„Meine Mission: Frauen über 50 sichtbarer machen!”

Instagram

Pro-Age-Aktivistin, Model und Freigeist – die Französin Caroline Ida (60) hat sich in der zweiten Lebenshälfte nochmal ganz neu erfunden. Ihr Ziel: die Unsichtbarkeit von Frauen über 50 in der Gesellschaft überwinden und Frauen dazu ermutigen, sich selbst und das Älterwerden zu akzeptieren. HEYDAY sprach mit der umtriebigen Influenzerin

Caroline Ida 50 plus Influencer

Mit motivierenden Sprüchen und lebensfrohen Mode-Kreationen begeistert Caroline Ida auf Instagram über 31.000 Follower

Liebe Caroline, kannst Du uns ein wenig von Dir und Deinen Projekten erzählen?

Ich habe während des ersten Corona-Lockdowns meinen 60. Geburtstag gefeiert und bin somit, wie man auf Französisch sagt, eine „Sexygénaire”. Weil sich die Gesellschaft nicht mehr für mich interessierte, habe ich vor drei Jahren beschlossen, mich als Influencerin, Bloggerin und Model selbst neu zu erfinden.

Das war ein mutiger und inspirierender Schritt! Wie hast Du es geschafft, als Model zu reüssieren? Was magst Du besonders an diesem Job?

Ich bin zuvor niemals professionell vor einer Kamera gestanden. Aber aufgrund meiner Instagram-Seite haben mich viele Menschen kontaktiert und gefragt, ob ich früher als Model gearbeitet habe. Schließlich baten mich einige Fotografen um eine Zusammenarbeit. Parallel dazu schickte ich einige meiner Selfies an Model-Agenturen. So habe ich es geschafft, mich als Silver Model zu etablieren. Unglücklicherweise gibt es in Frankreich nur wenige Jobs, dafür aber sehr viele Silver Models, was dazu führt, dass ich nur selten über Agenturen gebucht werde. Der Großteil meiner Arbeit als Model läuft über Eigenakquise und direkte Castings.

Die Mode-Industrie ist manchmal ziemlich oberflächlich. Was verbindet Dich mit Mode und was denkst Du über die Gepflogenheiten der Branche?

Ich liebe Mode, aber ich kreiere meine Outfits am liebsten selbst. Denn was meiner Altersgruppe an Looks nahegelegt wird, ist meiner Meinung nach meist nicht das, was mir steht. Außerdem gefallen mir die meisten Sachen nicht. Ich habe eine Vorliebe dafür, verschiedene Stoffe, Muster und Texturen zu kombinieren und trage einfach, wonach mir der Sinn steht. Viele Sachen, die die Modeindustrie produziert, sind einfach nichts für mich.

Was hälst Du von der Altersvielfalt in der Modeindustrie?

Es gibt so gut wie keine Alters-Diversität in der Mode-Branche. Das ist ein riesiges Problem! Wie sollen sich Frauen über 50 damit identifizieren?

Caroline Ida Heyday Magazine Instagram

Auf ihrem Instagram-Account zeigt sich Caroline stets ganz natürlich – sie will anderen Frauen ihres Alters Mut machen und sie dazu motivieren, den eigenen Körper zu lieben

„Auf Instagram sehen wir nur jugendliche Gesichter und mit Photoshop optimierte, perfekte Körper – aber das ist nicht das wahre Leben!”

Caroline Ida

Die meisten Modelabels arbeiten nur mit Millennials – darunter auch Marken für eine deutlich ältere Zielgruppe. Unsere HEYDAY-Leseinnen sagen uns, dass dies nicht dem Zeitgeist entspricht, und dass sie aus Protest nichts von solchen Labels kaufen. Was denkst Du darüber? Warum ignorieren Labels die Zielgruppe über 50 noch immer?

Ja, die Modelabels haben immer nur die jungen Leute im Blick – fast möchte man glauben, es gäbe keine älteren Menschen in unserer Gesellschaft! Das ist das große Problem, gegen das ich kämpfe! Ich kann einfach nicht verstehen, warum sich die Branche so verhält. Sind denn alle blind, was die Pro-Age-Bewegung angeht? Die Frauen über 50 sind immer noch schön, sexy und und haben eine gewisse Kaufkraft! Die Marken sollten mehr über uns nachdenken und ihre Augen für die tatsächliche Gesellschaft öffnen!

