boden und die landwirtschaftliche Methode, mit der wir unsere Lebensmittel anbauen, haben dabei eine Schlüsselrolle. Der biodynamische Landwirtschaftsbetrieb Fattoria La Vialla arbeitet konsequent an der Biodiversität und Fruchtbarkeit des Bodens – für uns und unseren Planeten. In Zusammenarbeit mit Dr. J. Daniel Dahm, Wissenschaftler, Unternehmer und Pionier der Nachhaltigkeit, klären wir, warum ein gesunder Boden nicht nur die Basis einer gesunden Umwelt, sondern auch einer intakten Darmflora und eines gut funktionierenden Immunsystems ist
Unser Boden – das ist so viel mehr als lebloser Untergrund. Boden ist die Heimat von uns Menschen sowie von unzähligen Pflanzen und Tieren. Er beheimatet Trillionen winziger Lebewesen, die wir mit bloßem Auge gar nicht mehr erkennen können. Boden ist ein riesiger Organismus. Kein Wunder, dass er auch als die Fabrik des Lebens bezeichnet wird. Allein auf einem Teelöffel Boden leben mehr Mikroorganismen und Kleinstlebewesen als Menschen auf der Erde. Bakterien, Pilze, Algen, Würmer, Käfer, Schnecken, Flöhe, Larven, Milben, Asseln oder Spinnentierchen – sie alle verbringen unter der Erde rund um die Uhr kleine Wunder.
Der wohl bekannteste Bodenbewohner ist der Regenwurm. Mit einer Lebenserwartung von bis zu acht Jahren ist er das langlebigste Bodentier und eines der wichtigsten. Durch seine Stoffwechselprozesse trägt er dazu bei, dass sich leblose Erde in einen reich gedeckten Tisch verwandelt – auch für uns.
Wusstest du, dass 95 Prozent unserer Nahrung aus dem Boden stammt? Die Hauptrolle spielt dabei die oberste Schicht, in der sich die organische Substanz konzentriert, und dabei insbesondere der Humus. Die Gesundheit dieser Schicht ist von grundlegender Bedeutung für die Erde – sie ernährt Pflanzen, Tiere und uns. Ohne gesunden Boden gibt es kein sauberes Trinkwasser und keine intakte Umwelt. Denn neben dem Wald ist der Boden ein hervorragender Klimaschützer, Wasserfilter und Wasserspeicher. Gesunder Boden, aufgelockert und durchwoben von Leben, ist wie ein Schwamm, der große Wassermassen aufnehmen und verarbeiten kann. So kann er Überschwemmungen verhindern und Dürreperioden überstehen. Ferner neutralisiert er Säuren, die durch belastete Luft auf die Bodenoberfläche kommen. Außerdem bindet Boden Kohlenstoffdioxid (CO₂) aus der Atmosphäre, welches zum Beispiel bei der Verbrennung von kohlenstoffhaltigen Materialien wie Holz, Kohle, Diesel oder Gas entsteht, und reguliert somit unser Klima. Allerdings nur, wenn er wirklich gesund ist.
Auf einem Teelöffel Erde leben mehr Mikroorganismen und Kleinstlebewesen als Menschen auf der Erde
Wir ernten, was wir sähen
Aktuell sind unsere Böden und der gesamte Planet aus dem Gleichgewicht geraten. Um es auf den Punkt zu bringen: Wir sind in Gefahr. Die Rodung der Regenwälder, Monokulturen sowie der Einsatz von synthetischen Düngemitteln und schweren Landmaschinen bedrohen das Klima. Hitzewellen, Dürren, Starkregen und Stürme sind die Folgen. Die Böden sind vielerorts überlastet, überdüngt und ausgelaugt, können kein Wasser mehr aufnehmen und speichern. Bodenerosion, verursacht durch menschliche Bearbeitung, verändert das Ökosystem und die Landschaft. Laut UN gehen uns pro Minute weltweit fruchtbare Böden in der Größe von 30 Fußballfeldern verloren.
