Künstlerin, Autorin, Regisseurin, Bloggerin und Model – Simone Jacob glaubt daran, dass jeder Mensch Qualitäten und Stärken hat. Man muss sie nur finden und ihnen folgen. Nach 20 Jahren beim Film widmete sich Simone ihrer Leidenschaft, der Bildhauerei und der Malerei. Die Kunst ist ihr Ausgleich zu ihrem Beruf als internationals Model. HEYDAY sprach mit der fast 60-Jährigen über ihre Einstellung zum Älterwerden, Frauen über 50 in unserer Gesellschaft und ihre brennende Liebe für die Kunst
HEYDAY: Liebe Simone, du bist unter anderem Künstlerin, Bloggerin und Model. Wie viele Stunden haben deine Tage eigentlich? Wie bekommst du das alles unter einen Hut?
Simone Jacob: Ich denke, ich bin relativ fleißig und habe einen großen Antrieb. Ich mache die Dinge nicht, weil ich sie machen muss, sondern weil ich es möchte. Außerdem bin ich sehr diszipliniert.
Du hast als junge Frau schon als Model gearbeitet, wann und warum hast du damit aufgehört?
Ich habe mir damals mein Studium mit Modeln finanziert, aber es war nie mein Lebenstraum. Nach Abschluss meines Studiums arbeitete ich als Journalistin fürs Fernsehen, hatte Familie, einen Bauernhof mit Pferden, machte viel Sport – da blieb kein Raum mehr für das Modeln.
Dennoch hast du Jahrzehnte später wieder mit dem Modeln angefangen…
Das war Zufall. Die Tochter eines Freundes wollte sich bei einer Modelagentur in München vorstellen. Sie war damals 17 Jahre alt und recht schüchtern, deshalb hatte sie mich gefragt, ob ich sie nicht begleiten könnte. Nach unserem Besuch hat mich die Agenturchefin angerufen und mir gesagt, dass sie mich gerne vertreten würde. So hat sich das ergeben. Zunächst arbeitete ich national, dann in ganz Europa, und mittlerweile habe ich sogar eine Agentur in New York.
„Heute weiß ich meinen Körper zu schätzen. Ich liebe jedes Pölsterchen und genieße es, nicht mehr perfekt sein zu müssen. Ich darf älter werden, und das darf man auch sehen“
Du bist inzwischen sogar im Board von models.com gelistet, das als Who’s who der Top-Player im Model-Business gilt. Welche Kriterien muss man erfüllen, um dies zu erreichen?
Man muss große, wichtige Kampagnen mit großen Fotografen gemacht haben.
Was hat sich für dich im Gegensatz zu früher am Modeljob geändert, und wie hast du dich selbst verändert?
Mit heute 59 habe ich mir meine Träume erfüllt. Ich habe alles gemacht, was ich machen wollte und genieße es jetzt in vollen Zügen, zu reisen und viele unterschiedliche Menschen kennenlernen zu dürfen. Das ist wundervoll und aufregend.
Heute stehe ich ganz anders vor der Kamera als damals, weil ich mich selber nicht mehr bewerte. Vor 30 Jahren war das anders. Als Model musste ich einem bestimmten Schönheitsideal entsprechen und durfte kein Gramm zu viel an der falschen Stelle haben. Heute denke ich mir, wenn mich jemand deswegen nicht buchen möchte, dann eben nicht.
Hat sich dein Verhältnis zu deinem Körper verändert?
Ja, definitiv. Als junges Mädchen war ich unsicher, obwohl mein Körper, aus heutiger Sicht, perfekt und durchtrainiert war. Heute weiß ich meinen Körper zu schätzen. Ich liebe jedes Pölsterchen und genieße es, nicht mehr perfekt sein zu müssen. Ich darf älter werden, und das darf man auch sehen. Das Alter ist kein Grund, sich zu schämen. Mein Motto ist Pro-Age. Ich verurteile jedoch niemanden, der die Zeichen des Alterns mit Botox und Hyaluron beseitigen möchte, aber es ist nicht mein Weg.
„Meine Kunden wollen niemanden haben, dessen Gesicht tot gespritzt ist“
Offensichtlich ist es für deine Kunden auch kein Problem, dass du älter wirst?
Nein, ich glaube, eher im Gegenteil. Meine Kunden wollen niemanden haben, dessen Gesicht tot gespritzt ist. Sie schätzen es, dass in meinem Gesicht nichts gemacht wurde.
Vergleichst du dich mit fortschreitendem Alter weniger mit anderen?
