„Einfach mal mit dicken weiblichen Eiern an eine Sache rangehen!”

Alexandra Pribik, Bonnie Bartusch

Profil haben, und dies auch zu zeigen, fällt vielen Frauen nicht leicht. Mit ihrem Coaching-Programm Profilliebe unterstützt Sabine Wittorf seit 2012 Frauen dabei, ihr eigenes Profil zu erkennen – und es durch Haltung, Körpersprache und innere Einstellung wirken zu lassen. Denn um andere überzeugen zu können, muss frau erst einmal von sich selbst überzeugt sein

Sabine Wittorf im Gespräch mit Heyday Magazine
Foto: Alexandra Pribik

HEYDAY: Liebe Sabine, wir sind neugierig auf dein Konzept – was bedeutet für dich Profilliebe und was genau bietest du in deinen Coachings an?

Sabine Wittorf: Profilliebe habe ich mein Coachingangebot genannt, weil Liebe für mich Ausdruck von Überzeugung, Leidenschaft und Energie ist. Was ich damit transportieren möchte, ist die Liebe zum eigenen Profil. Es geht um Selbsterkenntnis, um Standing und Ausstrahlung – hauptsächlich im beruflichen Kontext, aber durchaus auch im alltäglichen, privaten Umfeld. Ich bin überzeugt davon, dass nur, wer in seiner Mitte ist, ein Standing hat, mit dem sie/ er auch andere überzeugen kann. Wer an sich oder an dem was sie/ er tut zweifelt, wird Schwierigkeiten haben zu überzeugen.

Aber Profilliebe ist nichts, was ich mit fünf Sätzen für jeden auf den Punkt beschreiben kann. Das ist immer ganz individuell.

Was bedeutet es für dich Profil zu zeigen?

Im ersten Moment denken viele, das sei gleichzusetzen mit Kante zeigen, aber das ist es nicht. Es geht vielmehr darum greifbar und deutlich zu sein – das bin ich und das möchte ich. Dafür muss man sich selbst klar darüber sein, was man transportieren will, und wie man das auf den Weg bringt. Das wichtigste um Profil zeigen zu können ist Authentizität, und zu dem stehen zu können was man tut, ohne andere vor den Kopf zu stoßen.

Welche Ausbildung hast du?

Ich war früher in leitender Position tätig. Von 2008 bis 2009 habe ich in diesem Kontext eine Weiterbildung in Kommunikations- und Motivationscoaching absolviert. Das hat mir so viel Spaß gemacht, dass ich 2010 beschlossen habe mich über ein Fernstudium zum Business-Coach ausbilden lassen. Die Ausbildung ist vom Deutschen Fachverband Coaching zertifiziert worden. Mir war Professionalität dabei sehr wichtig.

„Manchmal bedeutet Profilliebe auch einfach, Dinge zu akzeptieren, die ich nicht ändern kann!”

Du musstest dir also als Coachin erstmal dein eigenes Profil erarbeiten?

(lacht) Ja genau, so kann man das sagen!

Warum hast du dich auf Frauen spezialisiert?

Anfangs gab es schon die Überlegung geschlechterübergreifend zu coachen, aber es war dann letztendlich doch eine ganz leichte Entscheidung – ich bin Frau, ich kann Frau, also beschränke ich mich auf Frauen. Mir ist es sehr wichtig speziell Frauen zu unterstützen, weil Frauen trotz hervorragender Qualifizierung oftmals leider zu wenig von sich und ihrem Können überzeugt sind.

Das ist doch so typisch Frau…

Ja oder? Wie mir Klientinnen bestätigen, ist da immer dieses Gefühl, sich beweisen zu müssen. Anstatt wirklich mal, ganz profan gesagt, mit weiblichen dicken Eiern hinzugehen und einfach zu sagen „ich kann das”. Wir befinden uns zu großen Teilen immer noch in diesen Rollenklischees, auch wenn wir das oft gar nicht bemerken. Dabei haben gerade wir Frauen ganz viele Skills und es ist gar nicht nötig, dass wir uns ständig beweisen.

Dieses Denken in den Kategorien Männer und Frauen sollten wir, gerade auch in Unternehmen, endlich aufgeben. Wir sind alle Menschen mit Kompetenzen. Es geht auch nicht darum, dass Frauen jetzt die Macht übernehmen, sondern vielmehr uns auf Augenhöhe zu begegnen, auf einem Level.

