Geboren in Deutschland, aufgewachsen in der Türkei – mit dem brennenden Wunsch, irgendwann berühmt zu werden. Die Unternehmerin Ayse Auth(57)hat dies trotz vieler Schicksalsschläge geschafft – zielstrebig und eigenständig. Heute gilt Ayse mit mehreren angesagten Salons als DIE Blond-Expertin in der Beauty-Szene. Im HEYDAY-Interview erzählt sie ihre Lebensgeschichte, die stets vom Drang nach Freiheit und Unabhängigkeit geprägt war
HEYDAY: Liebe Ayse, wie würdest du dich selbst beschreiben?
Ayse Auth: Ich kann mich so beschreiben: Meine Wurzeln sind türkisch, gepaart mit dem fleißigen, disziplinierten, strukturierten Deutschen. Ich liebe die Freiheit, entscheide selbst über mein Leben und lasse mich von niemandem bevormunden.
Wie hast du diese Freiheit erlangt?
Das war eine Entwicklung. Ich habe mir das erarbeitet, mir meine Freiheit Stück für Stück erobert. Heute bin ich die einzige Person, die über mich entscheidet, und darüber bin ich sehr glücklich. Selbst wenn ich Fehler mache, weiß ich zumindest: Es war mein Fehler. Ich mache niemand anderen dafür verantwortlich. Das macht mein Leben klarer.
„Ich habe mir meine Freiheit Stück für Stück zurück erobert. Heute entscheide ich selbst über mein Leben und lasse mich von niemandem bevormunden“
Wie und wo bist du aufgewachsen?
Ich bin in Deutschland geboren, wurde allerdings schon als Baby zu meiner Großmutter in die Türkei geschickt. Dort bin ich auch aufgewachsen, in einem kleinen Lehmhaus mit einem schönen Garten. Ohne Fernseher, ohne Kreativität. Ich bin wirklich mit Unwissenheit und Aberglauben aufgewachsen. Es galt, was die Älteren und unsere Vorfahren gesagt haben. Wir haben ständig gebetet – etwa bevor wir morgens in die Schule gegangen sind, damit uns auf dem Weg nichts passiert. Wir haben gebetet, dass wir gesund bleiben. Unsere Großmutter hat uns in dem Glauben großgezogen, dass Gott uns nur liebt, wenn wir brav sind und beten, ansonsten würden wir in der Hölle schmoren. So verlief meine Kindheit.
Was bedeutet Religion heute für dich?
Ich bin muslimisch aufgewachsen. Aber für mich gibt es nur einen Gott, egal welche Religion. Ich glaube an Gott, an eine höhere Macht, an das Universum. Religiös bin ich insofern, als ich immer noch bete und Gott um Beistand bitte. Auch meinen Sohn habe ich anfangs religiös erzogen – er hat sich später selbst entschieden, welcher Religion er folgen möchte. Religion ist für mich ein Halt, eine Kraft. Sie bedeutet für mich auch, zu versuchen, ein guter Mensch zu sein. Ich finde, Religion ist eine Möglichkeit, Menschen einen guten Weg aufzuzeigen, sofern man nicht abdriftet und nicht nur für und von der Religion lebt. Auf jeden Fall bin ich auf meine Weise immer noch religiös.
Du hast gerade erwähnt, dass du deinen Sohn auch religiös erzogen hast. Hast du ihn muslimisch erzogen?
Nein, er ist in Deutschland geboren und sein Vater war katholisch. Dadurch ist mein Sohn tatsächlich katholisch aufgewachsen.
Religion ist für dich also unabhängig von Christentum, Judentum oder Islam?
Genau. Ich besuche grundsätzlich jeden Ritualplatz, wo man beten kann. An Weihnachten gehe ich in die Kirche, genauso besuche ich einen muslimischen Gottesdienst. Egal, wo auf der Welt ich gerade bin, besuche ich einen „Religionsort“, um zu beten. Das mache ich schon immer so. Aber neben Gott oder einer höheren Macht sollte man unbedingt auch an sich selbst glauben.