Caroline Ida Heyday Magazine Body Positivity Best Ager Model
Caroline Ida Heyday Magazine Body Positivity Best Ager Model

Foto: Denise Boomkens von and.bloom

Du warst mitunter gemeinsam mit deutlich jüngeren Models auf dem Laufsteg – wie war diese Erfahrung für Dich?

Im Rahmen des Salon De La Lingerie in Paris war ich im Januar 2020 zum ersten Mal auf dem Catwalk. Es ist unglaublich, dass dies das erste Mal war, dass Marken ein Profil wie das meine auf dem Laufsteg akzeptieren: fast 60, graues Haar und Kleidergröße 42/44. Es war wirklich eine großartige Erfahrung. Ich fühlte mich sehr frei und ging ganz bewußt für alle Frauen über 50 über Laufsteg. Ich bin immer noch sehr stolz, sie zu vertreten haben zu dürfen! Und es funktionierte – das Publikum applaudierte, als ich den Catwalk betrat. Das bedeutet also, dass die Leute bereit sind, und auf mehr Vielfalt unter den Models warten.

In unserer westlichen Gesellschaft ist das Altern negativ behaftet. Was hältst Du von der Tatsache, dass auch junge Frauen Angst haben, älter zu werden und versuchen, ihr Aussehen zu optimieren? Was denkst Du über den Stellenwert von Schönheit und Jugend im Allgemeinen?

Ich verstehe nicht, warum die westliche Gesellschaft die Tatsache des Alterns nicht akzeptiert. Altern ist ein Teil des Lebens und wir müssen damit klarkommen. Doch stattdessen es macht der Gesellschaft Angst. In Frankreich sind beispielsweise fast die Hälfte der volljährigen Frauen 50 Jahre und älter. Warum sehen wir uns nicht in den Medien? Wir existieren!

Da ältere Frauen so wenig in den Medien vertreten sind, ist es ja kein Wunder, dass jüngere Frauen in Bezug auf ihre zweite Lebenshälfte besorgt sind, und das Altern mit allen Mitteln verhindern wollen …

Dazu muss ich sagen, dass Instagram die Möglichkeit bietet, sich selbst und den eigenen Geschmack zu präsentieren und sich gefahrlos mit Gleichgesinnten auszutauschen. Dennoch sehen wir hauptsächlich junge Gesichter und perfekte Körper, meist auch noch digital optimiert. Aber das ist doch nicht das echte Leben! Für mich ist jede Schönheit einzigartig und kommt von innen. Schönheit wird sichtbar, wenn man sich wohlfühlt und sich selbst liebt.

Die junge Generation hat noch einen langen Weg vor sich. Deshalb ist es seit drei ​​Jahren meine Mission, Frauen über 50 in der Gesellschaft sichtbarer zu machen, um der nächsten Generationen Türen zu öffnen. Denn dann werden sie keine Angst mehr davor haben, älter zu werden!

Viele Frauen, die im mittlerem Alter ihren Job verlieren, tun sich schwer, etwas Neues zu finden. Hast Du ähnliche Erfahrungen gemacht?

Das kann ich bestätigen! Als ich vor drei Jahren meinen letzten Job verlor, musste ich feststellen, dass ich offenbar plötzlich keinen Platz mehr in der Gesellschaft hatte. Es war für mich wirklich schwer, mir das einzugestehen – und ich hatte absolut keine Erklärung dafür. Ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass ich auf einige Bewerbungen keine Antwort erhielt – also bei den Arbeitgebern absolut kein Interesse bestand. Das war der Grund dafür, dass ich mich mit 57 Jahren neu erfunden habe, denn es ist nie zu spät!

