„Alterswahn statt Jugendwahn“ – eine Gastkolumne von Margit Rüdiger

Auf Culture And Cream, dem vielseitigen Blog der Journalistin Margit Rüdiger, hat HEYDAY einen Beitrag entdeckt, über dessen Kern-Aussage unsere Community ganz sicher trefflich diskutieren kann. Es geht dabei um den Medien-Hype rund um ältere Frauen. Den haben wir alle uns zwar jahrzehntelang gewünscht – aber ganz ehrlich: Werden dabei die negativen Folgen des Älterwerdens nicht komplett unter den Teppich gekehrt? – Was Margit davon hält, und warum sie der „New Beauty“-Wirbel so nervt, erfahrt ihr hier…

Fotos: HEYDAY Creative Studio, Culture And Cream, Felix Lemke/Unsplash

Eine HEYDAY-Gastkolumne von Journalistin Margit Rüdiger
Auf ihrem Blog Culture And Cream hat Margit tolle Tipps in Sachen Beauty und Reisen parat und schreibt unter anderem sehr anregend über Kultur, Gesellschaft, den Arbeitsalltag und die Innovationen unserer Zeit

Alt werden wir alle, dagegen ist kein Kraut und auch noch kein Nahrungsergänzungsmittel gewachsen, obwohl uns jede Menge Start-ups das glauben machen wollen. Aber meiner Meinung nach ist weder Alter noch Jugend ein Verdienst. Es ist der Lebenszyklus, den uns Gott, das Universum oder wer auch immer vorbestimmt hat. Wenn überhaupt, dann kann ich allenfalls der jungen Generation einen gewissen Verdienst zuschreiben, wenn sie diese unruhigen, frustrierenden und manchmal schon erdrückenden Zeiten schadlos übersteht und trotz aller Widrigkeiten etwas aus sich macht.

„Ich kann diesen Kult, der mittlerweile um das Alter von Frauen gemacht wird, nicht verstehen. Er geht mir regelrecht auf die Nerven”

Nicht verstehen kann ich diesen Kult, der mittlerweile um das Alter von Frauen – genau, es geht nämlich nur um Frauen, nicht um Männer – gemacht wird. Er geht mir regelrecht auf die Nerven. Gefeiert wird das weibliche Alter in „New Beauty“-Podcasts. Geschrieben wird über „The Beauty of Age“. Auf „Turn Around Age“-Konferenzen tauschen sich Experten darüber aus, wie man das Altern aufschieben kann. Bücher titeln „Alter wird heilbar“, als ob es eine Krankheit wäre. Designer lassen ältere Models unter großer Presseaufmerksamkeit auf den internationalen Laufstegen ihre Kollektionen vorführen. Dagegen ist ja auch nichts zu sagen. Aber warum kann man das nicht als normal hinnehmen? Ist es so ein Wunder, dass Frauen über 50/60 noch geradeaus laufen können?

Alt werden, aber bitte vorzeigbar

Wir Deutschen neigen dazu, alles immer entweder schwarz oder weiß zu sehen. Früher wurde die Jugend hochgejubelt, heute ist es das Alter. Jung, schlank und erfolgreich – und zumeist blond – waren die Frauen, die mir in meiner Jugend als Vorbild aufgezeigt wurden. Was ist heute so anders, wenn in Best Ager Communitys die Frauen sich regelmäßig zum Austausch treffen. Je älter, fitter und attraktiver die Teilnehmerinnen sind umso besser. Man will sich schließlich auch auf den Social-Media-Kanälen optisch gut darstellen.

Auch hier finden sich keine Durchschnittsfrauen, die vielleicht nicht so „gut erhalten“ sind, ein paar Kilos mehr haben und kein Erfolgs-Business auf die Beine gestellt haben, nachdem Kinder und oft auch der Mann aus dem Haus waren. Die Vorzeige-Frauen sprechen äußerst gerne live und online über ihre Erfolge und Leistungen im Alter, über Beauty-Geheimnisse und vielleicht auch mal über Privates. Aber was das Altern tatsächlich mit einem macht, bleibt außen vor.

„Die Vorzeige-Frauen sprechen äußerst gerne live und online über ihre Erfolge und Leistungen im Alter, über Beauty-Geheimnisse und vielleicht auch mal über Privates. Aber was das Altern tatsächlich mit einem macht, bleibt außen vor“

Eine HEYDAY-Gastkolumne von Journalistin Margit Rüdiger

Alterswahn statt Jugendwahn

Aber ist das Alter wirklich die neue Jugend? Ich bezweifle das sehr. Denn wie schon meine Mutter sagte, „alt werden ist nichts für Feiglinge“. Damals war ich 40, und konnte nicht nachvollziehen, was genau sie damit meinte. Inzwischen weiß ich es. Ich gehöre mittlerweile selbst den Best Agern an. Ich bin fit, habe mit meinen Genen Glück gehabt und kriege beim Yoga auch noch den Kopfstand hin. Und trotzdem mag ich nicht frohlocken, dass ich älter werde. Es ist einfach ein Lebensabschnitt, mit dem man sich auseinandersetzen muss und das Beste daraus machen sollte.

Und wenn man ehrlich ist, muss man zugeben, dass die körperliche Kraft in vielen Situationen nachlässt. Ständig stellen sich neue Wehwehchen ein, die ich persönlich so lange es geht zu ignorieren versuche. Arztbesuche werden häufiger notwendig, was ich hasse und – ich muss es zugeben – als junge Frau bei älteren Menschen oft belächelt habe. Genetisch bedingte Defekte kommen jetzt zum Tragen. Bei mir sind es die Hüften durch eine angeborene Dysplasie.

