„Mein Gesicht hat genau wegen meines Alters mehr Charakter und Erinnerungswert“

Martina (50) und ihre Tochter Lou-Anne (18) treten als erstes Mutter-Tochter-Duo bei GNTM an und wurden als neue Vorbilder für Alters- und Body-Diversität gecastet. Wie die beiden Österreicherinnen mit Konkurrenz-Druck umgehen und was sie von gängigen Schönheitsidealen halten, verraten sie im Interview

HEYDAY: Liebe Martina und Lou-Anne, ihr habt euch beide unabhängig und ohne voneinander zu wissen bei GNTM beworben. Warum habt ihr nichts erzählt?

Martina: Bei mir war es eine spontane Idee, als Heidi in der Finalfolge der 16. Staffel ganz deutlich auch die Älteren zur Bewerbung einlud. Ich nahm mir vor, mir zu meinem 50. Geburtstag ein ganz besonderes Geschenk zu machen – nämlich die Chance, bei #GNTM dabei zu sein. Nachdem Lou-Anne und ich aber jahrelang davon gesprochen hatten, dass sie sich einmal bewerben wird, wollte ich nicht vorstürmen. Das wäre so gewesen, als ob ich ihr ihren Traum wegnehmen würde. Das wollte ich auf gar keinen Fall. Deshalb habe ich sie einfach immer nur daran erinnert, dass sie sich doch bewerben wollte. Was sie – Gott sei Dank! – dann auch tatsächlich tat. Als es für sie klar war, habe ich ihr von meiner Bewerbung erzählt.

Lou-Anne: Wir haben uns nur unabhängig voneinander dazu entschieden, dass wir uns bewerben. Dass ich mit dem Gedanken gespielt habe, es zu tun, wusste die Mama.

Wann habt ihr gemerkt, dass ihr beide antretet?

Lou-Anne: Es war an einem Sonntag Anfang Oktober, als wir von meinem Vater mit einem Sonntagsfrühstück und der guten Nachricht überrascht wurden.

Welche Vorteile hat es, als Mutter-Tochter-Gespann im Wettbewerb zu sein?

Martina: Ich habe den allerwichtigsten Menschen in meinem Leben dabei. Das macht es für mich psychisch einfacher. Es ist doch ein sehr herausfordernder Wettbewerb und es tut gut, eine vertraute Person um sich zu haben. So kann ich ab und zu aus der Rolle der Wettbewerberin in die Mutterrolle schlüpfen, auch wenn Lou-Anne bereits eine erwachsene, selbstständige Frau ist. Außerdem ist durch sie der Zugang zu den anderen jungen Models einfacher.

Lou-Anne: Ich finde es einfach super, dass ich meine Mutter immer nach ihrer ehrlichen Meinung und Tipps fragen kann. Natürlich könnte ich auch andere Kandidatinnen fragen, da kann ich mir allerdings nicht so sicher sein, dass sie auch zu 100 Prozent ehrlich sind, nachdem jede hier besser sein will als die andere.

Wie geht ihr damit um, als Konkurrentinnen gegeneinander anzutreten?

Martina: Obwohl wir im Wettbewerb stehen, kann ich meinen Mutterblick nie ganz ablegen und fiebere deshalb bei jeder Entscheidung doppelt – einmal für mich und einmal für Lou. Trotzdem bleibe ich meinem immerwährenden Motto treu – wenn ich etwas beginne, dann mit dem Ziel, erfolgreich zu sein. Deshalb gebe ich stets alles.

Lou-Anne: Ich habe kein Problem damit, dass wir bei #GNTM gegeneinander antreten und es würde dadurch auch niemals böses Blut zwischen uns entstehen. Ich möchte vor allem einfach eine gute Zeit bei #GNTM haben und mich als Mensch und im Bereich Modeln verbessern.

Martina, du hast in den 90er Jahre bereits gemodelt und kämpfst nach eigenen Aussagen bei GNTM vor allem gegen dein gestriges Ich. Wie ist das gemeint?

Martina: ’Gegen mein gestriges Ich zu kämpfen‘, ist vielleicht etwas missverständlich formuliert, denn ich genieße jeden Status meiner eigenen Entwicklung und mein Sein in jedem Moment. Aber ich möchte mich konstant weiterentwickeln. Ich will jeden Tag besser werden, in dem, was ich tue, aber auch als Mensch. Die Idee, als Mensch stets zu wachsen und mit jedem Tag mehr aus meinem Potenzial zu machen, begeistert und beflügelt mich.

Martina, du hast eine besonders starke Ausstrahlung. Ist Selbstbewusstsein etwas, was bei dir mit dem Alter gewachsen ist?

Martina: Danke für dieses schöne Kompliment! Das freut mich sehr! Rückblickend kann ich sagen, dass sich mein Selbstbewusstsein verändert hat. Als Kind war ich selbstbewusst, weil ich keine  Ahnung hatte. Ich hatte wenig Referenzpunkte außer der Rückmeldungen der Personen um mich herum, und die war mehrheitlich sehr gut. Anfang 20 dachte ich daher, ich könnte die Welt aus den Angeln heben, nichts würde mich stoppen. Die ersten Schritte im Arbeitsleben haben mein Bild etwas schattiert. Plötzlich ging nicht mehr alles so reibungslos und besonders als Model musste ich feststellen, dass nicht alle nur auf mich gewartet haben. Ich habe intensiv mit meinen Erfahrungen und mir selbst gearbeitet, um trotzdem meinen Weg zu finden. Mit 50 kann ich jetzt sagen, dass ich mich noch nie so frei gefühlt habe und ich noch nie so selbstverständlich ich selbst sein konnte. Der große Unterschied zu meinem kindlichen Selbstbewusstsein ist, dass ich heute weiß, wie diese Welt funktioniert, was alles passieren kann und dass ich nicht von allen gefeiert werde – und stehe trotzdem ganz selbstverständlich zu mir und meinem eigenen Weg.