„Als Teenager wurde ich rebellisch, hatte Wutanfälle und habe sogar Möbel kaputt gemacht.”
Warum wurden du und deine Zwillingsschwester zur Großmutter in die Türkei gegeben?
Meine Großmutter, die Mutter meines Vaters, hatte große Macht – die ganze Familie war ihr untertan. Sie hatte sozusagen die Familienpräsidentschaft inne. Sie war 60 Jahre alt, als wir in die Türkei geschickt wurden. Meine Eltern haben beide gearbeitet und wir hatten noch sechs weitere Geschwister. Da wir Zwillinge waren und meine berufstätigen Eltern sich nicht so gut um uns kümmern konnten, hat meine Großmutter angeboten, uns zu ihr zu schicken. Ich denke, für sie war das auch so eine Art Zugang zur Familie. Sie wollte schon helfen. Aber dadurch hatte sie auch noch mehr Einfluss. Letztendlich weiß ich nicht sicher, warum sie sich dazu bereit erklärt hat. Auf jeden Fall ging die Initiative wohl von ihr aus. Von meinen Eltern getrennt zu werden, war für mich sehr tragisch, ich habe das schon als Baby gespürt. Zwar wird der Hunger gestillt, man wird gewickelt – es gab aber nicht so viel Nähe und Liebe. Meine Großmutter hat damals alles entschieden, sogar unsere Namen wurden geändert, weil sie unsere bisherigen Namen nicht akzeptierte.
Ab wann und wie hast du begonnen dich zu wehren?
Ich hatte einen großen Wunsch: Ich habe aus unserem kleinen Fenster geschaut und mir war immer klar, dass ich wegwollte. Ich betete immer dafür, da raus zu kommen. Mit 13 hörte ich auf zu essen – um damit unbewusst zu demonstrieren, dass ich dort nicht leben wollte. Zum einen wollte ich zu meiner Familie – aber auch in die große, weite Welt. Ich wurde immer rebellischer und habe meinen Weg durchgezogen, hatte Wutanfälle, habe Möbel kaputt gemacht. Ich habe getan, was ich als Teenager tun konnte, um mich auszudrücken.
Wie hat das deine Familie aufgenommen, wie ist sie mit deinem Aufbegehren umgegangen?
Meine Eltern waren ja in Deutschland und wir konnten nicht mal telefonieren, weil wir kein Telefon hatten. Wir konnten nur Briefe schreiben. Eines Tages kamen meine Eltern, wie jedes Jahr, zu ihrem vierwöchigen Urlaub. Da haben sie dann gesehen, dass alle Möbel zerschlagen waren und meine Großmutter hat sich bitter beklagt, dass ich einfach nicht mehr höre. Also haben meine Eltern beschlossen mich mit nach Deutschland zu nehmen – zumal ich auch damit gedroht hatte, ansonsten abzuhauen. Sie haben mich also mitgenommen, meine Schwester ist noch ein Jahr länger geblieben. Sie wollte nicht weg.
Hat deine Schwester diese Einschränkung denn nicht so stark empfunden wie du?
Nein, sie und meine Großmutter waren quasi symbiotisch. Meine Schwester hat Liebe und Zuneigung von meiner Großmutter bekommen. Ich dagegen habe keine Nähe zugelassen, habe sehr unter der Situation gelitten. Ich wollte meine Großmutter nicht. Sie war nicht meine Mutter, sie war nicht meine Familie.
Wie hat deine Schwester damals darauf reagiert, dass du dich so anders als sie entwickelt hast?
Sie hatte Angst um mich. Sie hat mich immer gewarnt: „Wenn sie dich erwischen kriegst du Ärger, hör auf damit“. Aber ich habe mir nichts sagen lassen, ich war zu rebellisch. Ich versuchte zwar immer, sie mit anzustiften, aber sie hatte Angst. Sie war die Angepasste, die Liebe.
