Ruhestand? Ein Fremdwort für Eva Schaefers (70). Die ehemalige Designerin, Stewardess und Zahnärztin schrieb unlängst ein motivierendes Buch über das Älterwerden, und widmet sich im Blog Dental Food ihren Leidenschaften – Essen, Kochen und Reisen. HEYDAY sprach mit der umtriebigen Autorin
Cooler Style: Eva Schaefers hat auch ein Händchen für Mode
HEYDAY: Frau Schaefers, zwischen welchen Projekten und Tätigkeiten erwische ich Sie denn gerade?
Eva Schaefers: Haha, natürlich erwischen Sie mich beim E-Mail-Checken am Rechner – zack, ertappt! Es gehört genauso zu meinen täglichen Ritualen wie Zähneputzen, Weltnachrichten lesen, Social-Media-News und sonstige Kanäle durchforsten. Nur wer gut und umfangreich informiert ist, kann diesen schnelllebigen Zeitgeist erfassen.
Dauerstress trotz Corona? Wie kommen Sie durch die Krise?
Von Dauerstress während der Pandemie ist bei mir nicht die Rede. Ich habe einen großen Sack voll fantastischer Erinnerungen von denen ich zehren kann. Als Medizinerin kann ich halbwegs einschätzen, dass es sich im weitesten Sinne nur um eine Übergangssituation handelt. Hier hilft nur Geduld und Zuversicht. Etwas Reflexion über Dankbarkeit und Demut kann uns allen nicht schaden. Der Trend zu immer mehr, immer größer, immer teurer und die daraus entstandene Hastigkeit war definitiv nicht zielführend für das Weltgeschehen und die damit verbundenen ökologischen und politischen Problematiken.
Was ist Ihr spezieller Pandemie-Tipp für die Ü60-Frau?
Gerade für die reifere Generation ist es extrem wichtig, sich den neuen Medienplattformen zu öffnen. An Zoom-Meetings und Videochats sollte man unbedingt teilnehmen oder sie sogar selbst initiieren. Das Telefonat hat auch eine neue Wertigkeit, da wir ja mehr Zeit haben. Und AHA-konforme Treffen im zugelassenen Kreis sind auch möglich. Flexibles Umdenken ist nötig. Neue Ufer, im Sinne von neuen Aufgabegebieten zu suchen, ist immer eine Überlegung wert. Hier heißt es flexibel zu sein. Und … unsere alten Seilschaften sollten nicht vernachlässigt werden. Jammern, sich deprimiert abkapseln und einschließen ist in diesen Zeiten keine Option. Dabei ist es keine Schande sich Hilfe zu suchen. Wir sind ja mit den neuen Medien nicht aufgewachsen. Wir sollten es aber unbedingt lernen mit ihnen umzugehen.
Sie verleihen dem Mythos vom Unruhezustand im Seniorenalter geradezu eine neue Dimension. Mit Blick auf Ihr Buch: Warum hat eine Frau über 60 heute gar keine Zeit alt zu werden?
Frauen müssen weg vom Kittelschürze-und-Dauerwelle-Denken. Sich hinter dem Oma-Dasein zu verkriechen und dies neben den Hausfrauen- und Ehefraupflichten zum einzigen Lebensinhalt zu machen, ist ein falscher Denkansatz. Aus dem Wer-bin-ich und Was-kann-ich lassen sich doch großartige Projekte entwickeln. Aus der einstigen Arbeits-Zeit wird Kreativ-Zeit. Man muss sich nur öffnen und weiterentwickeln. Zum Thema Gesundheit gehört nicht nur die körperliche, sondern auch sie geistige Gesundheit. Gesunde Ernährung, positive Gedanken und viel Bewegung an der frischen Luft sind essentiell. Das bewahrt uns vor Krankheiten.
Welchen Chancen eröffnen sich im Alter für die Frau von heute?
Abgesehen von den Corona-bedingten Beschränkungen, in denen es zugegebenermaßen schwierig ist neue Kontakte zu knüpfen, sollte doch der persönliche Fokus auf die Zukunft ausgerichtet sein. Einschlägige Agenturen sind immer auf der Suche nach neuen Gesichtern. Und wer die Öffentlichkeit scheut, kann sein Wissen in Tutorials über Handarbeiten, Kochen, Garteln oder Ähnlichem festhalten und weitergeben. Es findet sich innerhalb der Familie und dem Freundeskreis immer jemand, der einem weiterhelfen kann. Man muss nur fragen. Es sind doch gerade unsere Erfahrungen, die der jüngeren Generationen nützlich sein können.
Eva Schaefers hat viele Interessen und ist stets umtriebig, selbstbewusst und lebensfroh
„Oftmals werde ich gefragt welche Droge es sei, die mich so sein und aussehen lässt wie ich bin: Ich nehme keinerlei Medikamente, bin viel an der frischen Luft und hadere nicht mit meinen äußerlichen Makeln.”
Wie gelangt man zur Balance, wie findet man die eigene Mitte?