Die Gründe liegen auf der Hand. Die Intensivierung der Landwirtschaft hat uns ermöglicht, immer mehr Nahrungsmittel zu günstigen Preisen zu produzieren. Nie zuvor wurden so viele schädliche Stickstoffdünger und synthetische Pestizide auf unseren Böden verteilt. Mit Düngemitteln werden Stickstoff und Phosphate in den Boden eingebracht, um das Pflanzenwachstum anzuregen. Sie gelangen in Flüsse und Seen und beeinträchtigen das Leben in diesen Gewässern. Rückstände von synthetischen Pestiziden findet man heute überall: in der Luft, im Boden, in Flüssen, im Meer – sogar im arktischen Eis, im menschlichen Urin und in der Muttermilch. Die Wirkstoffe töten nicht nur die Zielorganismen, sondern greifen auch andere Pflanzen und Lebewesen oberhalb und unterhalb der Erdoberfläche an.
Es ist ein Teufelskreis: Durch den Preisdruck von Billigimporten müssen Bauern ihre Böden intensiver bewirtschaften und sind gezwungen, ökologische Maßnahmen zu vernachlässigen. Hinzu kommt, dass sie sich teures, patentiertes Saatgut kaum noch leisten können und dass sie von Auswirkungen des Klimawandels direkt betroffen sind. So verlieren die landwirtschaftlichen Flächen konstant an Humus, somit ihre Nährstoffe und letzten Endes ihre Fruchtbarkeit. Gleichzeitig wächst die Weltbevölkerung und der Bedarf an Nahrung. Bis 2050 soll die Zahl der Erdbewohner von acht Milliarden auf zehn Milliarden steigen. Doch die zunehmende Intensivierung der landwirtschaftlichen Produktion kann nicht die Lösung für die damit verbundene Ressourcen- und Ernährungsfragen sein. Denn woher sollen wir die Fläche nehmen? Noch mehr abholzen? Noch mehr zerstören? Nein!
Um die Weltbevölkerung künftig ausreichend ernähren zu können, ist eine drastische Veränderung unseres wirtschaftlichen Handelns, unserer Konsumgewohnheiten und der Bewirtschaftung unserer Böden notwendig. „Macht die Menschheit weiter wie bisher, manövriert sie sich in die Sackgasse ihrer eigenen Evolution. Um das zu verhindern, wäre es hilfreich, wenn wir uns ins Bewusstsein rufen, dass wir keine Kunstwesen sind, sondern Teil des komplexen Ökosystems Erde. Der Mensch selbst ist bereits ein lebendiges Ökosystem, das sich aus vielen Organismen zusammensetzt“, warnt Dr. J. Daniel Dahm.
Pro Minute verlieren wir weltweit fruchtbare Böden in der Größe von 30 Fußballfeldern
Wir tragen die Erde in uns
Wir Menschen sind dem Boden ähnlicher, als wir denken – tatsächlich sind wir ein Teil von ihm. Denn genau wie im menschlichen Darm existiert auch im Boden ein Mikrobiom aus Bakterien, Pilzen und vielen anderen einzelligen Organismen. Die aktuelle Forschung sieht eine enge Verbindung zwischen den beiden. Sie ähneln sich im Aufbau und Ablauf. So existieren ähnliche Bakterienstämme, wie sie auch in Böden vorkommen, im menschlichen Darm. Die Vielfalt der im Boden lebenden Organismen entscheidet über den Gesundheitszustand des Bodens. Genauso ist es auch bei uns. Das menschliche Mikrobiom – die Gesamtheit der Mikroorganismen des menschlichen Körpers – spielt eine wichtige Rolle für unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden.
Die meisten Bakterien, Pilze und Mikroorganismen befinden sich in unserem Verdauungssystem. Dort machen sie sich ausgesprochen nützlich: Die Darmbakterien helfen bei der Verwertung von Nahrungsbestandteilen. Sie verhindern, dass sich Krankheitserreger im Darm ausbreiten können, und tragen zum Funktionieren unseres Immunsystems bei. Die Bakterienvielfalt, die wir durch unsere Nahrung aufnehmen, hat nachweislich Einfluss auf unsere Gesundheit und sogar auf unsere Gemütslage. Außerdem regen sie die Darmbewegungen an.