Knallfarben auf gebräunter Haut: Caroline genießt das Leben und das zeigt sie auch

In der Pro-Age-Bewegung giltst Du bereits als großes Vorbild. Es gibt allerdings sicher noch viel Handlungsbedarf, wenn es darum geht die Erkenntnis zu verbreiten, dass das Altern kein Schreckgespenst sein muss. Welchen Rat gibst Du den Frauen – können sie sich eines Tages auch darauf freuen, älter zu werden?

Ja, ich bin eine Aktivistin der Pro-Age-Bewegung und auch sehr stolz darauf, viele Frauen auf ihrem Weg in die zweite Lebenshälfte zu unterstützen! Natürlich gibt es eine Menge zu tun. Aber alles beginnt damit, dass wir den natürlichen Prozess des Alterns akzeptieren und ihn als Chance sehen sollten. Denn nicht jeder Mensch bekommt diese Chance. Außerdem brauchen wir mehr Zusammenhalt und gegenseitige Unterstützung. Ich versuche Frauen dabei zu helfen, indem ich mich in den sozialen Medien total natürlich zeige, in all meiner Unvollkommenheit. Mein Tipp: Sich selbst jeden Morgen im Spiegel mit einem großen Lächeln begrüßen. Das hilft!

Viele Magazine geben Frauen in einem bestimmten Alter vor, was in Bezug auf Lebenseinstellung, Verhalten, Kleidung und Make-up „geeignet“, „passend“ oder „altersgerecht“ ist. Was hältst Du von diesen veralteten Regeln?

Ich kämpfe gegen diese Diktate – immer und immer wieder! Wer bitte hat die Autorität, mir zu sagen, was ich anziehen soll oder wie ich mich verhalten muss? Ich möchte meine Haare natürlich, grau und lang tragen. Warum in aller Welt sollte ich das nicht tun? Ich lasse mich von anderen Meinungen und sogenannten „Verhaltensregeln” nicht beeinflussen. Ich mache was ich will! Ich bin ein freier Mensch, und meine Freiheit gibt mir die Möglichkeit zu sein, wer ich bin!

„Ich entwerfe meine Lebensweg jeden Tag neu – und das mache ich allein mit mir selbst aus”

Caroline Ida

Was bedeutet Schönheit für dich? Was denkst Du über die Korrelation zwischen Schönheit und Alter? 

Schönheit! Was für ein wundervolles Wort – und gleichzeitig gefährliches Wort! Es gibt verschiedene Arten von Schönheit, und jede von ihnen ist einzigartig. Jede Frau erstrahlt in ihrer eigenen Schönheit. Schönheit hat absolut nichts mit Alter zu tun, das muss uns allen klar sein!

Ein bekanntes Zitat lautet „Altern ist nichts für Feiglinge”. Was denkst Du persönlich über das Älterwerden? Welche Vor- und Nachteile hast Du körperlich, geistig und in Bezug auf Deine innere Einstellung erlebt?

Das Zitat ist mir neu – ich liebe es! Aber ob feige oder mutig, der Alterungsprozess ist nunmal ein Teil unseres Lebens. Basta. Ehrlich gesagt, fühle ich mich mit meinen 60 Jahren sehr wohl. Ich denke, dass in jedem Lebensalter Illusionen und Desillusionen mitschwingen. Aber wir können den Alterungsprozess nicht stoppen und müssen lernen, damit umzugehen. Ich habe keine Angst davor, älter zu werden, soweit mein Körper mich unterstützt und mein Gehirn immer noch wachsam ist. Und was meine Einstellung betrifft: Ich entwerfe meinen Lebensweg jeden Tag neu – das mache ich ganz allein mit mir selbst aus. Ich werde auf alle Fälle weiterhin jeden Morgen mit einem Lächeln auf meinen Lippen aufwachen und das Leben begrüßen. Ich kann dazu nur sagen: Lernt, freundlich mit euch selbst umzugehen!

Diversity, also Vielfalt, ist derzeit ein großer Trend in der Werbung. Was denkst Du darüber?

