Ein Gespräch unter Freunden: Künstler-Managerin Anke Lönne, die jüngst ihren 50. Geburtstag feierte, in einem erzählten Dialog mit HEYDAY-Autor Björn Lüdtke. Die beiden kennen und mögen sich seit rund 15 Jahren, beste Voraussetzungen also für eine entspannte und offene Unterhaltung über die Verwirklichung von Träumen, das Loslassen – und die Erkenntnis, was man kann und was man will …
Fünfzig! Vor dieser Zahl haben viel Frauen Angst, zumindest wenn es dabei um ihren Geburtstag geht. Anke Lönne nicht. Überhaupt ist die Managerin von Medienleuten kein ängstlicher Mensch. Sie hat sich mit Mitte 40 das getraut, was wenige tun: ihren Traum zu verwirklichen, bevor es zu spät ist. Was das für ein Traum war — und ob die Realität ihm entsprach, davon erzählt die in Köln lebende Moderatoren-Agentin in einem ungewöhnlich offenen Gespräch ein paar Tage vor ihrem 50. Geburtstag.
Wer Anke Lönne verstehen will muss eines wissen: Sie liebt Köln. Sie wird in Hessen geboren und, abgesehen von einer kurzen Unterbrechung in Berlin, wohnt sie dort seit knapp dreißig Jahren.
„Das Köllner Agnesviertel ist meine Heimat. Das ist der Platz in meinem Leben, an dem ich am längsten am Stück gewohnt habe. Ich kenne hier jeden Stein. Ich dachte immer, ich wäre total unabhängig von sowas und könnte mich überall wohlfühlen, aber das stimmt nicht. Im Moment lebe ich im Exil in Sülz, daran Schuld ist eine Kündigung wegen Eigenbedarf, ich habe aber nun zum Glück wieder eine Wohnung in meinem Lieblingsveedel gefunden. Ich vermisse es, die Leute zu kennen, sich auf der Straße zu grüßen, dass alles um die Ecke ist. Ich fand Köln als Kind schon toll.“
Anke und ich aßen einmal bei einem Italiener in ihrem Viertel, die Tische dort standen recht eng beieinander. Plötzlich wendet sich das Pärchen am Nachbartisch uns zu und nimmt Bezug auf unser Gespräch. In Berlin wäre das undenkbar, in Köln ist das normal, erklärt mir Anke damals. Ich frage sie, was sie an Köln so schätzt.
„Dass es so bodenständig ist, ich mag die Sprache, wenn ich von einer Reise komme und die Menschen hier sprechen höre, dann geht mir das Herz auf! Es ist praktisch hier, innerhalb von 20 Minuten bin ich, trotz Großstadt, überall. In meiner Branche bist du hier extrem gut vernetzt. Es ist zwar ein abgedroschenes Klischee, aber es stimmt: Köln ist optisch keine schöne Stadt, sie wird erst durch ihre Bewohner schön. Köln ist eine Stadt, die es einem leicht macht. Wenn du es nicht schaffst, in Köln Anschluss zu finden, liegt es nur an dir. Du kannst hier alleine überall hingehen, du musst nicht alleine bleiben, du wirst immer jemanden finden — den wirst du vielleicht nicht wieder sehen, da wird vielleicht auch nicht die engste, dickste Freundschaft draus, aber ihr werdet einen netten Abend miteinander verbringen.“
Eigentlich wollte Anke Maskenbildnerin an den Oper werden. Die vorausgehende Ausbildung zur Friseurin muss sie jedoch wegen Allergien abbrechen. 2000 fängt sie in einer Agentur an, die Moderator*innen vertritt. Die TV-Journalistin Nina Ruge motivierte sie zur Selbstständigkeit, heute vertritt sie TV-Moderator*innen und Expert*innen.
„Früher sagte ich an anstrengenden Tagen: Ich bin eine Nanny für Erwachsene, die sich das leisten können. Ich arbeite mit Menschen zusammen, die in der Öffentlichkeit stehen und mache alles, halte ihnen den Rücken frei, damit sie ihren Job machen können. Dazu gehört die Pflege meines Netzwerks zur gesamten Medienbranche, dass ich Verträge verstehe und verhandle, dass ich meine Klienten begleite, dass ich sie auch mal an die Hand nehme und coache und neue Engagements für sie finde oder Impulse zum Umdenken gebe. Im Zweifel gehört es auch mal dazu, dass ich darauf achte, dass sie gut angezogen sind.“
Es gab eine Zeit, in der sie sehr mit ihrem Beruf und der Branche haderte.
