„Ich zähle keine Geburtstage”

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Model und Fecht-Profi Claudia Maria Ferreira de Costa (59) hat eine Message: Sie möchte Frauen ihres Alters eine Stimme geben und zeigen, was in ihnen steckt. Im HEYDAY-Interview erzählt die Brasilianerin, wie sie zum Fechten gekommen ist, und was sie am Älterwerden richtig nervt

Claudia Maria Ferreira da Costa Heyday Magazine

Voller Lebensfreude und Elan: Claudia Maria Ferreira de Costa möchte der Welt zeigen, dass sich Frauen in ihrem Alter immer noch alle Träume erfüllen können

Wenn Claudia Maria Ferreira Da Costa nicht für Marken wie Clarins oder Editorials vor der Kamera steht, oder als Model-Coach arbeitet, schwingt sie den Degen und trainiert für ihr Heimatland Brasilien, das sie bei der Fecht-WM in der Veteranen-Kategorie vertritt. Mittlerweile wohnt die Kosmopolitin, die fünf Sprachen spricht und unter anderem in Amerika und Japan gelebt hat, in Zürich und fliegt normalerweise – wenn Corona nicht wäre – überall hin, wo sie gebucht wird. Wir haben mit der sympathischen, selbsternannten Nomadin über ihren Sport, die nervigen Seiten des Älterwerdens und über die lange Tradition von Körperkult in Brasilien gesprochen.

HEYDAY: Liebe Claudia Maria, bitte erzähle uns ein wenig über die Anfänge Deiner Model-Karriere in den 80ern…

Claudia Maria Ferreira da Costa: Als ich mit Anfang 20 in Houston lebte und für dort für eine brasilianische Ölgesellschaft arbeitete, hatte ich einen Kollegen, der mir fast jeden Tag sagte, ich solle mit dem Modeln anfangen. Irgendwann schrieb ich mich an einer Modelschule ein. Daraufhin wurde ich in kürzester Zeit für Fotoshootings für Zeitungen, Editorials und auch für Werbeaufträge gebucht. Nach einigen Monaten lud mich dann ein internationaler Agenten nach Paris ein. Als ich dann am Pariser Wahrzeichen Arc de Triomphe stand, hatte ich eine Art Schlüsselerlebnis: Ich wußte, dass sich mein Leben verändern, und danach nicht mehr das gleiche sein würde.

Du hast aber noch eine zweite Karriere und Leidenschaft – und zwar als Fechterin. Wie hast Du diese Sportart für Dich entdeckt?

Obwohl ich das Fechten erst spät, im Alter von 44, für mich entdeckt habe, ist der Sport meine absolute Leidenschaft und fester Bestandteil meines Lebens. Alles begann im Jahr 2006 – meine Zwillinge waren im Kleinkind-Alter und ich hatte das Bedürfnis nach einem sportlichen Ausgleich. Ich war auf der Suche nach etwas Neuem, probierte das Fechten einfach aus, und war sofort begeistert. Dann ging alles ganz schnell. Ich fing im September an und im Dezember darauf bestritt ich mein erstes Turnier.

Was fasziniert Dich an dieser Sportart?

Ich mag die Art, wie man Kraft einsetzt und seinen Körper kontrollieren muss. Bei keiner anderen Sportart werden alle Sinne gleichzeitig herausgefordert. Durch das Fechten habe ich gelernt, im Moment zu bleiben. Es stärkt die Konzentration und die Geduld. Manchmal fühle ich mich wie ein Kind beim Spielen, aber das Fechten hat tatsächlich meinen Kampfgeist und Mut geweckt – Eigenschaften, von denen ich gar nicht wusste, dass ich sie besitze.

„Wenn Kunden mich heute für einen Job buchen, geht es nicht nur um mein Aussehen, sondern auch darum, wer ich bin. Es geht um mich als Person. Ich nutze das Modeln als Chance, Frauen meiner Altersklasse eine Stimme zu verleihen”

Wie kam es, dass Du nach vielen Jahren den Weg zurück ins Model-Business gefunden hast?

Als ich mit meiner Familie in den USA lebte, lernte ich in Santa Fe zufällig ein wunderschönes Mädchen namens Arizona Muse kennen. Ich brachte sie zu Next Model Management, einer ziemlich bekannten Modelagentur, und wurde ihre Agentin. Eines Tages bot mir die Agentur an, mich zu vertreten. Erst war ich mir nicht sicher, ob ich einen Job machen kann, der eigentlich mit Jugend verbunden ist. Doch nach und nach bekam ich immer mehr Selbstvertrauen. Denn ich liebe es, als Model zu arbeiten. Und in meinem Alter macht es sogar noch mehr Spaß als damals in meiner Jugend. Wenn Kunden mich heute für einen Job buchen, geht es nicht nur um mein Aussehen, sondern vor allem darum, wer ich bin. Es geht um die Person dahinter. Ich sehe das Modeln als Möglichkeit, Frauen meiner Altersklasse sichtbar zu machen und ihnen eine Stimme zu verleihen.