Ihr seid eineiige Zwillinge und trotzdem so unterschiedlich?
Das hat sich so entwickelt, da ist unsere Großmutter natürlich auch mit schuld. Sie hat mich emotional verhungern lassen. Meine Schwester und unsere Großmutter brauchten einander. Ich war immer die Einzelgängerin und bin das auch heute noch, ich mache mein Ding. Mir reicht das heute auch, wenn ich meine Familie ein-, zweimal im Jahr sehe.
Du bist schließlich mit 16 nach Deutschland gekommen. Wie war das damals für dich?
Erst war natürlich alles sehr fremd für mich. Ich dachte: Die Deutschländer sind so anders, die sortieren sogar ihr Essen auf dem Teller, alles ist so strukturiert. Es herrscht ständig schlechtes Wetter und alle laufen so schnell zur Arbeit, stehen ganz früh auf. Es gab keine Esel auf der Straße, keine Hühnergeräusche.
Damals lebten wir in Eberstadt, einer Kleinstadt. Aber für mich war das schon eine richtig große Stadt. Alle meine Freunde habe ich damals in der Straßenbahn auf dem Weg zur Schule kennengelernt. Das waren alles Deutsche. Meine Familie war in der türkischen Community. Ich war die einzige, die nur mit Deutschen zusammen war. Von ihnen habe ich viel Struktur und Disziplin gelernt.
Nach der Hauptschule habe ich die Friseurlehre angefangen. Eigentlich wollte ich weiter auf die Schule gehen und später studieren. Meine Eltern haben das nicht erlaubt. Ich sollte einen „Mädchenberuf“ erlernen. Aber ich wusste immer, ich gehe meinen eigenen Weg. Mein Vater hat uns streng erzogen, fast wie beim Militär. Aber aus uns allen ist was geworden, wir sind alle selbstständig. Mein Vater und ich hatten, trotz allem, eine enge Beziehung. Möglicherweise hat er mich akzeptiert, weil er eigentlich auch so leben wollte, es aber nicht konnte. Vielleicht habe ich das gelebt, was ihm nicht möglich war. Deswegen hat er mir wohl immer wieder verziehen. Ich glaube, er stand enorm unter Druck.
„Neben Gott oder einer höheren Macht sollte man unbedingt auch an sich selbst glauben“
Dein Vater wollte dich zwangsverheiraten. Wie bist du da rausgekommen?
Da hatte ich auch wieder Glück. Ich hatte überhaupt viel Glück im Leben, bzw. Glück im Unglück. Ich lernte damals einen Mann kennen und bin mit ihm abgehauen. Mein Vater hat rausgefunden, wo ich bin und mich wieder mit nach Hause genommen. Es war mir allerdings klar, dass ich heiraten muss, weil ich sonst von meinem Vater verheiratet werden würde. Er hatte mich sogar schon unter einem Vorwand mit in die Türkei genommen, um mich dort mit einem Mann zu verheiraten, den ich nicht mal kannte. Einfach, damit er seine Ruhe hat.
Als ich das mitbekam, rief ich einen Verehrer von mir an und schilderte ihm die Situation. Dieser Freund war glücklicherweise auch Türke. Ich war zwar nicht richtig verliebt. Aber ich wusste, er ist der Einzige, der mich da herausholen kann. Also hat er bei meinem Vater um meine Hand angehalten. Das war zwar auch ein bisschen wie eine Zwangsehe, weil ich ihn ja eigentlich nicht wirklich heiraten wollte. Aber es war die einzige Möglichkeit, wieder nach Deutschland zu kommen.