Leider verfallen viele Frauen – gerade während der Pandemie – oft zwangsläufig wieder häufiger in die alten Rollenklischees. Dabei wäre genau jetzt ein guter Zeitpunkt, Energien zu bündeln, sich zu profilieren, und sich darüber klar zu werden, wer ich sein will, wo ich bin und und wo ich hin möchte.

Sabine Wittorf im Gespräch mit Heyday Magazine
Foto: Bonnie Bartusch

Mit welchen Wünschen und Erwartungen kommen die Frauen zu dir?

Zunächst geht es, sei es beruflich oder privat, um eine Situationsänderung. Nicht darum, ich will mich ändern, sondern ich bin in einer Situation, die ich ändern möchte, weil ich mich darin nicht mehr wohl fühle. Um es auf einen einfachen Nenner herunterzubrechen: Es geht darum, ein klares Profil zu schaffen, zu lernen klar zu kommunizieren und greifbar zu sein. Dabei ist es manchmal leichter sich jemand Fremden zur Unterstützung zu holen, jemanden der/ die von außen auf das Ganze schaut.

Das stimmt. Oft ist es sehr hilfreich, wenn jemand, der dich nicht kennt, die Situation einschätzt…

Auf jeden Fall. Das kennen wir doch alle, als typische Freundin versucht man immer, einen Ratschlag parat zu haben. In einem freundschaftlichen oder familiären Gespräch fehlt jedoch oft die Geduld und die Zurückhaltung. Ein Coach ist da anders gestrickt. Bei einem Coaching kann man alles auf den Tisch legen, ohne dass darüber geurteilt wird. Im besten Fall ist ein Coaching wie Wellness für die Seele – das sollte man sich ruhig hin und wieder gönnen.

Was sind das für Frauen, die zu dir kommen?

In der Regel sind das Frauen mittleren Alters, die schon etwas erreicht haben, meist aus einem weitestgehend gefestigten Umfeld. In meinen Coachings geht es nicht um etwas Existenzbedrohendes. Mein Coaching ist keine Berufs- oder Lebensberatung, sondern eine Unterstützung, um Steine aus dem Weg zu räumen, um auf die richtige Spur zu kommen, um herauszufinden wo die Reise hingehen soll.

Eine ungefähre Richtung haben die meisten schon, die zu mir kommen, aber sie wissen nicht, ob es die richtige ist. Oder manchmal klafft eine Lücke zwischen da wo sie stehen und wo sie hin wollen, und diese gilt es zu schließen. Dann gibt es noch diejenigen, bei denen die Kinder selbstständiger werden und sich plötzlich die Sinnfrage stellt. Kurz gesagt, meine Klientinnen und deren Themen sind so bunt, wie die Welt eben ist.

Was alle eint sind Fragen wie: „Fühle ich mich, weiß ich wer ich bin, kenne ich mein Profil, und wenn ja, mag ich es auch?” Manchmal bedeutet Profilliebe auch einfach, Dinge zu akzeptieren, die ich nicht ändern kann.

Wie sind deine Coachings aufgebaut?

Zunächst starten wir mit einem Kennenlerngespräch. Da wird das eigentliche Thema erstmal nur angerissen. Ich schaffe mir ein Bild, wie der Umgang mit dem Problem bisher war, ob schon andere Lösungsansätze vorher probiert wurden. Dann mache ich Vorschläge, wie wir das Thema angehen könnten.

Was die äußeren Umstände betrifft, versuche ich als Coach zu erspüren, was mein Gegenüber braucht, um sich sicher und wohl zu fühlen. Manche müssen am Tisch sitzen, um sich sicher zu fühlen, andere gehen lieber eine Runde spazieren, oder treffen sich mit mir auf neutralem Boden. Manchmal benutze ich Tools oder arbeite mit sogenannten Bodenankern, um bestimmte Dinge zu visualisieren und bildlich darzustellen zu können.

Der Schlüssel zu Veränderung liegt in unserer Emotionalität. Man muss es fühlen, um es verankern zu können. Wenn die Klientin schließlich mit meiner Unterstützung Lösungswege erarbeitet, ist der wichtigste Aspekt dabei: Fühlt es sich gut und richtig für sie an?