In Deinem Geburtsland Brasilien haben Körperkult und Ästhetik eine lange Tradition. Schönheit gilt sozusagen als Statussymbol. Wie hat das Deine persönliche Sicht auf Schönheit beeinflusst?

In unserer patriarchalischen Gesellschaft werden Frauen für ihre Schönheit und Jugend verehrt. Das geht sogar soweit, dass diese Attribute das Gehalt und die Sicherheit des Arbeitsplatzes beeinflussen. Brasilianische Frauen sind grundsätzlich sehr bemüht, ihren Körper zu pflegen und und ihr Aussehen zu optimieren – wenn es sein muss, wird dabei auch mit operativen Eingriffen nachgeholfen. Denn Schönheit gilt als enorme Kraft. In vielerlei Hinsicht kann ich das ehrlich gesagt auch nicht leugnen. Denn Schönheit und Attraktivität haben in der Geschichte der Menschheit schon immer eine wichtige Rolle gespielt, sie sind in unserer DNA verankert. Aber wir sollten uns davon nicht völlig blenden lassen, sondern unserem Herzen folgen und unseren Verstand einsetzen. Unser Intellekt ist dringend erforderlich, um uns und unseren Planeten weiterzuentwickeln.

Was rätst du Frauen, die sich nicht trauen, etwas Neues zu beginnen?

Man muss morgens mit dem Gefühl aufwachen, sich selbst herausfordern zu wollen. Etwas Wagemut gehört da schon dazu. Mein Tipp: Nachdem du diesen Artikel gelesen hast, fordere dich heraus und lerne etwas, das dir nicht so leicht fällt.

In unserer westlichen Gesellschaft lesen wir immer nur von den negativen Begleiterscheinungen des Älterwerdens. Was sagst Du dazu, dass selbst junge Frauen Angst haben, älter zu werden und bereits in jungen Jahren nachhelfen den Alterungsprozess aufzuhalten?

Ich sehe das nicht nur als Problem in unserer westlichen Gesellschaft. Durch meine Arbeit habe ich viel Kontakt zu jungen Frauen. Und sowohl beim Modeln, als auch beim Fechten stelle ich immer wieder fest, dass junge Frauen heute viel selbstbewusster sind als früher. Ich denke, sie sehen das Älterwerden als Chance und Bereicherung. Sie sind nicht so besorgt, wie viele Frauen meiner Generation. Denn sie sehen ja gute Beispiele. Wir sind lebende Beweise dafür, dass die Zukunft gut wird.

„Ich bin so jung, wie ich mich im Herzen fühle. Geburtstage zähle ich nicht. ”

Claudia Maria Ferreira da Costa Heyday Magazine

Liebe auf dem ersten Blick: Das Fechten hat sofort ein Feuer in Claudia entfacht

Claudia Maria Ferreira da Costa Heyday Magazine
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Ihr liegt Kampfgeist: Claudias verstorbener Vater war auch ein begeisterter Fechter

Die Rolle der Frau hat sich in den letzten 50 Jahren stark verändert. Was bedeutet Selbstbestimmung für Dich?

Ich denke, wir haben schon sehr große Fortschritte gemacht – vorausgesetzt man hat das Glück, in bestimmten Ländern zu leben. Dennoch leben immer noch Millionen von Frauen in Unterdrückung – sei es durch Religion oder Politik. Meiner Meinung nach sind diese Mächte noch sehr präsent, denn patriarchalische Strukturen sind immer noch an der Tagesordnung. Es wäre wichtig, dass wir dieselbe Sprache sprechen und verstehen, dass die Zukunft des Planeten in unseren Händen liegt. Für eine gerechtere und eigenständigere Zukunft brauchen wir zum einen Mitspracherecht, zum anderen einen starken Willen. Denn leider wird einem Macht nicht einfach in die Hand gegeben, wenn dann nur genommen. Wenn wir nicht aufwachen und aktiv etwas dagegen tun, kann dieser Prozess der Veränderung noch sehr lange dauern.

Was hälst du vom Jugendwahn?

Ich fühle mich so jung, wie ich mich im Herzen fühle. Ich zähle keine Geburtstage. Ich bin damit gesegnet, gesund zu sein – was nicht selbstverständlich ist. Schönheit ist ein Segen und meiner Meinung nach ist jede Frau schön – auch wenn sie das selbst manchmal anders sehen.

Was bedeutet Glück für Dich?

Mir ist bewusst ist, dass das Leben begrenzt ist. Deswegen versuche ich jeden Tag so zu leben, als wäre es mein letzter. Außerdem versuche ich, die Menschen um mich herum mit kleinen Aufmerksamkeiten eine Freude zu bereiten. Das bedeutet für mich wahres Glück!

Musst Du Dich zum Sport überwinden? Wie schaffst Du es, so fit zu sein?