Für meine Familie war das auch in Ordnung. Ich war dann in Stuttgart, mit einem Mann, den ich nicht besonders liebte – aber ich wollte die beste Ehefrau sein. So bin ich einfach. Wenn ich etwas mache, dann richtig, so ist es in meinem Job, so ist es mit allem. Ich versuchte wirklich, meinen Mann glücklich zu machen, ich gab mein Bestes und war überzeugt: Irgendwann werde ich ihn schon lieben. Ich war damals 19 Jahre alt. Aber es hat nicht funktioniert und ich habe ihn schließlich verlassen.
War dir in dem Moment egal, dass deine Familie wahrscheinlich verärgert sein wird?
Egal sicher nicht. Aber in dem Moment konnte ich nicht anders. Meine Familie hatte mit meinem Leben nicht mehr viel zu tun, sie waren nicht einmal zu meiner Hochzeit gekommen. Ich hätte es mir anders gewünscht – aber es war eben so. Deshalb habe ich sie auch nicht gefragt, als ich meinen Mann verlassen habe, bzw. ich rief einmal meinen Vater an und sagte ihm, dass ich das tun werde. Daraufhin meinte er, ich könne jederzeit mit meinem Kind zu ihnen kommen. Das wollte ich aber nicht, ich wollte eine eigene Wohnung, ein eigenes Leben.
Das heißt, du konntest dich mit deiner Familie versöhnen?
Ja. Ich besuche meine Mutter dreimal im Jahr in der Türkei. Ich verzeihe ihr. Sie musste damals auf meine Großmutter und auf meinen Vater hören. Dennoch haben wir keine sehr enge Bindung. Ich würde sagen, ich begegne ihr mit liebevollem Respekt. Aber ich vermisse sie nicht mehr. Ich habe sie meine ganze Kindheit über vermisst. Heute will ich niemanden mehr vermissen, ich will mein Leben leben. Mit meinem Vater habe ich mich versöhnt, als er noch lebte. Ich hatte die Gelegenheit, ihm so richtig meine Meinung zu sagen. Ja, wir haben viel geweint, aber ich musste einmal mein Leid rausschreien.
Du würdest auch nicht mehr in die Türkei zurückwollen, wie ein Teil deiner Geschwister?
Nein, schon wegen der Politik nicht. Und ich bin Deutsche, ich lebe gerne hier. Aber grundsätzlich könnte ich überall leben, ich bin da ein Chamäleon. Ich kann mich anpassen, wo es mir gefällt.
Was schätzt du an Deutschland?
Ich liebe Deutschland. Es gibt so viele Möglichkeiten, die man nutzen kann und sollte. Deutschland gibt mir Freiheit, ich kann hier Dinge tun, wie ich es möchte. Ich habe hier die Chance, Erfolg zu haben. Deutschland gibt mir Ruhe und Sicherheit.
Was an dir ist heute noch ausgesprochen türkisch? Wie lebst du deine türkischen Wurzeln aus?
Meine türkischen Wurzeln lebe ich aus, wenn ich meine Familie treffe, wenn ich Urlaub in der Türkei mache, wenn ich türkisch koche oder türkische Musik höre. Aber um mich herum sind immer Deutsche, ich bin deutsche Staatsbürgerin, vielleicht bin ich sogar deutscher als ich denke.
Aber wenn ich in der Türkei bin, in einer Taverne oder wenn ich altmodische türkische Musik höre, dann führt mich das zurück in meine Kindheit. Die heutige Türkei ist auch längst nicht mehr das Land, das ich damals verlassen habe – sie ist inzwischen so modern, es geht mir dort gut. Die Städte, in denen ich mich am wohlsten fühle, sind New York, Berlin und Istanbul.
„Meine türkischen Wurzeln lebe ich aus, wenn ich meine Familie treffe, wenn ich Urlaub in der Türkei mache, wenn ich türkisch koche oder türkische Musik höre“
Würdest du sagen, dass gerade deine schwierige Vergangenheit wichtig war, um das zu sein, was du heute bist?