Kannst du grundsätzlich mit jeder Frau arbeiten oder kommt es schon mal vor, dass du merkst: „Da passt was nicht“ oder „ich kann hier nicht weiterhelfen“?

Es ist natürlich nicht so, dass eine Frau reinkommt und ich denke: „Ihre Nase passt mir nicht, also arbeite ich nicht mit ihr.” Es geht nicht um Äußerlichkeiten sondern einzig und allein darum: Kann mein Gegenüber Vertrauen zu mir aufbauen? Natürlich kann es schon mal vorkommen, dass es nicht passt. Erfolgreiches Coaching funktioniert nur, wenn da ein Draht zueinander ist, und sich die Klientin wohl, wahrgenommen und verstanden fühlt.

„Bei Stellenanzeigen ist es häufig so: Wenn Frauen zwei von zehn Anforderungen nicht erfüllen, bewerben sie sich erst gar nicht – bei Männern ist es genau umgekehrt.”

Wie lange dauert ein solches Coaching in der Regel?

Ein Kennenlerncoaching halte ich kurz, etwa eine halbe Stunde. Das mache ich oft über Telefon bzw. über Teams. Ansonsten benötigen wir meist fünf bis sechs Sessions, die jeweils etwa eineinhalb Stunden dauern, mal mehr, mal weniger, mal kürzer, mal länger, das ist themenabhängig und ganz individuell. Wir prüfen jede Stunde, ob das ursprünglich formulierte Ziel noch passt und gleichen ab, was bisher passiert ist, wie weit die Klientin schon gekommen ist. Wenn eine Frau nach Beendigung des eigentlichen Coachings immer noch unsicher ist, biete ich an, dass wir uns nach einer gewissen Zeit nochmal austauschen, wie es ihr ergangen ist. Es darf allerdings auf keinen Fall eine Abhängigkeit entstehen. Das Coaching sollte lediglich Hilfe zur Selbsthilfe sein.

Denkst du, dass grundsätzlich eher Frauen als Männer die Möglichkeit eines solchen Coachings in Anspruch?

Das ist sicher statistisch irgendwo erfasst. Für mich viel interessanter ist die Frage, mit welchen Beweggründen Frauen und Männer jeweils zum Coaching gehen. Es gibt viele Männer, die sich coachen lassen, weil sie ein bestimmtes berufliches Ziel haben. Ich denke Frauen haben da oft andere Hintergedanken. Die betrachten das Ganze auf mehreren Ebenen. Aber da ich hauptsächlich mit Frauen zu tun habe, ist es für mich schwer da eine Einschätzung abzugeben.

Allerdings ist es oft so, dass Frauen von mehr Selbstzweifeln geplagt sind. Bei Stellenanzeigen ist es häufig so: Wenn Frauen zwei von zehn Anforderungen nicht erfüllen, bewerben sie sich erst gar nicht – bei Männern ist es genau umgekehrt.

Ein schöner Satz, den Frauen öfter beherzigen sollten ist „Fake it till you make it”. Also einfach mal machen und Mut und Selbstvertrauen aus positiven Erfahrungen schöpfen.

Was fällt deinen Klientinnen in der Regel am schwersten, wenn es darum geht etwas zu verändern?

Hauptsächlich ist es genau das, worüber wir eben gesprochen haben. Viele Frauen sind mit einem unguten Perfektionismus behaftet. Aber selbst, wenn ich etwas nur zu 70 Prozent kann, so kann ich es doch. Da müssen alte Strukturen aufgebrochen werden, es muss eine Bereitschaft da sein um den üblichen Rahmen loszulassen und somit etwas ändern zu können. Aber das fällt natürlich schwer. Gerade Frauen, die ihren beruflichen Weg schon etwas weiter gegangen sind und recht erfolgreich damit waren, fällt es besonders schwer.

Es gibt viele Frauen, die für ihren Job, ihre Position, ihre Message, ein Bild nach außen aufgebaut haben – und die dann zu mir kommen, wenn die Aufrechterhaltung dieses Bildes zu anstrengend geworden ist. Dabei muss es nicht mal falsch sein, sondern es ist schlichtweg zu kraftraubend. Da stellt sich natürlich die Frage, warum ist das plötzlich so, wo es doch viele Jahre gut so war.

Und woran liegt das dann, wenn man nach zehn oder mehr Jahren merkt, dass es plötzlich nicht mehr passt?