Interessant ist, dass jeder Mensch eine eigene, individuelle Zusammensetzung der Darmflora besitzt. Je vielfältiger und aktiver diese ist, desto besser. Doch die Bakterienvielfalt in unserem Darm hat sich verändert. So zeigen Forschungsergebnisse aus 2016, dass gesunde 90-Jährige mehr Arten an Darmbakterien besitzen als durchschnittliche Erwachsene. Das hat verschiedene Gründe: Wenig Kontakt mit Erde und Fäkalien, strenge hygienische Maßnahmen, Antibiotika und eine ballaststoffarme Ernährung mit verarbeiteten Lebensmitteln haben zu einem Verlust nützlicher Mikroben geführt.
Es ist schon lange bekannt, dass die intensive Landwirtschaft die Vielfalt der Arten an Mikroorganismen im Boden ausdünnt. Jetzt konnte nachgewiesen werden, dass die intensive Landwirtschaft auch das Mikrobiom in unseren Lebensmitteln reduziert – auf Kosten unserer Gesundheit. „Die Lebensmittel aus industrieller Agrarproduktionen, die wir in unseren Supermärkten bekommen, sind oft gereinigt und steril, sodass sie eigentlich gar keine Mikroorganismen mehr enthalten, die unserer Verdauungsflora gut zuarbeiten“, so Dr. J. Daniel Dahm. Das Mikrobiom des Bodens, die Gemeinschaft aus Bakterien, Pilzen und Protisten, ist zentral für das Funktionieren der Ökosysteme. Je größer die Pflanzenvielfalt, desto vielfältiger und resilienter ist das Mikrobiom des Bodens – und desto gesünder sind wir.
Mehr biologische Vielfalt durch nachhaltige Landwirtschaft
Die Art, wie wir unsere Lebensmittel anbauen, ist entscheidend für unsere Zukunft und die Zukunft unseres Planeten. Wenn landwirtschaftliche Flächen konventionell bewirtschaftet werden, nimmt ihre organische Substanz mit der Zeit ab. Eine umsichtige Bewirtschaftung dagegen laugt den Boden nicht aus, sondern sie pflegt und nährt ihn.
Das familiengeführte Wein- und Landwirtschaftsgut Fattoria La Vialla in der Toskana ist Vorreiter im Bereich regenerative Landwirtschaft. Der 1.600 Hektar große Betrieb mit über 150 Mitarbeitern hat sich der biodynamischen Methode verschrieben, einer speziellen Form der ökologischen Landwirtschaft – und die nachhaltigste. Das weltweit gültige Qualitäts-Label für die Nahrungsmittel von La Vialla ist Demeter. Diese Philosophie nach dem Begründer Rudolf Steiner sieht einen Bauernhof als ganzheitlichen Organismus, in dem Menschen, Tiere und Pflanzen zusammenwirken und einander unterstützen. Die Fruchtbarkeit des Bodens spielt dabei eine zentrale Rolle. Denn die Gesundheit der Pflanzen und somit auch die Ernte hängen eindeutig vom Mikrobiom des Bodens ab.
Seit der Übernahme des Hofes 1978 arbeitet die Familie Lo Franco mit größter Sorgfalt daran, die mikrobielle Biodiversität und die Artenvielfalt zu erhalten und kontinuierlich zu verbessern – und das braucht Zeit. Humusaufbau geschieht nicht von heute auf morgen, es ist ein längerer Prozess. Um einen Zentimeter Mutterboden zu bilden, braucht die Natur 1.000 Jahre. Ziel von La Vialla ist es, fruchtbaren Wohnraum für alle Lebewesen und Pflanzen zu schaffen – mit genügend Luft zum Atmen. In der Praxis bedeutet biodynamische Kreislaufwirtschaft: lange Fruchtfolgen, Gründüngung und die Kompostierung organischer Abfälle. Pestizide und chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel sind vollständig verboten, auf Plastik wird verzichtet. Außerdem wird Ressourcen-schonend gearbeitet. Heißt: sparsamer Umgang mit Energie aus der eigenen Fotovoltaik-Anlage und Wasser, sammeln von Regenwasser sowie schonender und sehr limitierter Einsatz von Maschinen.