Absolut. Alles, was ich durchlebt habe, war für meine Entwicklung wichtig – die Krebserkrankung, der Verlust meines Sohnes, die Schwierigkeiten mit meiner Familie und im Beruf. Ich glaube, sowas verkraftet nicht jede:r. Aber ich hatte die feste Überzeugung, dass ich es schaffe! Ich war nie melancholisch, ich war stark – egal wie hart der Weg war. Das alles hat mich zu dem gemacht, was ich heute bin. Ich denke, alle starken Menschen haben irgendetwas durchlebt, irgendeinen Schicksalsschlag. Wenn man das übersteht, wird man stärker und selbstbewusster.
Wie hast du es immer wieder geschafft, dich aufzuraffen, weiterzumachen? Du hast es ja gerade erwähnt, du hattest schwere Schicksalsschläge zu verkraften…
Ich bin glücklicherweise ein Mensch mit sehr viel Energie, das hat mich immer wieder aus meinem Loch rausgeholt. Ich habe mich immer wieder selbst rausgezogen, konnte mich immer irgendwie trösten. Als mein Kind starb, habe ich mich damit getröstet, dass ich ja noch eines habe – es waren ja Zwillinge. Ich redete mir selbst immer gut zu, überzeugte mich davon, dass alles seinen Sinn hat.
Dann, nach meiner Krebsdiagnose, habe ich mir gedacht, das käme vermutlich durch den Schock über mein verstorbenes Kind. Denn der Krebs hat quasi sofort nach seinem Tod angefangen, zu wachsen. Ich war damals wie gelähmt, ich konnte nichts mehr – nicht mal weinen, gar nichts. Der Krebs wurde schließlich operiert, da war ich 23. Es war natürlich nicht klar, ob er wieder kommt. Aber ich dachte: Ich muss mich um meinen Sohn kümmern. Ich kann jetzt nicht sterben. Ich habe sozusagen logisch gedacht, und ließ mich nicht von meinen Gefühlen auffressen. So hatte ich die Kraft, weiterzumachen. Ich wollte für meinen Sohn da sein. Er ist heute 34 und führt das Geschäft in Berlin. Ich hatte immer Ziele, ich habe immer was gemacht, für mich oder für andere.
„Was ich durchlebt habe, die Krebserkrankung, den Verlust meines Sohnes, die Schwierigkeiten mit meiner Familie und im Beruf – ich glaube, sowas verkraftet nicht jede:r. Aber ich hatte die feste Überzeugung, dass ich es schaffe!“
Freiheit schmeckt wie Tränen und Champagner. Mein wunderbares Leben gegen den Strom – so heißt dein Buch, mit dem du quasi dein Leben verarbeitet hast…
Ja, das war vor 15 Jahren. Ich kam nach München, alleine. Der Plan war eigentlich, dort etwas gemeinsam mit meiner Schwester zu machen. Aber sie wollte nicht nach München. Also stand ich wieder alleine da. Ich habe in den Spiegel geschaut und mir gesagt: „Ayse, du wolltest hierher, also mach was draus. Das ist jetzt deine Challenge!“
Es hat ja dann auch geklappt, das HaarWerk ist eine der Topadressen in München. Eine meiner damaligen Münchner Kundinnen war Redakteurin und sie fand meine Geschichte, mein Leben, so interessant, dass sie meinte, daraus müsse man ein Buch machen – und hat die Idee einem Verlag vorgeschlagen. Ich habe damals nicht wirklich daran geglaubt. Dann kam der Verlag tatsächlich auf mich zu. Sie wollten ein Mut-mach-Buch daraus machen, für alle Frauen, die sich in schwierigen Situationen befinden – um zu zeigen, dass es immer einen Weg gibt!