Absolut, ja! Wir Frauen sitzen doch alle im selben Boot. Jede hat ihre Wehwehchen, ihr persönliches Jammertal. Ehen werden geschieden, die Kinder gehen aus dem Haus, Sexualität nimmt nicht mehr so einen großen Raum ein. Da wird, so ist mein Eindruck, der Zusammenhalt größer.
Man sieht glücklicherweise heute immer mehr tolle, ältere Frauen in der Modebranche. Was glaubst du, hat diesen Sinneswandel bewirkt?
Ich denke, der gesellschaftliche Druck ist größer geworden. Es gibt so viele, tolle, ältere Frauen, und die Magazin-Macher werden schließlich auch nicht jünger. Zudem sehen ältere Frauen heute anders aus, als noch vor 30 Jahren. Meine Oma war mit 50 eine alte Frau. Heute sind Frauen mit 50 meist wunderschön und interessant, stehen mitten im Leben, und haben einen tollen, modischen Geschmack. Trotzdem, wir sind noch nicht da, wo wir Frauen sein sollten. Mit meinem Blog SILVER & STYLE möchte ich Frauen inspirieren und ihnen den Mut zusprechen, zu ihrem Alter zu stehen.
„Manchmal bekomme ich auf Instagram Kommentare, die bringen mich fast zum Heulen…“
Wo stehen Frauen heute?
Für Frauen ist das Älterwerden immer noch mit vielen Ängsten verbunden. Früher war es einer Frau nur durch eine entsprechende Heirat möglich, sozial aufzusteigen. Sie sollte gut aussehen und dem Gatten zu Dienste sein. Da hat sich glücklicherweise viel getan. Unsere Großmütter haben sehr viel für uns erreicht. Aber dieser Weg ist noch nicht zu Ende. Für Frauen ist die Vereinbarkeit von Kindern und Karriere, um das eigene Potenzial auszuschöpfen, nach wie vor viel schwieriger als für Männer. Und Mutter als Beruf, das wird leider immer noch nicht so anerkannt, wie etwa der einer Vorstandsvorsitzenden in einem großen Konzern.
Warum glauben wir, bzw. wird uns glauben gemacht, dass wir uns ständig selbst optimieren müssen? Wie kommen wir da raus?
Wir müssen anfangen uns selbst zu lieben und wertzuschätzen, so wie wir sind, ohne uns ständig mit anderen zu vergleichen. Gerade wir Frauen sollten einander unterstützen. Wir sind nicht nur dann liebenswert, wenn wir einem Ideal entsprechen, das uns die Modewelt vorgaukelt. Manchmal bekomme ich auf Instagram Kommentare, die bringen mich fast zum Heulen. Da schreiben Frauen, sie wären gerne wie ich. Wie schrecklich! Ich schreibe dann zurück: „Nein, bitte nicht! Sei Du selbst, Du bist einzigartig, denn Dich gibt es nur einmal.“ Wenn man versucht, jemand anderes zu sein, wird das nicht funktionieren. Jeder hat Stärken und Qualitäten, die gilt es nur zu finden – und authentisch zu leben.
„Wenn man versucht, jemand anderes zu sein, wird das nicht funktionieren. Jeder hat Stärken und Qualitäten, die gilt es nur zu finden – und authentisch zu leben“
Du trägst deine grauen Haare als Statement. War es für dich schwierig zu bemerken, dass du älter wirst?
Es war für mich kein Problem, als meine Haare grau wurden. Grau ist eine wundervolle Farbe, mit vielen Facetten. Noch mit 50 habe ich überhaupt nicht über das Älterwerden nachgedacht. Jetzt, mit fast 60, wird es langsam ein Thema. Allerdings nicht aus Angst, nicht mehr attraktiv zu sein, sondern weil die Sterblichkeit immer näher rückt. Ich frage mich manchmal: Wie viele gute Jahre habe ich noch? Das Positive daran ist, dass ich jetzt bewusster lebe und alles Überflüssige loslasse – Dinge, aber auch Menschen, die mir nicht gut tun. Ich möchte mich leicht machen, mein Leben nicht unnötig beschweren.
Du konntest dich also gut mit dem Alter anfreunden?
Ich glaube, jetzt ist das noch relativ leicht. Aber frag’ mich noch mal, wenn ich 80 bin. Alt werden ist nichts für Feiglinge, hat schon Joachim Fuchsberger gesagt. Es ist hart, wenn man von immer mehr Fähigkeiten Abschied nehmen muss, und schließlich gezwungen ist, sich immer weiter aus der Welt zurückzuziehen.
Welche Vorteile ziehst du aus dem Älterwerden?
Heute bin ich gnädiger mit mir und meinem Körper und nicht mehr so perfektionistisch.
