Unsere Kolumnistin Bettina Homann kann die Attacken der Medien gegen Frauen, die sich für Schönheitsoperationen entscheiden, nicht mehr ertragen. Ihr Appell an alle Frauen: Nur mehr Zusammenhalt und liebevoller Umgang miteinander kann etwas gegen die systematische Herabsetzung von Frauen im Alter ausrichten
Demi Moore hat im Frühjahr 2021 die Haute Couture Show des Labels Fendi eröffnet, und sich damit, wie sie sagt, einen Jugendtraum erfüllt. Doch anstelle von Anerkennung erntet sie Entsetzen – darüber, dass ihre Bemühungen um ein jugendliches Aussehen diesmal nicht ganz so gut gelungen sind. Ein Bild geht durch die Medien, auf dem ihr Gesicht durch die schönheitschirurgischen Eingriffe entstellt wirkt.
Wann immer sich Ähnliches ereignet – also wenn die Unerfüllbarkeit der Ansprüche, die an Frauen in unserer Gesellschaft gestellt werden, sichtbar wird – erntet die jeweilige Frau, an deren Körper die Symptome augenscheinlich werden, Hass und Häme. Dafür, dass sie es wagt, die Lüge auffliegen zu lassen. Die Lüge, dass es möglich – und geboten – ist, faltenfrei, schlank und unerschütterlich hübsch wie eine 20-Jährige alt zu werden.
Man muss sich nur die „Berichterstattung“ auf bild.de anschauen, wo eine Moderatorin und ein bärtiger Schönheitschirurg hämisch-süffisant Moores Bilder sezieren, um die ganze Widerwärtigkeit dieses frauenverachtenden Spektakels zu erleben. Ein Schönheitschirug, wirklich? Einer, der sein Geld damit verdient, mit Frauen genau das zu tun, was er jetzt bei „dieser Dame“ anprangert? Es wird geschnitten, aufgespritzt, abgesaugt, es werden Fremdkörper eingeschoben – ein Gemetzel was das Zeug hält. Aber bitte schön, keinesfalls von der Aussage abrücken, gesunde Ernährung und gute Gene allein wären der Grund für das nicht altersgemäße Aussehen.
Es geht hier nicht um Ehrlichkeit und freie Entscheidungsmöglichkeit, es geht um unerfüllbare Vorgaben, mit denen Frauen unterdrückt werden. Denn glauben Sie im Ernst, Demi Moore hätte den Job bei Fendi, oder in irgendeiner Hollywood-Produktion bekommen, wenn sie sich mit grauen Haaren, Falten und rundem Bauch, also dem natürlichen Aussehen einer 58-Jährigen beworben hätte? Dabei ist sie eine außergewöhnlich schöne Frau und wäre sicherlich auch unbehandelt sehr ansehnlich.
„Ich behaupte, dass kaum eine Frau in Demi Moors Alter ihrem glatten Gesicht, ihrem vollen Haar und ihrer schlanken Taille nicht nachtrauert”
Bettina Homann
Und es betrifft uns alle. Denn es ist nicht leicht – selbst wenn man keine Hollywood-Schauspielerin ist – sich diesen Standards zu entziehen. Ich behaupte, dass kaum eine Frau in Demi Moores Alter ihrem glatten Gesicht, ihrem vollen Haar und ihrer schlanken Taille nicht nachtrauert. Weil diese Attribute die Währung sind, in der wir bezahlen. Weil wir erleben, wie wir abgewertet werden, wenn wir altern. Warum sonst wird es als Kompliment betrachtet, einer Frau zu bestätigen, dass sie viel jünger als 40, 50 oder 60 aussieht?
Einzusehen, dass Schönheitschirurgie nicht der Weg sein kann, heißt für mich jedenfalls nicht, doch immer mal interessiert nachzusehen, was Botox und Silikonfäden heute so alles können. Es braucht Mut und Kraft, „natürlich“ zu altern und dazu zu stehen. Wir können das nur gemeinsam schaffen. Indem wir selbst coole Vorbilder abgeben und indem wir liebevoll mit anderen Frauen umgehen – ob sie sich nun für Eingriffe entscheiden oder nicht.
Über Bettina Homann
Die Wissenschaftsjournalistin Bettina Homann (55) gründete den Blog Happster, auf dem sie sich mit Themen rund um das geistige Wohlbefinden beschäftigt und das Glück in all seinen Facetten erkundet.
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