Auch ohne Party morgenmüde

Manchmal wache ich am Morgen so müde auf von einer Party am Vorabend, die ich gar nicht besucht habe. Wenn ich zu viel in einen Tag reinpacke, dann fühle ich mich regelrecht überfordert. Früher konnte mein Pensum nicht voll genug sein. Freunde werden mit dem Alter auch weniger, was sogar wissenschaftlich bewiesen ist, wie ich kürzlich in einem Artikel über „Freundesschwund“ auf Culture And Cream geschrieben haben. Und trotzdem schmerzt der Verlust mitunter.

Auch die körperlichen Veränderungen sind nicht ganz ohne. Die Haut und die Schleimhäute werden trockener, die Nägel auch. Gerade an den Füßen fällt es mir besonders auf. Ich muss jeden Tag akribisch darauf achten, dass ich genug Wasser trinke, was mir zunehmend schwerer fällt. Meine Haut am Körper ist trotz Eincremen morgens und abends so trocken, dass sie manches Mal untertags zu jucken beginnt. Beim Schreiben habe ich jetzt zunehmend Schmerzen in den Finger-Grundgelenken. Vorboten einer Arthrose?

Eine HEYDAY-Gastkolumne von Journalistin Margit Rüdiger

„Wenn ich zu viel in einen Tag reinpacke, dann fühle ich mich regelrecht überfordert. Früher konnte mein Pensum nicht voll genug sein“

Eine HEYDAY-Gastkolumne von Journalistin Margit Rüdiger

High Heels, goodbye!

Das Verhältnis von Fett und Muskelmasse hat sich auch verändert, natürlich zu Gunsten der Fett-Anteile. Wie könnte es anders sein! Wenn man seine Figur behalten will, dann muss man seine Nahrung bereits zu Beginn der Menopause um ein Drittel reduzieren und mehr Sport treiben als früher – und das auch noch angepasst an den Gesundheitszustand. Alle High-High-Heels, die ich früher am liebsten 24/7 trug, habe ich heulend aus meinem Schrank verbannt, weil ich nicht mehr länger als 15 Minuten darauf laufen kann. Kitten Heels sind jetzt meine schwindelnden Höhen.

Alle High-High-Heels, die ich früher am liebsten 24/7 trug, habe ich heulend aus meinem Schrank verbannt, weil ich nicht mehr länger als 15 Minuten darauf laufen kann“

Man schläft auch schlechter. Bei mir hat das in den Wechseljahren angefangen. Nach mehreren Nächten mit nur wenigen Stunden Schlaf – null Tiefschlaf-Phasen – erkenne ich mich morgens kaum im Spiegel. In der darauf folgenden Nacht nehme ich dann eine halbe Schlaftablette, um wenigstens wieder einmal ausgeruht aufzuwachen. Früher konnte ich nächtelang feiern, ohne Ermüdungserscheinungen und Optik-Verlust am nächsten Morgen. Ein berühmter Schlafforscher, den ich vor nicht allzu langer Zeit interviewte, verriet mir, dass es ihm genauso gehe. Er würde jede Nacht zwischen 3 und 4 Uhr aufwachen und dann aufstehen und klassische Musik hören, bis er wieder müde genug ist, um zurück ins Bett zu gehen. Vielleicht auch eine Lösung.

Ehrlichkeit würde helfen

Warum tauschen Frauen sich nicht ehrlich darüber aus, wie es wirklich ist, älter zu werden und um sich damit gegenseitig zu helfen? Es kann doch nicht sein, dass immer nur das künstlich aufgesetzte Image der älteren Superfrauen diskutiert wird. Ich bin mir sicher, auch die reiben sich abends ihre schmerzenden Füße und verfluchen ihren Hallux. Nur zugeben tun sie es halt nicht.

Ich finde es einfach nervig, dass bei uns aus allem sofort ein Trend gemacht wird. Jugend, Alter, Diversity. Eine PR-Agentur pries tatsächlich den Journalisten einen neuen Kunden an, mit der Botschaft „Wechseljahre sind im Trend“. So ein Quatsch! Wechseljahre sind eine Tatsache, die alle Frauen ereilt und kein Trend. Denn Trends sind vergänglich, und mit der Menopause müssen sich auch künftige Frauen-Generationen noch herumschlagen.

„‚Wechseljahre sind im Trend‘. – So ein Quatsch! Denn Trends sind vergänglich, und mit der Menopause müssen sich auch künftige Frauen-Generationen noch herumschlagen“

Eine HEYDAY-Gastkolumne von Journalistin Margit Rüdiger
Eine HEYDAY-Gastkolumne von Journalistin Margit Rüdiger

Eine HEYDAY-Gastkolumne von Journalistin Margit Rüdiger

Mehr über Margit

„Reisen ist meine Leidenschaft. Beauty meine Passion. Schreiben mein Handwerkszeug.“ – Als Medizin- und Beautyjournalistin schrieb Margit für viele deutsche Magazine und Frauenzeitschriften wie Vogue, Elle, Madame und Cosmopolitan, sie war Beauty-Director bei InStyle und Herausgeberin von Flair Deutschland. Margit lebt in Oberbayern und ist heute viel auf Reisen: Sie sammelt Geschichten für ihr Blog Culture And Cream und testet Treatments wie Massagen, Spa-Anwendungen und Beauty-Produkte, über die es sich zu erzählen lohnt.

the_line

Folge Margit HIER auf Instagram

HIER geht’s zu Margits Blog „Culture And Cream”

weitere Beiträge

zuück weiter