„Ich habe mich mit 30 selbständig gemacht — wofür ich Nina Ruge übrigens sehr dankbar bin. Damals dachte ich, ich hätte die Weisheit schon mit einem ganz großen Löffel gefressen, aber jetzt mit 50, da ist 30 ein Scherz, ich wußte damals noch gar nichts. Du bist noch gar kein ausgebildeter Charakter. Bestimmte Dinge kannst du gar nicht abwehren, einordnen und lenken, weil du dich selbst erstmal noch finden musst. Ich habe auch mit extremen, schwierigen Charakteren gearbeitet, ich war noch unerfahren und habe mir viel zugemutet und hingenommen.
Ich bin in die Selbständigkeit reingeschliddert, hatte vorher angestellt gearbeitet. Dann stand plötzlich die Frage im Raum, ob ich mich selbständig machen möchte – klar wollte ich! Und dann ging alles rasend schnell und wurde immer größer und ich konnte gar nicht ermessen, ob ich das überhaupt will und was das für mich und meinen Job bedeutet, nämlich letztendlich, dass er dann ein ganz anderer ist, wenn es plötzlich Mitarbeiter gibt und ein Büro … ich war jung und dachte, das sei normal, hatte keine Zeit zum Hinterfragen und Reflektieren und dann wurde es sehr anstrengend.“
Die Unzufriedenheit mit ihrer Jobsituation nährt bei Anke den Wunsch, einen lang gehegten Traum endlich in die Tat umzusetzen: Anke liebt Sneakers und weil es die coolsten Modelle immer nur für Jungs gibt macht sie gemeinsam mit einer Freundin einen entsprechenden Laden für Frauen auf …
„Das war die beste Erfahrung, die ich machen konnte. Für meine Persönlichkeit und meine Entwicklung war dieser Schritt entscheidend. Es wäre sonst immer nur der Traum gewesen, den ich nicht umgesetzt habe.“
Schon nach einem Jahr sperrt sie ihren Shop wieder zu, denn zwischen Traum und Realität liegen Welten.
„Du machst dir als Kunde keinen Begriff davon, woher das überhaupt kommt, was du gerade kaufst — und was für einen Stress der Ladenbesitzer hatte, das überhaupt ins Regal zu kriegen. Ich ziehe den Hut vor jedem, der das macht.
Was ich total unterschätzte und was mich irre gemacht hat, war stationär gebunden zu sein. Das kenne ich von meinem Medienjob nicht. Wenn mir jetzt einfällt, ich muss mal schnell zur Post, dann gehe ich zur Post.
Den Laden kannst du aber nicht so einfach zu machen, wenn du dort alleine stehst. Teilweise bist du richtig ausgeliefert, komme, wer wolle. Eine ehemalige Arbeitskollegin begrüßte mich einmal mit dem Satz, „So jetzt kannste mir mal nicht weglaufen.“ In dem Moment wurde mir vieles klar. Noch ein halbes Jahr länger und ich weiß nicht was passiert wäre.“
„Mein geplatzter Traum hat mich gelehrt: Ich bin mutig, und vor allem bin ich nie um Lösungen verlegen – ich muss mir keine Sorgen um mich machen”
Sie kehrt in ihren eigentlichen Beruf als Managerin für Moderator*innen zurück.
„All das hat mir gezeigt, wie toll mein Agenturjob, den ich ja parallel sehr abgespeckt trotzdem weiter führte, eigentlich ist. Und auch, dass ich darin richtig gut bin! Die Erfahrung hat mich auch gelehrt, wie ich meinen Job machen möchte – eben nicht mehr so, wie zu der Zeit als ich total in diesem Hamsterrad gefangen war, zwar viel mehr Geld verdiente als jetzt, aber davon am Ende nichts hatte.“
Anke arbeitet nun wieder alleine, aus dem Homeoffice oder einem Coworking-Raum. Das abgespeckte Version ihres Jobs empfindet sie jedoch nicht als negativ, eher als befreiend.
„Ich finde mein Leben und meinen Job gerade richtig gut, ich habe wenige Klienten und die müssen auf mich zukommen. Ich bin flexibel und wendig und kann mich schnell auf neue Herausforderungen einstellen. Und viele Sachen mache ich nicht mehr mit, das sage ich direkt in ersten Gesprächen. Ich bin keine Red Carpet Lady, da gibt es andere, die machen das viel besser und mit großer Leidenschaft. Wenn aber jemand gesucht wird der Inhalte kreiert, querdenkt, sich traut unpopuläre Entscheidungen zu treffen, Mitarbeit einfordert und ein extensives Netzwerk hat, dann passt’s. Ich lerne gerne von meinen Klienten, daher finde ich die Zusammenarbeit mit Experten aus unterschiedlichen Bereichen wertvoll.“
Was ist eine positive persönliche Erfahrung aus geplatzen Traum mit dem Laden?