Aber ich habe dann schnell gemerkt, wie schwierig es ist, einen Laden aufzubauen und gleichzeitig meine Geschichte zu schreiben. Es hat ein Jahr gedauert, das war wie eine Diplomarbeit – mein Leben als Diplomarbeit. Das war hart, aber ich konnte nicht mehr zurück – hatte ja schon unterschrieben. Heute muss ich sagen, ich würde es nochmal machen. Ich habe auch schon wieder angefangen zu schreiben. Nur dieses Mal lasse ich mir viel Zeit, auch wenn das Buch dann erst in 15 Jahren erscheint (lacht). Bei meinem Buch war mir der Titel sehr wichtig und ich empfehle es allen Frauen, egal ob Türkin, Deutsche, oder was auch immer, die sich in einer vermeintlich ausweglosen Situation befinden. Dieses Buch sagt „gib nicht auf, lebe dein Leben, du bist für dich verantwortlich, lass dich nicht von anderen treiben, geh deinen Weg”. Das ist nicht immer einfach.
Deshalb heißt das Buch Freiheit schmeckt nach Tränen und Champagner – du musst auch die Tränen akzeptieren, wenn du alleine auf dich gestellt bist. Viele haben Angst davor, alleine zu sein, nehmen lieber in Kauf, dass sie delegiert werden, weil das oft einfacher ist. Aber wenn du es geschafft hast, schmeckt es am Ende nach Champagner.
„Dieses Buch sagt: Gib’ nicht auf, lebe dein Leben, du bist für dich verantwortlich, lass dich nicht von anderen treiben, geh’ deinen Weg“
„Mein Buch heißt ’Freiheit schmeckt nach Tränen und Champagner’ – weil du auch die Tränen akzeptieren musst, wenn du alleine auf dich gestellt bist. Viele haben Angst davor, alleine zu sein. Aber wenn du es geschafft hast, schmeckt es nach Champagner“
Wie und wann hast du mit deinen eigenen Salons angefangen, wann bist du selbstständig geworden?
Vor 26 Jahren habe ich mit meiner Zwillingsschwester einen Salon in Frankfurt eröffnet – wir waren sehr erfolgreich. Aber ich bin so ein Typ Mensch: Ich schneide nicht einfach nur Haare. Ich wollte bekannt sein, ich wollte, dass die Leute mich sehen. Ich wollte Anerkennung. Ich hatte immer den Drang, berühmt zu werden (lacht). Ich habe zu meiner Schwester gesagt: „Wir werden die besten sein“. Sie war immer zögerlich und hat nicht so richtig daran geglaubt – schon alleine, weil wir Türkinnen sind. Ich war allerdings ziemlich selbstbewusst, vielleicht auch durch meine Krankheit, durch meine ganzen Erlebnisse.
Schließlich fand ein Wettbewerb von L’Oréal statt – mit 2000 Teilnehmern aus namhaften Salons. Wir waren damals noch absolute Anfängerinnen, hatten ja gerade erst unseren Laden eröffnet. Aber ich habe zu meiner Schwester gesagt: „Wir nehmen da jetzt teil und wir gewinnen das“. Damit habe ich uns sehr unter Druck gesetzt. Man konnte 60.000 DM für Marketing gewinnen und wir hatten ja kein Geld. Also mussten wir gewinnen. Das war unser Durchbruch. Es gab fünf Preise und wir haben sie alle gewonnen. Nach so einem Erlebnis hält dich keiner mehr auf! Wir hatten danach eine riesige Energie, wir haben das Unmögliche möglich gemacht – am Ende waren wir deutschlandweit bekannt. Das war toll, bis zu einem gewissen Punkt.
Nach zehn Jahren musste ich dann wieder neue Wege gehen – mir war langweilig geworden. Ich musste diesen Kick wieder spüren, ich wollte wieder bei etwas Neuem erfolgreich sein. So kam ich nach München. Ich eröffnete einen 360 Quadratmeter großen Laden mit drei Angestellten. Ich hatte kein Geld für Marketing Der Laden hatte mein komplettes Kapital geschluckt. Ich saß dann wirklich im Büro und habe gebetet und visualisiert, dass der Laden läuft. Wir hatten damals nichts: kein Internet, kein Facebook, kein Instagram – alles lief nur über Mundpropaganda. Ich machte die Bekanntschaft mit Redakteur:innen, die mich in die Medien brachten, habe Einladungen wahrgenommen und viele Menschen kennengelernt, durfte mit den besten Leuten zusammenarbeiten. Schließlich war ich die Nummer eins! Das war sozusagen mein zweiter Kick, dass ich es in München geschafft habe. Und es war nicht ganz einfach, dabei noch ich selbst zu bleiben, nicht abzuheben.