„Ein zentrales Element ist die optimale Nutzung der einheimisch vorhandenen mikrobiologischen Vielfalt“, so der Wissenschaftler. Um den Boden auf natürliche Weise zu stärken, zu beleben und das Mikrobiom zu unterstützen, werden biodynamische Präparate wie zum Beispiel das Hornmist-Präparat 500 eingesetzt. Dabei wird frischer Kuhmist in Kuhhörner gefüllt und über die Wintermonate vergraben. Im Frühjahr wird das fertige Präparat mit Wasser dynamisiert und auf den Boden gebracht. Das Hornmist-Präparat 500 unterstützt die Entwicklung der Pflanzen in ihrem Wachstum unterhalb der Erdoberfläche. Es verbessert die Bodenqualität durch Anregung der Bodenlebewesen, hilft bei der Wurzelausbildung und bei der Nährstoffaufnahme.
„Vielfalt ist die Lebens- und Krankenversicherung für unsere Ökosysteme und unsere Gesundheit. Je größer die Pflanzenvielfalt, desto vielfältiger und resilienter ist das Mikrobiom des Bodens – und desto gesünder sind wir.“
Daniel Dahm
Das sagt der Experte:
Dr. J. Daniel Dahm über die Vielfalt unserer Böden und unseres Planenten
Dr. J. Daniel Dahm ist Wissenschaftler, Unternehmer und Aktivist. Schon seit den 90ern setzt er sich für eine regenerative Ökonomie ein. 2010 gründete er die United Sustainability Group. Diese zielt auf die Regeneration und den Aufbau ökologischer und infrastruktureller Lebensgrundlagen mittels strategischer (Impact-)Investitionen. Außerdem ist er Ratsmitglied des World Future Council, Mitglied der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler VDW sowie Mitglied des Club of Rome.
Was genau versteht man unter dem Mikrobiom von Mutter Erde?
Die Biodiversität unseres Planeten ist das Ergebnis einer 3,8 Milliarden Jahre alten Evolution des Lebendigen. Durch Regen und Verwitterung bildete sich im Boden eine Lebenssubstanz, die erst in einem Prozess von über Milliarden Jahren der biologischen Evolution entstehen konnte. Die Biosphäre der Welt, die sich von den Mikroorganismen bis zu den Wirbeltieren hochzieht, ist das Spektrum, in dem sich das Lebendige abspielt. Mikrobiome sind Lebensräume für Kleinstlebewesen, die in den Böden unserer Erde leben, wühlen und verdauen. Diese Mikrolebensräume durchziehen unsere Böden und beeinflussen die Nährstoffaufnahme oder -abgabe, die Phosphataufnahme und Fäulnis, die im Wurzelraum stattfindet. Sie sind Teil einer Nährstoffkaskade und zersetzen Pflanzen, Holzäste, Borken und tierische Reste wie Fäkalien von Weichtieren. In Zusammenarbeit mit Pflanzen, Hefepilzen, Milchsäurebakterien, Fadenwürmern, Käfern und Insekten wird auf diese Weise Biomasse aufgebaut. Alle haben eine bestimmte Funktion. Manche fressen Pflanzenreste, andere nur tierische Reste. Manche begünstigen die Gesundheit der Wurzeln und andere greifen die Wurzeln an, sodass Wurzelfäulnis entstehen kann.
Wie hängen die Mikroorganismen im Boden mit unserem Darm zusammen?
