Generationsübergreifend

Ein Hoch auf den Dialog von Großmüttern und Enkelinnen: Hey Nana ist eine neue Online-Plattform, die dem Austausch der Generationen dient – denn es gibt so vieles, was man sich erzählen, voneinander lernen und gemeinsam unternehmen kann.

Drei Generationen in Aktion: Hey Nana-Gründerin Edith Löhle (links) mit ihrer Großmutter Klara, fotografiert von ihrer Mutter Doris, die Klaras Tochter ist. Das schöne Bild dokumentiert die Initialzündung der Online-Plattform für Omas und Enkelinnen. Foto: Doris Löhle

Alles begann mit dem lange vergeblichen Versuch von Journalistin und Autorin Edith Löhle, ihrer Oma Klara (damals 94) das Konzept des Carsharing zu erklären – und damit irgendwie auch gleich noch die ganze neue und verwirrende digitale Welt, in der wir heute leben. Die größte Herausforderung für Edith: Zurückfinden zu einer allgemein verständlichen Sprache, ohne Anglizismen und Trend-Begriffe. Im Gegenzug entdeckte sie, dass ihre Oma jede Menge „Sachen drauf hat, die ich und die Frauen meiner Generation nicht annähernd verstehen oder umsetzen können“.

Nach der Unterhaltung kam Edith ins Grübeln: Sie beschloss, den Dialog mit ihrer Großmutter online zu dokumentieren, und dachte auch gleich noch weiter: „Warum das Gesprächsfeld nicht auch für andere eröffnen? Immerhin geht es hier um ein gesellschaftliches Thema.“ Gedacht, getan: Sie hob Hey NanaNana ist das schweizerdeutsche Wort für Oma – aus der Taufe, eine Plattform, auf der „Enkelinnen und Großmütter selbst über ihr besonderes Band schreiben können. Eine Seite, die wachsen kann – genau wie das Mitgefühl für andere Generationen.“

„Ich versuchte mich also in die Lage einer Rentnerin zu versetzen, die den Fernseher anschaltet und dann beschallt wird mit Werbung für Apps und digitale Inhalte auf Geräten, die sie nicht besitzt”

Edith Löhle
Fotos: Jadu

Einmal im Leben fliegen – Enkelin Jadu ließ den Herzenswunsch von Großmutter Maria, damals 81, in Erfüllung gehen. Gemeinsam flogen die beiden nach Sardinien: „Oma ist auf dieser Reise richtig aufgeblüht, man sieht ihr die neue Lebensenergie an. Sie strahlt und zehrt noch heute von den Erinnerungen an Sardinien. Im Flugzeug über den Wolken, bei einem Picknick auf dem Boot, begleitet von Delfinen, am Strand unter Palmen, mit ihren Füßen im Meer.“

Und weil Edith gerade so im kreativen Schwung war, stattete sie ihre Plattform auch gleich noch mit einer Oma-Börse aus. Dort hat alles Platz, was den Austausch der Generationen fördert – von jungen Frauen, die eine Adoptiv-Oma suchen über freiwillige Helferlein im Altersheim bis hin zur lebensweisen Großmutter, die jungen Menschen etwas beibringen kann und will.

Auf Hey Nana tummeln sich mittlerweile diverse Oma-Enkelin-Gespanne, die viel über ihr Leben zu erzählen haben, sich gegenseitig mit Rat und Hilfe zur Seite stehen und zudem gemeinsam allerhand Erstaunliches auf die Beine stellen.

Da sind zum Beispiel Barbara und Cala, die trotz eines Altersunterschieds von 63 Jahren eine fröhliche Familien-WG gegründet haben. Da ist die Geschichte von Kim und Inge, über deren gemeinsamen Podcast sogar das Fernsehen mehrmals berichtete. Purista und Gertrud leisten gemeinsam Trauerarbeit, Jadu und Maria haben zusammen die erste Flugreise für die Oma angetreten, und Ira und Gertrud sprechen am liebsten über aktuelle Themen und den Zustand der Welt. Das wahre Leben geteilt durch Zwei – neue Horizonte tun sich auf, und das für beide Generationen.

Kim und ihre Großmutter Inge haben gemeinsam ein Podcast-Projekt gestartet: Jeden Mittwoch treffen sie sich und nehmen unter dem Titel Die Podcast Oma ihre Gespräche auf. Beim Publikum kommt das unglaublich gut an, wie die Kommentare z. B. auf Youtube beweisen: „Ich könnte euch stundenlang zuhören. Ganz tolle Idee mit deiner Oma,“ schreibt ein Fan, oder auch „Herrlich deine Oma. Ich höre ihr so gern zu,“ und „Ich kann garnicht aufhören zuzuhören. Ich liebe Geschichten von früher, habe aber leider keine Omis mehr“.

Die Geschichten, die die jungen Frauen auf der Plattform über ihre Großmütter erzählen, werden liebevoll OMAge genannt. Die Beiträge haben fast alle eine andere Form, mal ist die OMAge ein Gedicht, manchmal eine Art Interview mit der Oma, dann wieder ein Reisebericht oder einfach ein fortlaufender Dialog. Die Themen sind vielfältig: Es geht um das Heute und Gestern, um den Umgang mit Schicksalsschlägen und Krankheit, um Erkenntnisse, Liebe, Leid und Lebensfreude – und natürlich finden auch die Opas Erwähnung.