Heute hast du Salons in Frankfurt, München und in Berlin?
In Frankfurt bin ich raus, das macht nur noch meine Schwester. Nach zehn Jahren München, nachdem ich alles geschafft habe, ging es dann wieder los: Mir wurde wieder langweilig und ich wollte ja immer meinen Traum verwirklichen. Der war Berlin. Inzwischen pendle ich zwischen München und Berlin.
Demnächst mache ich noch einen weiteren Laden in München auf, allerdings mit einem anderen Konzept. Geplant ist eine Blow-Dry-Bar, in der sich alles um Hairbeauty und Hairwellness dreht. Standort wird das Kaufhaus Oberpollinger, in dem Frauen einkaufen gehen, sich aber zusätzlich etwas Gutes gönnen können. Dort sollen sich die Frauen fallen lassen können und sich ein bisschen Luxus gönnen: Haarwäsche, Massagen, Smoothies trinken, Health Food essen, sich einfach mal pflegen lassen. Und wenn es unbedingt sein muss, gibt’s auch einen Haircut – nur Kolorationen werden nicht angeboten. Die Eröffnung ist für April 2022 angesetzt.
Wie ist es eigentlich dazu gekommen, dass du Blond-Expertin geworden bist? Wie war dein Werdegang?
Als wir den Wettbewerb von L’Oréal gewonnen hatten, hatte ich mein Modell so gefärbt, wie für mich ein Blond aussehen muss. Damit habe ich dann ja auch einen Preis gewonnen. Ab dem Punkt war für mich Blondieren die Königsdisziplin. Das kann nicht jeder machen. Die Haare dürfen nicht kaputtgehen, sie dürfen nicht abbrechen. Das Geheimnis: Wir machen genau das Blond, das zu dir passt. Egal welche Ausgangsfarbe du hast, es muss zu dir passen, zu deinem Teint, deiner Augenfarbe. Deswegen habe ich mich da total rein vertieft, um wirklich Blond-Expertin zu werden. Wir verwenden andere Techniken, haben andere Einwirkzeiten, und ich bilde meine Blond-Experten selbst aus.
„Wann immer ich das Bild einer blonden Frau sah, fand ich sie außerirdisch schön, elegant und besonders – und ich wollte auch so sein“
Glaubst du, dass du dich mit deiner Vorliebe für Blond möglicherweise auch abgrenzen wolltest?
Damals war es auf jeden Fall der Wunsch nach Abgrenzung. Aber ich fand Blond auch einfach toll. Von Natur aus bin ich dunkelhaarig. Aber die Verwandtschaft der mütterlichen Seite ist tatsächlich eher blond. In der Schule habe ich die blonden Mädchen immer bewundert, sie wirkten so zart und sensibel, das fand ich toll. Wann immer ich das Bild einer blonden Frau sah, fand ich sie außerirdisch schön, elegant und besonders – und ich wollte auch so sein.
Ich wollte einfach immer anders sein, ich bin ein Freak. Meine Großmutter hätte mich natürlich nie zum Friseur gebracht, um mich blondieren zu lassen. Daher habe ich selber sehr viel experimentiert. Ich schmierte Zitronen auf meine Haare geschmiert, in der Hoffnung, dass zumindest die Spitzen blond werden. Ich war immer speziell, ich wollte nicht normal sein, nie einfach so sein wie die Nachbarskinder.