Wir Menschen sind mit unserer Erde sehr verbunden. Bevor wir unsere Böden mit industriellen Methoden bewirtschafteten, lebten, spielten und aßen wir dort. Verzehrten wir eine Möhre, haben wir auch immer Reste von Erde aufgenommen. Auf diese Weise waren wir immer in Kontakt mit unseren Böden. Diese Mikrofauna und -flora findet sich in unserem Organismus wieder. Die Darmflora der Menschen ist in der Zusammensetzung der Mikroorganismen den Böden, auf denen wir als Kinder lebten, sehr ähnlich. Die mikroorganismische Vielfalt und Widerstandsfähigkeit dieser Böden besiedelt, sichert und stabilisiert unsere Magen-Darm-Flora. Die Vielfalt mikroorganismischer Flora und Fauna in unserem Organismus, vor allem im Darm, hängt also eng mit der Vielfalt der Böden auf unserem Planeten zusammen.
Nur heute essen wir nicht mehr vom Boden, sondern kaufen unsere Lebensmittel im Supermarkt. Ist das nicht viel hygienischer?
Der Mensch verfügt über einen Organismus, der über diverse Schnittstellen mit der Außenwelt kommuniziert und sich ständig austauscht. Die auffälligste und dominanteste ist die Nahrungsaufnahme. Es gab eine Zeit, in der wir alle Kleinbäuerinnen waren oder direkt von diesen abhingen, orientiert auf Selbstversorgung – und in der die lokale und regionale Versorgung mit Produkten aus der Landwirtschaft unsere Ernährungssicherung bildete. Zu dieser Zeit war es selbstverständlich, dass das, was auf unserem Teller landete, aus der Region und lokal produziert war. Regio galt früher also als normal. Dass eine Frucht, Weizen oder Mais einmal um die Erde reist, hat sich erst seit 30 oder 40 Jahren etabliert.
Durch die industriell bewirtschafteten Böden führen wir uns immer weniger einheimische Mikroorganismen zu. Auf diese Weise wird es immer schwerer, den Verdauungsorganen des Menschen ein balanciertes mikroorganismisches Umfeld zu ermöglichen. Das wird sichtbar durch die zunehmende Dominanz von Nahrungsmitteln aus industrieller Agrarproduktion, die wir in unseren Supermärkten bekommen. Sie sind oft gereinigt und steril, sodass sie eigentlich gar keine Mikroorganismen mehr enthalten, die unserer Verdauungsflora gut zuarbeiten. Zusätzlich schwächen wir unsere Körper durch die Aufnahme antibiotischer Medikamente über die Nahrung. Zu einer Ernährung mit nährstoffarmen Supermarktprodukten kommt der heutige Lebensstil, fern von der Natur, der Sonne und von natürlicher Bewegung. Das kann zu seelischen Beschwerden führen.
Heute leben ja immer mehr Menschen vegan. Ist diese Ernährungsweise nicht besonders gut für unsere Gesundheit?
Wir können aus verschiedenen Untersuchungen feststellen, dass die moderne vegane Ernährung zu einer Abnahme der Aufnahme von Mikroorganismen führt. Früher waren in veganen und vegetarischen Kulturen rund zwei Prozent der Proteine trotzdem tierischen Ursprungs, zum Beispiel durch Kleinstinsekten. Die Milben und kleinen Käfer, die in Reis- oder Linsengerichten enthalten waren, fehlen heute. Selbst Jäger und Sammler, die sich hauptsächlich von Beeren, Obst und Nüssen ernährten, aßen regelmäßig Würmer und Milben mit und hatten somit eine nützliche Eiweißquelle. Eine ausschließlich vegane Hightech-Ernährung führt leicht dazu, dass fast nur noch quasi sterilisierte pflanzliche Nahrung aus industrieller Produktion, und so keinerlei tierisches Eiweiß mehr aufgenommen wird. Dadurch können Mangelerscheinungen auftreten. Wer außerdem viel Zucker, Weißmehl oder Stärke zu sich nimmt, füttert Mikroorganismen, die die Bedingungen zur einseitigen dominanten Ausbreitung bestimmter Pilzarten oder auch von Milchsäurebakterien in unserem eigenen organismischen Ökosystem führen. Folglich kann die Darmflora aus dem Gleichgewicht geraten und der Stoffwechsel gestört werden.