Die wirkliche Balance liegt in der eigenen Authentizität. Was macht mich einzigartig, was ist mein Alleinstellungsmerkmal? Ich bin wer ich bin, nicht mehr und nicht weniger. Modediktate und überhaupt Superlative sind mir ein Greul. Mittelmaß zu haben ohne mittelmäßig zu sein lautet meine Devise. Auch ich brauchte eine Weile um mich zu finden. Nach dem Abitur habe ich Grafikdesign studiert. Danach war ich drei Jahre lang als Stewardess weltweit unterwegs. Mit 27 begann ich mein Zahnmedizinstudium, das ich schließlich mit einer Promotion gekrönt habe. Heirat, zwei Kinder und zwei Enkel kommen auch noch hinzu. Getragen werde ich vom Humanistischen Gedanken und der Freude an Kleinigkeiten. Ich brauche kein Yoga und keine Spiritualität oder Esoterik. Ich benötige keinen schnöden Mammon oder prächtige Statussymbole, ich brauche meine erwachsenen Kinder als unbequeme und scharfe Kritiker an meiner Seite, genügend Auslauf, gutes Essen, die Natur und frische Luft.
„Die Worte Neid und Missgunst sind mir fremd. Mein Glück ist mein Glück! Think positive!”
Sie nennen auch das Bilden von Netzwerken als wichtiges Vehikel im Alter – wie meinen Sie das genau? Gerade letzteres soll Frauen ja angeblich eher schwer fallen.
Da entdecke ich einen schwerwiegenden verbreiteten Denkfehler. Neue Netzwerke im Alter zu schaffen ist kompliziert. Das sollte man während des Arbeitslebens bereits erledigt haben oder zumindest die Grundlagen dafür geschaffen haben, auf denen man aufbauen kann. Ich habe mein Buch bereits an die 50plus Generation adressiert. Das ist übrigens kein ausschließliches Frauenproblem. Die introvertierte Männerschaft ist davon genauso betroffen. Wichtig ist doch zu Zuversicht. Freundschaften müssen gepflegt werden und von falschen Freunden sollte man sich trennen. Wir brauchen Antrieb und keine Blockaden.
Sie sind auch Zahnärztin – was sollten die Mädels 60+ für Zahngesundheit und dentale Optik auf jeden Fall beherzigen?
Gute Frage! Zweimal täglich Zähne putzen und zweimal jährlich zum Zahnarzt gehen ist obligatorisch, ein Leben lang. Die professionelle Zahnreinigung macht nicht nur die Zähne sauber, sondern schützt auch vor Mundkrankheiten wie Parodontitis oder pathologischen Milieuverschiebungen. Und übrigens: Bei korrektiven Maßnahmen sollte man dem Kollegen ein Jugendfoto von seinen Zähnen vorlegen. Nichts wirkt unnatürlicher als eine überkorrekte Zahnreihe in Kühlschrank- oder Kloschüsselweiß, so wie es US-Amerika praktiziert.
Neben Ihrem eigenen Buch – welche Lektüre empfehlen Sie der Power-Seniorin 2021?
Danke für die Power-Seniorin. Neudeutsch sagt man dazu #youmademyday. Damit haben Sie mir sozusagen meinen Tag verschönert. Diese Frage lässt sich allerdings so nicht beantworten. Ich habe einen Lieblingsautor, Martin Suter. Zweimal habe ich ihn getroffen und interviewen dürfen. Seine subtile Art und seine umfangreiche Recherchearbeit haben mir sehr imponiert. Meine Literaturvorliebe beschränkt sich ansonsten auf gute Unterhaltung und witzige und positive Inspiration. Sehr gerne lese ich selbsterklärende Blogs über Kochen und Reisen, zumal ich seit zwölf Jahren selbst Food- & Travel-Bloggerin bin.
Das Buch Keine Zeit zum Älterwerden kann man über Hugendubel HIER bestellen.
Was ist Ihr Highlight-Projekt 2021?
Es gibt ja keine dummen Fragen, es gibt nur dumme Antworten. Insofern habe ich kein spezielles Highlight auf meiner Agenda 2021. Es befinden sich diverse Corona-bedingt verschobene Journalistenreisen auf meinem Plan, auf die ich mich sehr freue. Ich hoffe auf baldige Impfung. Ich will nichts mehr hören und sehen von Corona-Leugnern und Querdenkern. Ich glaube nichts, was ich nicht selbst hinterfragt habe.
Derzeit widme ich mich einigen Kleinunternehmen in der Food- und Gastroszene im Sinne von #supportyourlocals. Eigene Genussreisen in kleinen Gruppen zu organisieren steht ebenso auf meiner Timeline, wie spezielle Wanderreisen in kleinen Gruppen für reifere Frauen zur inneren Einkehr mit Personality-Coaching und Ernährungs-Beratung. Sehr viel Spaß bereitet mir die redaktionelle Tätigkeit in einen Berliner Onlinezeitung. Und ich hoffe als ehemalige Berliner Jahrgangsmeisterin im Schwimmen auf baldige Wiedereröffnung meiner Trainingsschwimmhalle.
Über Eva Schaefers
Der Werdegang der gebürtigen Berlinerin ist vielseitig. In den Siebzigern studierte sie an der renommierten Hochschule der Künste Berlin (HDK) Grafikdesign. Nach mehrjährigem Ausflug als Stewardess für die Saudi Arabian Airline begann sie ein Studium der Zahnheilkunde. Nach dem Examen folgte die Promotion und sie ließ sich für fast 30 Jahre als Zahnärztin in Berlin-Steglitz nieder. Neben zahlreichen Aktivitäten, so zum Beispiel der Teilnahme an diversen TV-Formaten wie Das perfekte Dinner, Unter Volldampf, Küchenschlacht oder Kochduell, arbeitete sie als ehrenamtliche Richterin am Sozialgericht in Berlin, veröffentlichte Bücher und schreibt bis heute als freie Journalistin für verschiedene Onlineformate.