„Ich bin nicht ängstlich, ich bin mutig, und vor allem bin ich nie um Lösungen verlegen, ich muss mir keine Sorgen um mich machen. Es geht immer weiter und dieses Bewusstsein wurde bestärkt.“
Im Juni 2020 wurde Anke 50 — „Das neue 40“,wie es immer wieder heißt. Ist es in unserer Gesellschaft ein Tabu, älter werden gut zu finden?
„Das finde ich richtig schlimm. Ich erlebe das im Freundeskreis oder bei Frauen, die einen Job in der Öffentlichkeit machen, wenn es dazu kommt, das Alter zu nennen, dass sie das nicht tun. Wenn ich dann zum Beispiel sage, dass ich mich auf meinen Fünfzigsten freue, dann erstarren sie, dann kommt immer, „Nee nee, du bist noch nicht 50“. Doch bin ich, und es ist auch gar nicht schlimm. „Ja aber du bist ja nicht wie eine 50-Jährige.“ Das ist doch totaler Quatsch, wer sagt denn, wie eine 50-Jährige zu sein hat? Das konnte mir auch noch keiner beantworten. Ich finde 50 richtig gut, das ist eine klare Ansage.“
Der Körper verändert sich ja trotzdem.
„Mittlerweile akzeptiere ich diese Veränderung. Ich war noch nie ein Mädchen, das total schlank und drahtig war, ich habe da aber nie drunter gelitten. Eine Zeit lang habe ich viel Sport gemacht, bin Halbmarathon gelaufen. Da hatte ich einen ziemlich trainierten Körper, aber wenn ich mich daran zurück erinnere, war das Leben damals so anstrengend, regelrecht unsozial, ich bin mit niemandem mehr ausgegangen, ich hab nur geguckt, was ich esse, irgendwann hat das auch keinen Spaß mehr gemacht. Ich esse gerne und lass es auch sonst gern mal krachen.
Ich finde es total spannend, wie sich alles verändert, aber das kann ich wiederum nur sagen, weil es mir gut geht, ich bin nicht krank, ich habe keine Schmerzen, wahrscheinlich wäre das sonst anders. Ich lebe ganz vernünftig, ohne mich total zu disziplinieren, ich find’s okay.“
Das heißt aber nicht, dass das Äußere nicht wichtig wäre.
„Auf jeden Fall ist mir mein Äußeres wichtig. Ich habe zum ersten Mal mit 36 eine Botox-Behandlung machen lassen und bin offen für vieles was mein lieber Feund, Dr. Volker Rippmann, mir anbietet. Das finde ich gut und ich merke auch den Unterschied. Ich gehe gerne zum Frisör, ich ziehe mich gerne an, ich kaufe mir gerne schöne Sachen. Mir wird das sogar immer wichtiger. Nicht, dass ich die ganze Zeit aufgedonnert durch die Gegend rennen muss, aber ich finde das ist ein Stück Haltung, die ich dem Alter auch gern entgegen bringe. Auch in der Corona-Zeit war es mir wichtig, mich hübsch zu machen, und nicht nur in meinem Pyjama rumzusitzen, weil mich das in eine bestimmte Verfassung bringt und gute Laune macht. Ich finde auch, es ist die Aufgabe von uns allen, das ist Wertschätzung unseren Mitmenschen gegenüber, einfach ein bisschen hübsch zu sein.“
Was hat sich die heutige Anke von ihrem Ich im Teenager-Alter bewahrt?
Viel. Ich traue mich, Dinge anders zu machen als andere oder anders zu denken. Ich bin Einzelkind und beim Entscheidungen treffen auch meist Einzelgänger. Ich habe mir bewahrt, Dinge einfach mal zu machen und nicht zu zerdenken. Wenn mir etwas logisch erscheint, dann mache ich das – natürlich aber heute nicht mehr ganz so fahrlässig wie früher.
Ich war kein ängstliches Kind und musste auch für meine „Alleingänge“ gerade stehen. Es hat sich am Ende immer gelohnt, weil ich hinterher immer ein bisschen schlauer war.“
Was ist heute mit 50 besser als mit 20, 30, 40?
„Das kann ich dir sagen, diese Ruhe, die man hat. Man hat im besten Fall schon viel erlebt — dann hat man es auch überlebt, es kann einen so schnell nichts mehr aus der Bahn werfen. Die Katastrophen kommen ohnehin, aber sie gehen auch immer wieder vorbei. Ich lasse mich nicht mehr so stressen und bin gnädiger mit mir selbst. Manche Fehler mache ich zwar heute noch genauso wie vor 20 Jahren, aber ich bin gelassener. Wenn etwas schief geht, dann mach ich eben wieder was Gutes daraus.