Ich sehe Sport nicht als lästige Pflicht an, um gesund zu bleiben. Sport ist für mich die ideale Gelegenheit, um Spaß zu haben. Man muss nur eine Sportart finden, die zu einem passt und bei der man seinen Körper gerne bewegt – ganz ohne Druck und Anstrengung. Der Körper ist wie dein Fahrzeug, das dich auf deiner Reise durch das Leben durch die Gegend fährt.

Was stört dich am Älterwerden am meisten?

Die Lesebrille! Obwohl ich eigentlich gute Augen habe, brauche ich eine Lesebrille – und das nervt. Was auch unangenehm ist, sind die nächtlichen Toilettengänge – um ehrlich zu sein, sind das die nervigsten Begleiterscheinungen des Älterwerdens. Was ich richtig gut finde, ist, dass ich seit ein paar Jahren keine Periode mehr habe. Aber meine sexuelle Anziehungskraft fühle ich zum Glück noch zu hundert Prozent. Abgesehen davon, bin ich in diesen Sachen sehr direkt. Ich habe ja nichts zu verlieren!

„Brecht aus eurer Komfortzone aus. Denn nichts ist gefährlicher als Stillstand.”

Was sagst Du dazu, dass immer noch zu wenig Best-Ager-Frauen in der Werbung eingesetzt werden?

Oh, ich sehe das als meine Mission, das zu ändern. Denn wir sind die stärkste Zielgruppe mit der größten Kaufkraft. Das sollten wir den Marken und Werbern klar machen.

Viele Frauen sagen, dass sie sich immer unsichtbarer fühlen, je älter sie werden. Kannst Du dem zustimmen?

Dem stimme ich nicht zu. Aber: Da ist leider auch etwas Wahres dran. Mein Tipp: Macht euch sichtbar, zeigt euch und habt eine Stimme. So lange wir können, sollten wir jede Möglichkeit nutzen. Brecht aus eurer Komfortzone aus. Denn nichts ist gefährlicher als Stillstand.

Was hälst Du von der Macht der sozialen Medien?

Soziale Medien wie Instagram und Facebook sind ideal, um Menschen zusammenzubringen. Gerade für ältere Frauen bieten soziale Medien die Möglichkeit, sich auszutauschen und sich gegenseitig zu supporten. Ich nutze sie, um mit anderen Menschen zu kommunizieren – mit Menschen, die ich sonst nie kennengelernt hätte. Dadurch habe ich viele wundervolle Menschen getroffen. Noch nie in unserer Geschichte gab es ein so mächtiges Kommunikationsmittel. Aber mit dieser viralen Kraft muss man vorsichtig umgehen und Social Media mit Bedacht einsetzen. Ich mag vor allem den visuellen Aspekt. Es beruhigt mich, wunderschöne Bilder von Orten anzuschauen, von denen ich nicht mal gewusst habe, dass sie überhaupt existieren.

Ihre grauen Haare haben Claudia den Wiedereinstieg ins Modelbusiness geebnet

Claudia Maria Ferreira da Costa Heyday Magazine

„Wir leben in einer Zeit der Veränderung. Aber nicht nur die Welt ändert sich, sondern ich mich auch. Ich bin voller Tatendrang und Energie für meine Kinder, denn sie sind mein Halt und mein Licht.”

Dein langes, graues Haar ist dein Markenzeichen. Wann hast Du beschlossen, es nicht mehr zu färben?

Während meiner Scheidung, die sehr nervenaufreibend und schwierig war, kam der Moment, an dem ich aufhörte, meine Haare zu färben. Ich war einerseits neugierig und andererseits auch rebellisch und wollte gegen den Strom schwimmen.

Hast du jemals darüber nachgedacht, es wieder zu färben?

Ich liebe mittlerweile mein natürliches Grau und würde es nie mehr überfärben. Meistens bekomme ich meine Model-Jobs übrigens genau deswegen.

Wie wird sich unsere Gesellschaft durch Corona verändern? Wie siehst Du Deine persönliche Zukunft?

Corona hat vieles aufgedeckt, was wir vielleicht ohne die Pandemie nicht bemerkt hätten – Postitives wie Negatives. Wir können es als Weckruf sehen und aktiv werden oder in eine Depression verfallen. Wir Frauen sollten das Ruder übernehmen und uns ohne große Umwege in eine bessere Zukunft führen. Ich versuche so stark zu sein, wie ich kann. Die Zukunft ist unvorhersehbar. Wir leben in einer Zeit der Veränderung. Aber nicht nur die Welt ändert sich, sondern ich mich auch. Ich bin voller Tatendrang und Energie für meine Kinder, denn sie sind meine Zukunft, mein Halt und mein Licht.

Claudia Maria Ferreira da Costa Heyday Magazine

Durch Zufall lernte Claudia Arizona Muse kennen und erkannte sofort deren Modelpotential. Bis heute ist sie ihre Agentin

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