„Wenn ich merke, dass aufgrund von Schlafmangel meine Tränensäcke noch markanter werden und ich die tollen Beautygesichter mancher Mitbewerberinnen im Vergleich sehe, komme ich mir ziemlich fehl am Platz vor”

Martina

Martina, erstmals wurden auch reifere Frauen für die Serie gecastet. Warum ist es wichtig, dass auch Frauen deiner Alters-Klasse auf die Runways und Cover kommen?

Martina: Wenn ich mich und meine Freundinnen betrachte, stelle ich fest, dass Frauen meines Alters wirklich in der absoluten Blüte ihrer selbst sind. Frei, selbstbewusst, auch ein bisschen weise und trotzdem kraftvoll. Die Gesichter sind nicht mehr makellos, aber idealerweise noch interessanter. Auf Runways und Covern senden wir eine mutige Botschaft in die Welt hinaus, die an Frauen und Männer gleichermaßen gerichtet ist: Seid stolz auf euch, genießt eure individuelle Schönheit und lebt euer Leben, sodass es euch selbst entspricht.

Martina, die Medien setzen Frauen immer noch mit dem vorherrschenden Jugendwahn unter Druck. Wie gehst du damit um?

Martina: Das ist tatsächlich manchmal nicht einfach. Im Alltag kann ich mich ganz gut abgrenzen, indem ich mich einfach nicht vergleiche. Aber hier bei #GNTM sind wir ja konstant im Vergleich. Wenn ich merke, dass aufgrund von Schlafmangel meine Tränensäcke noch markanter werden und ich die tollen Beautygesichter mancher Mitbewerberinnen im Vergleich sehe, komme ich mir ziemlich fehl am Platz vor. Aber dann mache ich mir bewusst, dass ich mindestens doppelt so alt bin und ich weder so makellos aussehen kann noch muss. Denn mein Gesicht hat genau wegen meines Alters mehr Charakter und Erinnerungswert.

Martina, was ist das Wichtigste, was du bisher von deiner Tochter gelernt hast?

Gelassen zum Ziel.

„Sei dir bewusst: Du selbst bist das Beste, das dir jemals im Leben passiert ist. Das ist Geschenk und Verantwortung zugleich. Also lebe entsprechend!“ ⁠

Martina

Lou-Anne, und was ist das Wichtigste, was du bisher von deiner Mutter gelernt hast?

Lou-Anne: Das Wichtigste, das ich von meiner Mutter gelernt habe, und was auch auf jeden Fall mein A und O ist, ist der respektvolle Umgang mit anderen. Egal ob fremd oder nicht.

Lou-Anne, worin unterscheidest du dich am meisten von deiner Mutter?

Ich bin definitiv um einiges gelassener als meine Mutter.

Lou-Anne, glaubst du, dass deine Generation freier von traditionellen Schönheitsidealen ist? Oder ist der Druck, einem bestimmten Bild zu entsprechen, vielleicht noch größer?

Lou-Anne: Meiner Meinung nach setzt sich meine Generation immer noch sehr stark unter Druck, einem bestimmten Schönheitsideal zu entsprechen, wie zum Beispiel eine Sanduhr-Figur bei den Mädchen und mindestens 1,80 Körpergröße bei den Jungs. Mit solchen Standards muss endlich Schluss sein, weil einfach viele darunter leiden, wenn sie dem Bild nicht entsprechen. Jede Person ist individuell schön. Egal ob klein, groß, mit Akne, dünn oder dick. Wir sehen alle verschieden aus und das ist doch das Schöne.

Lou-Anne, welche Vorbilder inspirieren dich am meisten dazu, du selbst zu sein?

Lou-Anne: Darüber habe ich tatsächlich noch nie nachgedacht, jedoch inspirieren mich ganz allgemein die Menschen, die sich selbst treu bleiben und das umsetzten, was sie sich vorgenommen haben. Das kann also auch der Typ an der Bushaltestelle sein.

„Meine Generation immer noch sehr stark unter Druck, einem bestimmten Schönheitsideal zu entsprechen. Egal ob klein, groß, mit Akne, dünn oder dick. Wir sehen alle verschieden aus und das ist doch das Schöne“

Lou-Anne

Welche Botschaft möchtet ihr den Frauen, die euch auf dem Bildschirm bewundern und euch auf Instagram folgen, mitgeben?

Martina: Sei dir bewusst, dass du selbst das Beste bist, das dir jemals im Leben passiert. Das ist Geschenk und Verantwortung zugleich. Also lebe nach deinen eigenen Vorstellungen.

Immer donnerstags um 20:15 Uhr erfahrt ihr, wie es mit den beiden GNTM-Anwärterinnen weiter geht. HIER geht’s zu Martinas Instagram-Account, dem Account von Tochter Lou-Anne kannst Du HIER folgen!