Du hast viele Jahre als Autorin und Regisseurin fürs Fernsehen gearbeitet, hast dich aber zeitgleich deinen großen Leidenschaften – der Bildhauerei und der Malerei – gewidmet…
Ich bildhauere mittlerweile schon seit über 20 Jahren. Es war immer meine Leidenschaft. Die Zeit beim Fernsehen hat mir zwar auch sehr viel Spaß gemacht. Aber da gibt es auch Bereiche, die nicht so schön sind. Irgendwann hatte ich das Gefühl, jetzt muss ich meinem Herz und meiner Passion folgen.
Ich habe bei dem akademischen Bildhauer Peter May gelernt, der mir die Grundlagen der Steinbearbeitung beibrachte. Mir fiel die Bildhauerei immer leicht. Bei keiner anderen Tätigkeit kann ich besser abschalten. Ich mache laut Musik an und los geht’s. Ich staube mich über Stunden ein und bin vollkommen leer im Kopf. Ich bin dann nur noch Körper und Intuition. Das ist wunderschön.
Ist es stimmungsabhängig, welcher Technik du dich widmest?
Die Bildhauerei geht mir leichter von der Hand, obwohl es eigentlich schwieriger, mühsamer und körperlicher als die Malerei ist. Malen ist wunderschön, aber für mich anstrengender und immer wieder eine Herausforderung. Es sind Phasen. Gerade habe ich Grace, eine voluminöse Frauenfigur mit prallen Formen, fertiggestellt. Ich habe sie aus einem großen Marmorblock gehauen und sie dann in Bronze gegossen. Grace gibt es also jetzt in Marmor und in Bronze. Bevor ich mit einem neuen Werk beginne, brauche ich aber Luft im Kopf, und da tut es mir gut, zwischen der Bildhauerei und der Malerei hin und her zu switchen.
Was bedeutet dir Kunst?
Für mich bedeutet es, mein Potenzial zu leben. Ich brauche das. Es macht mich glücklich. Wenn ich längere Zeit nicht malen oder bildhauern kann, fehlt mir etwas. Ich kann dann richtig grantig werden.
Deine Skulpturen sind meist sehr weiblich, in deiner Malerei beschäftigst du dich dagegen oft mit Tieren…
Ich liebe den weiblichen Körper und seine Rundungen. Meine Skulpturen sind eine Hommage an die Weiblichkeit, an das Weichsein, das Rundsein, an Fülle und Fruchtbarkeit.
Tiere waren immer Teil meines Lebens. Ich hatte 20 Jahre lang einen Bauernhof in Niederbayern und lebte dort mit meinen Pferden. An Tieren liebe ich, dass sie sofort Feedback geben. Sie können nicht lügen, reagieren direkt und zeigen dir sofort wo du stehst.
„Ich liebe den weiblichen Körper und seine Rundungen. Meine Skulpturen sind eine Hommage an die Weiblichkeit, an das Weichsein, das Rundsein, an Fülle und Fruchtbarkeit“
Was inspiriert dich für deine Werke?
Dinge, die mich beschäftigen. Im Moment male ich an einem Bild, das einen Familienurlaub in den 70er Jahren am Strand von Rimini zeigt.
Hast du vor, dich irgendwann ausschließlich der Kunst zu widmen?
Ich glaube, das ergibt sich einfach. Ich bin keine große Planerin. Es wird vermutlich der Zeitpunkt kommen, an dem ich keine Lust mehr habe zu Modeln, oder die Kunden mich nicht mehr buchen wollen. Einfach mal schauen, was kommt. Ich bin da ganz offen. Die eine Tür geht zu, die andere auf…
Über Simone Jacob
Mit 17 startete Simone ihre Model-Karriere in München, mit den Einnahmen finanzierte sie ihr Studium (Master’s Degree in Kommunikationswissenschaften, Psychologie und Soziologie). Danach pausierte sie als Model, lebte auf einem Bauernhof in Bayern und widmete sich ihrer wachsenden Familie und der Arbeit als Television-Author und Producer. Einige Jahre später gab sie ihre Fernsehkarriere auf und fokussierte sich ganz auf ihre beiden großen Leidenschaften – die Bildhauerei (Marmor, Sandstein) und die Malerei.
Mit 50 wurde sie durch Zufall von der Münchner Agentur Munich Models wiederentdeckt; mittlerweile wird sie weltweit von Agenturen wie New York Models, Elite, Uno etc. vertreten.
Simone hat zwei erwachsene Kinder und pendelt heute zwischen München und Mallorca. Ihre Kunstwerke stellt sie in der Ahoy! Art Gallery in Palma sowie in der Münchner Galerie Baumgartl aus.