Das sind einfach Lebensphasen, wie wir sie alle durchlaufen. Es ist ein trügerisches Bild, dass man auf einem guten Weg ist und den immer weiter geradeaus gehen kann. Was leider viele aus den Augen verlieren, ist, dass wir uns im Laufe der Jahre einfach verändern, auch die Menschen um uns herum verändern sich. Keine Begegnung, kein Gespräch, keine Erfahrung geht spurlos an uns vorüber. Dass es dann mal nach Jahren knirscht, ist eigentlich nicht besonders verwunderlich.

„Ich denke, wenn man es schafft, Kinder alleine groß zu ziehen, dann kann man diese Power auch auf andere Aufgaben übertragen”

Du musstest bestimmt auch schon mal deine Komfortzone verlassen. Wie bist du damit umgegangen?

Ich bin unter anderem auch im Ausland aufgewachsen und wir sind viel umgezogen. Dadurch war ich gezwungen alle paar Jahre einen neuen Freundeskreis aufzubauen, mit neuen Kulturen, neuen Eindrücken und dazu musste ich mit mir selber klar kommen. Das war einerseits eine sehr herausfordende Zeit, andererseits sehe ich das heute als eine wahnsinnig wertvolle Erfahrung, weil ich gelernt habe offen zu sein, Kontakte zu knüpfen. Das hilft mir bis heute sehr, auch wenn es natürlich auch mir schwer fällt, meine Komfortzone zu verlassen. Aber vielleicht bin ich da ein Stück zuversichtlicher, positiver als andere, weil ich es schon so oft tun musste, und ich die Erfahrung gemacht habe: Es passiert nichts wahnsinnig Schlimmes.

Du hast zwei erwachsene Kinder, die du 16 Jahre lang allein groß gezogen hast. Hat dir diese Erfahrung beruflich geholfen?

Die Erfahrung durch die Umzieherei, der Verschiebung der Komfortzone, der ständigen Veränderung, hat mich dazu in die Lage versetzt, als Alleinerziehende Dinge eher in die Hand zu nehmen, Entscheidungen alleine zu treffen und nach Lösungen zu suchen. Obwohl ich erst mal nur in Teilzeit gearbeitet habe, hatte ich dennoch immer das Gefühl, mich erfolgreich verkaufen zu können. Da hat sicherlich die Zeit als Alleinerziehende mich sehr gestärkt, was viele in ähnlicher Situation bestimmt bestätigen können. Dabei ist ein ganz wichtiger Punkt, sich als Mami und Teilzeitarbeitende nicht abwerten zu lassen, sondern zu sagen: „Ich bin vielleicht ein paar Stunden weniger da, aber in der Zeit haben sie die Spitzenkraft, die sie brauchen”. Ich denke wenn man es schafft, Kinder alleine groß zu ziehen, dann kann man diese Power auch auf andere Aufgaben übertragen, die im Vergleich dazu vielleicht sogar wesentlich einfacher sind. Ja, vielleicht wird man als Alleinerziehende etwas mutiger und auch etwas konsequenter.

Du bietest auch Seminare für mehrere Teilnehmer an. Wie läuft das ab?

Das ist themenabhängig. Ich habe eine Auswahl auf meiner Seite, die sich durch Anfragen, Gespräche und Kontakte in dieser Form entwickelt hat, die sich jedoch problemlos anpassen lässt. Werde ich von einer Firma gebucht, erfasse ich zunächst deren individuelle Situation, um herauszufinden, wie das Seminar bestmöglich angepasst werden kann. Manchmal genügt auch schon ein Workshop. Das ist eine ganz agile Sache.

Gibt es etwas Allgemeingültiges, was du unseren Leserinnen mit auf den Weg geben könntest?

„Habt den Mut euch selbst zu entdecken, euch selbst zu sehen, all eure Facetten freizulegen, mit euch selbst ins Reine zu kommen und schafft euch dadurch ein sicheres Standing”.

Diese Selbstüberzeugung, dieses „ich weiß wer ich bin, ich kenne meine Schwächen und meine Stärken”, das führt zu einer ganz anderen Ausgangssituation und anderen Möglichkeiten. Und einfach hin und wieder mal den Kopf durchpusten um wieder klar zu sehen, Dinge auf den Punkt bringen, und – auch wenn es schmerzt – mal den Finger in die Wunde legen.

Danke liebe Sabine für das inspirierende Gespräch!

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