Es ist an der Zeit, dass auch die Werbung endlich die Augen öffnet! Aber es wird noch dauern, bis die ständige Sichtbarkeit der menschlichen Vielfalt von allen Gesellschaftsschichten als ganz normal wahrgenommen wird. Ich denke jedoch, dass die sozialen Medien diese Bewegung rapide voranbringen. Aber es liegt immer noch ein langer Weg vor uns. Denn manche Menschen fürchten diese neue Bewegung von Menschen, die sich selbst verwirklichen und der Welt neue Möglichkeiten zeigen wollen. Ich denke aber, dass wir bereits auf dem richtigen Weg sind. Und heutzutage geht ja alles ganz schnell.

Es ist, was es ist: Für Caroline beginnt Pro-Age-Aktivismus damit, das eigene Alter voll und ganz zu akzeptierenund sich nicht zu scheuen, alles auszuleben, auf was man gerade Lust hat


Fotos: maisonlouve 

Wenn wir älter werden, verändert sich auch der Körper. Was empfiehlst Du Frauen, die sich in ihrem Körper nicht mehr wohl fühlen?

Ja, unser Körper verändert sich. Umso wichtiger wird es, uns auch weiterhin um ihn zu kümmern – durch gute Ernährung, Bewegung und schließlich einen wachen Geist, der nicht aufhört, stets zu lernen, zuzuhören, hinzusehen und sich seiner selbst bewusst zu sein! An dieser Stelle empfehle ich ausdrücklich Yoga. Denn es tut nicht nur auf körperlicher, sondern auch auf mentaler Ebene gut. Wenn Körper und Geist im Einklang sind, werden wir stärker. Mein Rat: Schau dich nackt im Spiegel an und betrachte jeden Teil deines Körpers von deinen Füßen bis zu deinem Kopf. Halte bewusst an jedem Teil an. Gib dir Liebe und hör auf, dich selbst zu kritisieren! Das ist dein Körper – es ist wichtig, dass du ihn akzeptierst und zu lieben lernst.

Wie hast Du gelernt, Dich selbst zu unterstützen und zu akzeptieren?

Der Weg dorthin war lang. Aber ich hatte als junges Mädchen den Vorteil, dass meine Eltern mir und meinen Schwestern immer das Gefühl gaben, dass wir schön sind. Mit diesem Gedanken bin ich aufgewachsen und diese positive innere Stimmung machte mich stark. Ich hatte nie das Gefühl, mich selbst nicht zu mögen. Bis heute akzeptiere ich mich, wie ich war, wie ich bin und wie ich mich in Zukunft verändern werde. Ich weiß, dass das nicht für jede Frau so einfach ist. Es kann ein langer harter Weg sein. Aber man kann man sich dabei auch helfen lassen.

Langes graues Haar ist Dein Markenzeichen. Wann und warum hast Du Dich dazu entschieden, Deine Haare nicht mehr zu färben?

Seit ich 15 Jahre alt war, trug ich blonde lange Haare. Und ehrlich gesagt konnte ich mir nie vorstellen, irgendwann einmal graue Haare zu akzeptieren. Doch genau das tat ich schließlich vor drei Jahren. Vor vor zwei Jahren litt ich unter Haarausfall, was mich sehr besorgt hat. Also beschloss ich, von einem Tag auf den anderen meine Haare nie wieder zu färben und meine natürliche Haarfarbe endgültig zu akzeptieren. Es war anfangs nicht so einfach, weil ich nicht daran gewöhnt war, und meine Tochter mich fragte: „Du wirst doch nicht etwa grau bleiben…?“ Doch obwohl mich meine Familie anfangs nicht ermutigte, hielt ich daran fest. Heute schimmern meine Haare in vielen verschiedenen Tönen. nicht ganz Weiß, nicht ganz Grau, eher eine Art gemischtes Silber. Es ist auch immer noch etwas Blond dabei, aber ich möchte trotzdem nichts verändern.

Was ist Deine persönliche Botschaft in Bezug darauf, eine Frau zu sein?

Im Leben muss man etwas wagen! Und die einzige Person, die Entscheidungen für dich treffen kann, bist du, und nur du allein!

Selbstbewusste Silberfüchsin: Caroline akzeptiert keine sogenannten „Verhaltensregeln“ für Frauen ihres Alters. Sie ist ein Freigeist und macht stets genau das, was sie will

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