Was ist der Unterschied zwischen konventionellen Produkten und ökologisch hergestellten?
Die konventionelle, monokulturelle Landwirtschaft wirtschaftet gegen die Böden. Sie setzt die ökologische Resilienz und Fruchtbarkeit der Böden schrittweise herab. Um eine möglichst hohe Produktivität zu erreichen, werden chemische Düngemittel und Biozide in der Hochertragslandwirtschaft eingesetzt – Biozide also, wie Glyphosate und Neonicotinoide, mit denen Ackerböden quasi sterilisiert werden, Lebensgifte also. Hinzu kommen oft durch Züchtung oder grüne Agrargenetik optimierte Mikroorganismus-Mischungen, die hochinvasiv sind und die einheimische Mikroflora und -fauna verdrängen. Diese werden als Hochertragsmittel eingesetzt. Dadurch wird in den Böden ihre naturgegebene mikroorganismischen Vielfalt vernichtet.
Das Interesse der Agrarindustrie liegt darin, zu erscheinen, als sei sie systemisch unersetzbar und ihre kurzfristig hochproduktiven, industriell bewirtschafteten Agrarflächen sicherten die Nahrungsmittelversorgung der Menschheit, der Erde und unserer aller Zukunft. Sie sind aber nur hochproduktiv über einen kurzen Zeitraum. Empirische Studien belegen, dass eine agrarökologisch schützende und fruchtbarkeitsstärkende Bewirtschaftung der Böden unter Einbindung einer großen biologischen Vielfalt ab dem elften bzw. zwölften Jahr der Bewirtschaftung einen Produktivitätsvorteil bietet. Denn die einheimische Vielfalt von Bodenorganismen und Sorten schützt und regeneriert die Fruchtbarkeit und stabilisiert die Anbaufläche, sodass ein Befall von Krankheitserregern, seien es Mikroorganismen, Pilze oder Insekten, über längere Zeit ausbalanciert und ökologisch bewältigt werden kann.
Die biologisch-dynamische Landwirtschaft kommt aus der Anthroposophie. Sie ist geprägt von der Regeneration der Bodenfruchtbarkeit, die nicht nur erhalten, sondern auch verbessert werden soll. Ein zentrales Element ist die optimale Einbindung der einheimisch vorhandenen mikrobiologischen Vielfalt. Das setzt voraus, dass man mit den einheimischen Pflanzen und Feldfrüchten aus der Region arbeitet. Die Bodentypen werden von den Pflanzen im Zusammenwirken der lokalen und regionalen Klimaökologie mit den Mikroorganismen in der Wurzelsphäre selbst erschaffen. Mit Präparaten wie Kuhhörnern, die Fäkalien, lokale Erde und Pflanzenreste enthalten, wird versucht, eine möglichst gute mikroorganismische Mischung in den Böden zu kultivieren, die zu einer Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit und der Krankheitsunterdrückung führen.
Wie sollten wir uns in Zukunft ernähren, wenn wir uns und unsere Erde retten wollen?
Aus gesundheitlichen Gründen und Gründen der Nachhaltigkeit sollten wir ausschließlich Produkte kaufen, die aus einer ökologisch regenerativ orientierten Landwirtschaft stammen. Diese stärken uns gesundheitlich und stabilisieren die Böden und Landschaften. Das EU-Bio-Siegel ist übrigens in der Regel nichts wesentlich anderes als die konventionelle industrielle Landwirtschaft mit geringerem Chemieeinsatz, nur etwas weniger schlecht – hier wird weiter gegen die Böden statt mit ihnen gearbeitet.