Absolut lesenswert ist das vornehmlich für all jene, die sich in einem Familienumfeld mit mehreren Generationen bewegen, aber nicht mit ihnen unter einem Dach wohnen – und dadurch vielleicht ein weinig den Anschluß verloren haben. Man kennt das ja, die Oma ist rund um Weihnachten gefragt, bei Geburtstagen und Familienfesten darf sie auf keinen Fall fehlen. Aber wie sieht es im Alltag aus?

Was macht die Oma eigentlich Tag für Tag, wann hat man sie zuletzt spontan besucht, oder etwas mit ihr unternommen? Ich selbst bin einmal meiner eigenen Großmutter in einer City-Fußgängerzone ewig lange hinterhergelaufen, weil ich mir nicht sicher war: Ist diese alte Dame mit der großen Handtasche meine Oma? Ich hatte sie so gut wie nie ausserhalb der vertrauten Umgebung ihres stets überheizten Wohnzimmers nebst liebevoll gedecktem Kaffeetisch zu Gesicht bekommen – mein Gehirn konnte sie einfach nicht zweifelsfrei identifizieren. Soweit muss es nicht kommen, oder? Irgendwann ist es zu spät!

Am Anfang wurde die Idee noch abgewogen, als Wagnis bewertet: Zusammenleben mit über einem halben Jahrhundert Altersunterschied? Geht das gut, wird das Spaß machen, wie anstrengend kann das für beide Seiten werden? Doch als Barbara und ihr Partner ihr Haus bauten, entschieden sie sich dafür, Barbaras Oma Cala, die eigentlich nicht die leibliche Großmutter ist, sondern einst das Kindermädchen von Barbaras Vaters war, in die Wohngemeinschaft aufzunehmen. Bereut haben sie ihren Entschluß seither kein einziges Mal.

„Sie ist 94, ich 31 – und wir führen eine WG. Meine Oma sieht immer nur das Positive. Jede Herausforderung nimmt sie an und findet etwas Gutes daran.”

Barbara Reck

„Was wäre unsere Gesellschaft ohne die Alten? Was wären wir ohne ihre Lebenserfahrung? Was wären wir ohne unsere Omis? Und was wären sie ohne uns?”

Edith Löhle


Aber auch die Großmütter können hier etwas lernen: Viele nehmen sich sehr zurück, weil sie die Jüngeren nicht nerven wollen, und überhaupt ist die ältere Generation oft zu genügsam und bescheiden. Aber warum nicht mal der Enkelin ins Haus fallen, ihre Lebenswelt kennenlernen, sich auf ganz persönlicher Ebene annähern, in privater Atmosphäre, weit ab vom Familien-Festtagstisch? Genau für solche Treffen bietet Hey Nana jede Menge Impulse und Inspirationen. Einfach mal ausprobieren!

Daher hier der Aufruf an unsere HEYDAY-Frauen: Mitmachen! Wo sind die agilen Großmütter, die sich ihre Enkelinnen schnappen, um zu reden, gemeinsame Unternehmungen anzustoßen und schlussendlich auch etwas zu Hey Nana beizutragen? Wer eine Enkelin hat, die gerne „Hey Nana“ sagen würde, schreibt direkt in das Formular der Oma-Börse oder per Mail mit Foto an hallo@edithloehle.de.

PS: Omas und Enkelinnen, sich nicht selbst einbringen wollen, können auf Hey Nana immer noch dem Spendenaufruf für den Verein Lebensherbst e.V. folgen – ein Appell an unser Mitgefühl für Menschen der älteren Generation, die vielleicht keine Enkel haben, die sie besuchen. Der Verein finanziert und organisiert in mittlerweile über 50 Pflegeheimen Freizeitaktivitäten wie Ausflüge, Lesungen, Konzerte oder Feste. Ziel ist es, das Leben von Senioren fröhlicher, abwechslungsreicher und lebenswerter zu gestalten. Eine gute, unterstützenswerte Sache.

Foto: Mandy Eichler

„Früher war alles besser? Diese Meinung verstehe ich nicht“, sagt Ute, die Oma von Anne. Kein Wunder, denn Anne ist Künstlerin, jettet hin und her zwischen London und Berlin, und lebt ein Leben in Pastellfarben. Ihre Großmutter dagegen wurde in Kriegszeiten geboren, und hatte lange Zeit sehr vieles zu erdulden. „Die Gespräche mit meiner Oma und die Vergleiche unserer beider Leben machen mich immer wieder dankbar,“ sagt Anne. „Dann nämlich fällt es mir noch extremer auf, wie frei wir heute sind.“


Die Gründerin

Foto: Thomas Löhle

Hey Nana-Gründerin Edith Löhle mit ihrer Mutter Doris. Die Autorin begann ihre Laufbahn 2006 in der Redaktion der Bravo. Heute schreibt sie als freie Journalistin für Magazine und Zeitungen – hauptsächlich entstehen dabei Geschichten über starke Frauen. Mal reinlesen?
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