Inzwischen hast du sogar eigene, ganz spezielle Blond-Produkte entwickelt. Wie bist du dabei vorgegangen?
Ich war schon immer eine Entwicklerin, habe stets neue Sachen ausprobiert – zu Anfang mit natürlichen Mitteln. Damals hatte ich keinen Zugriff auf chemische Wirkstoffe. Für mich war es wichtig, ein Produkt zu entwickeln, das vom Blondieren bereits sehr angegriffene Haare nicht noch zusätzlich strapaziert. Außerdem sollte das Produkt die Haare aufhellen, ohne dabei tatsächlich zu färben, und bei gefärbtem Haar dafür sorgen, dass das Blond länger hält.
Es war mir wichtig, an der Entwicklung beteiligt zu sein, und nicht nur meinen Namen für ein Produkt herzugeben. Schließlich habe ich einen Familienbetrieb in Italien gefunden, der auch für Apotheken arbeitet. Wir haben dann alles, was das Haar zum Aufbau und zur Reparatur braucht – Zitronenöle, Arganöl, Kokosöl, Milchproteine – gemeinsam entwickelt. Es hat vier Jahre gedauert, bis das perfekte Produkt fertig war.
Es ist uns gelungen, diverse wirksame Pflegeprodukte zu entwickeln – darunter das erste Shampoo, das die Haare aufhellt ohne zu färben. Das funktioniert sogar bei brünetten Haaren – sie sehen dann aus, wie von der Sonne geküsst, mit einem Touch Coolness und Frische. Bei blondiertem Haar mit Ansatz schafft das Shampoo einen sanften Übergang, sodass der dunkle Ansatz nicht mehr störend auffällt. Überdies pflegt das Shampoo die Haare optimal, das Haar bekommt Volumen und Kraft und man muss nicht so oft zum Friseur. So haben meine Kundinnen auch die Lockdown-Zeit gut überstanden.
„Wir machen genau das Blond, das zu dir passt. Egal welche Ausgangsfarbe du hast, es muss zu dir passen, zu deinem Teint, deiner Augenfarbe“
Ayse Auth über das perfekte Blond
Zum Abschluss, liebe Ayse: Was würdest du Frauen raten, die sich in einer ähnlich schwierigen Situation befinden, wie du früher?
Das ist eine sehr schöne Frage. Ich will niemanden bevormunden – aber um es knallhart zu sagen: Hör auf zu heulen und nimm dein eigenes Leben in die Hand, glaube an dich selbst. Selbstmitleid, anderen die Schuld geben – das funktioniert nicht. Andere sind niemals schuld an deinem Unglück. Deswegen sage ich: Werde nicht zum Opfer von anderen, von Narzissten, von Familiendruck, was auch immer – sei du selbst! Problemlösend agieren und nicht zu dramatisch sein, Dramatik löst kein Problem. Sei du selbst, sei fleißig, hilf anderen, denke positiv! Triff Freunde, die dich unterstützen, mach Sport, begib dich auf deinen Weg…
„Selbstmitleid, anderen die Schuld geben – das funktioniert nicht. Werde nicht Opfer von anderen, von Narzissten, von Familiendruck – nimm dein eigenes Leben in die Hand, glaube an dich und sei du selbst!“
Über Ayse Auth
Ayse Auth, geboren in Deutschland, aufgewachsen in der Türkei, ist Gründerin der exklusiven Salon-Kette HaarWerk in München und Berlin. Begonnen hat Ayses Karriere in Frankfurt, wo sie gemeinsam mit ihrer Zwillingsschwester den ersten Salon eröffnete. Damals gewannen die erfolgreichen Schwestern sogar den begehrten „Friseur-Oscar“ der L’Oréal Colour Trophy. Aber Ayse ruht sich niemals auf bereits Erreichtem aus, sie geht immer weiter und steht nie still. Nach ihrer eigenen Haarpflege Authentic Blonde eröffnet sie einen Blow Dry Salon im Oberpollinger in München.