Wir sollten darauf achten, unser mikroorganismisches Gleichgewicht zu stabilisieren. Das bedeutet, sich abwechslungsreich zu ernähren und auf raffinierte Industriezucker zu verzichten. Ratsam ist es, mehr Hülsenfrüchte wie Linsen und Bohnen, Nüsse, Samen und Früchte in die Ernährung einzubinden und dies mit möglichst wechselnden Varianten. Besonders wichtig ist jedoch, dass man versteht, dass wir keine singulären Individuen sind. Der Mensch ist selbst bereits ein lebendiges Ökosystem, das sich aus vielen Organismen zusammensetzt. Um gesund zu bleiben, müssen wir diese Organismen füttern. Das bedeutet, wir müssen uns damit beschäftigen, mit welchen Nährstoffen wir welche Prozesse in unserem Ökosystem füttern. Ein System, das über eine große Vielfalt von biologischen Organismen verfügt, ist immer das stabilere System. Es ist in Krisenzeiten weniger anfällig für Schädlinge und Eindringlinge von Außen. Je komplexer ein biologisches System ist, desto stabiler ist es. Das gilt sowohl für uns, als auch für unsere Erde.
Daran erkennt man fruchtbaren Boden
Biodynamisch bewirtschafteter Boden ist dunkel, reich an Leben, Wurzeln, Insekten und Regenwürmern. Man erkennt ihn am Geruch und an der lockeren, krümeligen Struktur mit Wurzelgeflecht. Je mehr organische Substanz – also die Gesamtheit der organischen Verbindungen tierischen und pflanzlichen Ursprungs – vorhanden ist, desto größer ist die Fruchtbarkeit des Bodens. Der Gehalt an organischer Substanz variiert je nach Bodenbeschaffenheit: Sandige Böden haben weniger als ein Prozent, landwirtschaftlich genutzte Flächen bis zu vier Prozent, Waldböden zehn Prozent, insbesondere in Gebirgslagen. Torfböden haben sogar 90 Prozent organische Substanz.
La Vialla kontrolliert jährlich den Gehalt an organischer Biomasse und vergleicht die Entwicklung über die Jahre hinweg. Die Spatenprobe ist eine sehr aufschlussreiche Methode, um die Bodenstruktur zu beurteilen. Der Spatenstich wird so gewählt, dass beim Herauslösen eine Kulturpflanze erwischt wird. Der Erdziegel sollte dabei nicht beschädigt werden.
Biologische Vielfalt ist der Schlüssel unserer Gesundheit
Eine große Artenvielfalt im Boden fördert den Artenreichtum an Darmbakterien in unserem Körper. Durch unsere Ernährung und unseren Lebensstil können wir unsere Gesundheit maßgeblich beeinflussen. Demeter-zertifizierte Lebensmittel, wie die von La Vialla, gehören zu den nachhaltigsten, käuflichen Lebensmitteln. Sie verfügen über die strengsten Richtlinien – nicht nur für den Anbau, sondern auch für die Weiterverarbeitung. Obst und Gemüse mit Demeter-Siegel haben einen hohen Nährstoffgehalt, enthalten viele Antioxidantien und schmecken sehr aromatisch.
Eine Studie aus dem Jahr 2019 zeigte, dass die Artenvielfalt der Bakterien eines Bio-Apfels viel größer ist als die eines konventionellen. Interessant: Im Vergleich zum Jahr 1940 enthält ein moderner Apfel 30 Prozent weniger Nährstoffe und Spurenelemente. Dabei ist der Großteil der Bakterien nicht auf der Apfelschale zu finden, sondern im Fruchtfleisch und Kerngehäuse. Außerdem haben ökologische Lebensmittel eine bessere Klimabilanz und werden zu fairen Bedingungen hergestellt. Denn hinter allen Lebensmitteln stehen Menschen, die diese produzieren. Es ist längst an der Zeit, unsere Beziehung zu den Nahrungsmitteln, die auf unseren Teller kommen, zu überdenken.
Konsequent biologisch für eine bessere Zukunft
Die Familie Lo Franco ist in der Toskana tief verwurzelt. Seit 1978 gehört den Lo Francos das Land- und Weingut La Vialla. Piero und Giuliana Lo Franco kauften den Bauernhof als Symbol für ihre Heimat und renovierten ihn liebevoll. Sie retteten ihn nicht nur vor dem Verfall, sie bewirtschafteten ihn auch nach alter Tradition: biologisch, ohne Pestizide und Kunstdünger. „Die Grundidee war, im Einklang mit der Natur zu leben und zu arbeiten“, sagt die Familie. Was als Experiment begann, ist heute eines der Vorzeige-Unternehmen im Bereich regenerative Landwirtschaft.
„Unsere Grundidee war, im Einklang mit der Natur zu leben und zu arbeiten“
Gianni, Antonio und Bandino Lo Franco
Heute bestellt La Vialla 1.600 Hektar Land nach der biodynamischen Methode und produziert Wein, Olivenöl Extravergine, Pecorino, Antipasti, Soßen, Pasta, Backwaren, Honig und Essig. Vom Anbau bis zur Verpackung – alles bleibt in eigener Hand. Sämtliche Erzeugnisse werden direkt vor Ort verarbeitet und abgepackt. Zu kaufen gibt es die Produkte ausschließlich im eigenen Hofladen, in einem der drei La Vialla-Läden in Deutschland und über die Webseite. Selbst der Onlineversand ist nachhaltig gestaltet. Zwischenhändler gibt es nicht. Nur so können die Produkte in dieser Qualität zu fairen Preisen angeboten werden.
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Die drei Söhne Gianni, Antonio und Bandino, die heute das Unternehmen leiten, produzieren nicht nur Lebensmittel und Kosmetik auf Demeter-Niveau. Sie arbeiten daran, sich stetig zu verbessern. So haben sie es geschafft, klimapositiv zu wirtschaften. Seit 2009 ist der ökologische Fußabdruck (= der durchschnittliche Naturverbrauch) von La Vialla negativ. Der Betrieb nimmt sogar mehr Kohlenstoffdioxid (CO2) auf, als er abgibt. Vergessene Reb- und Getreidesorten wurden gerettet und die Wälder des Gebiets wiederhergestellt. Ferner investieren sie in Umweltschutz, Forschung und Entwicklung. Das zahlt sich aus: Für ihre Arbeit, ihr Engagement und die Qualität der Produkte wird das Unternehmen immer wieder ausgezeichnet.
Um anderen dieses wunderschöne Stück Erde näherzubringen, wurde das Anwesen um weitere Häuser und Land erweitert. Wer in einem der alten Steinhäuser auf dem riesigen Gelände Urlaub macht, den erwartet italienische Gastfreundschaft, gutes Essen und eine wunderschöne Natur. Beim Agritourismo geht es aber nicht nur darum, ganz klassisch Urlaub zu machen. Es ist der Familie Lo Franco auch wichtig, dass die Gäste sehen, wie ihre Produkte hergestellt werden, wie viel Zeit und Arbeit in einer Flasche Olivenöl und einem Glas Tomatensoße stecken.
Uns muss endlich klar werden, dass es einen Haken an Lebensmitteln zu Dumpingpreisen gibt: unzureichender Umwelt- und Klimaschutz, Ausbeutung der Arbeiter, mangelnde Qualität. Fest steht: Wenn wir weiter möglichst viel, möglichst schnell, möglichst billig konsumieren wollen, zahlen wir einen hohen Preis. Wenn wir überleben wollen, müssen wir etwas ändern: weniger kaufen, reparieren statt wegwerfen und auf nachhaltige Produkte setzen. Ganz wichtig: Unsere Landwirtschaft muss ökologisch werden – und unsere Ernährungsweise auch. Es ist höchste Zeit zu handeln – zum Wohl für uns und unsere Erde.
Wenn wir überleben wollen, müssen wir etwas ändern: Weniger kaufen, reparieren statt wegwerfen und auf nachhaltige Produkte setzen. Ganz wichtig: Unsere Landwirtschaft muss ökologisch werden – und unsere Ernährungsweise auch.