Zurück in die Zukunft – wenn die alte Liebe wieder auflodert

Nach 21 Jahren der totalen Funkstille meldete sich überraschend eine Jugendliebe bei unserer Autorin Galina Green (49). Sie hatte Ihn einst ohne jede Erklärung sitzen lassen. Was nun? Entscheidungshilfe fand sich in einem Buch der Psychologin Dr. Nancy Kalish. Und der Rest ist Geschichte.

Unsere Kolumnistin Galina mit einer verflossenen Liebe im Jahr 1991
Foto: privat

Mit etwas Glück ist das Leben lang, so viel ist klar. Und die Liste der Männer, mit denen man mal liiert war, ist es auch. Und jene Männer, denen man als junge Frau nahe gekommen ist, vergisst man nicht so schnell – denn abgesehen von tausend anderen Parametern haben auch sie mit geprägt, wer wir sind und zu wem wir wurden. Sie sind teil eines Musters, das sich oft erst nach vielen Lebensjahren offenbart. Erst jetzt, im Rückblick, merkt man vielleicht, dass man schon immer einen „Badboy“-Komplex hatte, oder immer wieder bei emotional distanzierten Männern gelandet ist.

Manchmal schaut man aber auch mit Wehmut zurück und denkt, „Mann, der war so lieb, so toll, warum hab‘ ich mit dem Schluss gemacht? Wieso konnte ich mich nicht auf ihn einlassen, seine Liebe annehmen?” Die Antwort auf diese Frage ist oft vielfältig: Zu groß waren einst die Selbstzweifel, es mangelte an Selbstbewusstsein, oder aber das FOMO-Gefühl griff irgendwann Raum. Aber was, wenn man eine zweite Chance bekommt? Was, wenn die alte Liebe wieder auftaucht, noch eine Rechnung offen hat? Kann sowas überhaupt funktionieren?

„Aber was, wenn man eine zweite Chance bekommt? Was, wenn die alte Liebe wieder auftaucht? Kann sowas überhaupt funktionieren?

Im Rahmen ihres Lost Love Project studierte die rennommierte US-amerikanische Psychologin Dr. Nancy Kalish seit 1993 genau dieses Phänomen: die Wiederentdeckung einer Jugendliebe. Erstaunlicherweise konnte sie bei ihrer umfangreichen Recherche mit tausenden Paaren aufzeigen, dass 72 Prozent der Paare, deren Liebe erneut aufgeflammt war, auch auf Dauer zusammenblieben. Das führt sie unter anderem zurück auf die Tatsache, das man gerade in seiner Jugendzeit alles besonders intensiv erlebt.

Die Daten aus den Umfragen wurden analysiert und die Ergebnisse in Dr. Kalishs Buch Lost & Found Lovers: Facts and Fantasies of Rekindled Romances veröffentlicht. Es ist bis dato das einzige Buch, basierend auf der einzigen umfangreichen Recherche, über diese Art von Beziehungen.

Das Ergebnis der Studie macht für mich Sinn. Oft hat man einen der wichtigsten Teile seines Lebens miteinander verbracht, in einer äußerst prägenden Zeit – der erste Sex, das erste gemeinsame Konzert, der erste Kuss im Regen. All diese Sachen sind beim ersten Mal so viel intensiver, es fühlt sich alles so verdammt wichtig und schmerzhaft und einzigartig an. Klar, dass unbeholfene Tinder-Verabredungen da schwer mithalten können, bei denen man erstmal beim Urschleim anfangen muss – wo kommst du her, was machst du, worauf stehst du so?

Damals. Er war 25 und ich 26. Ich war neu in Berlin, alles war aufregend. Er kam aus der Provinz, ich aus der Großstadt, er hatte nie eine waschechte Engländerin gesehen, wir standen auf die gleiche Musik und er hatte immer ein Grinsen im Gesicht. So einfach war es damals. Ich fühlte mich sofort zu ihm hingezogen, aber es war von Anfang an klar, da läuft nichts – denn innerhalb seiner Männer-Clique war ich schon mit einem Anderen liiert. Als diese Beziehung in die Brüche ging, war er derjenige, der mich retten sollte. Es ging nicht anders, ich beichtete ihm meine Gefühle, und er war bereit dazu. Er hätte mir alles gegeben, wollte mich auffangen.

Und ich? Ich war zu jung, zu unsicher, und schreckte zurück vor seiner offenen Art, sich zu mir zu bekennen. Ich flüchtete für eine „Bedenkzeit“ nach London. Und das war’s dann. Aus und vorbei. Ohne Worte, ohne Erklärung. Für uns beide ging das Leben weiter, es folgten Jahre des Kinderkriegens, eine glückliche lange Ehe für ihn, für mich eine lange Berg- und Talfahrt mit allerlei ungesunden Beziehungen, vor allem mit Männern, die emotional unnahbar waren.

„Ich richtete mich in meinem Single-Dasein ein – glücklich mit unterhaltsamen Affären, mal länger, mal kürzer. Und dann plötzlich, nach 21 Jahren, eine Direktnachricht auf Instagram!”

Ich hatte mir mittlerweile meine Welt genau so eingerichtet, wie es mir passte. Brauchte mich nicht mehr zu schminken oder meine Beine zu rasieren – und so hab ich es auch gehalten als wir uns zum ersten Mal wiedertrafen. Ich dachte mir: Soll er mich sehen wie ich bin, so gefalle ich mir, und ich will eh nichts von ihm. Ich will mich nur entschuldigen. Ich hatte mich damals schäbig benommen, ihn einfach abserviert.

Und dann stand er vor mir. Am Gartentor. Genau das gleiche schiefe Grinsen, das Unbeholfene, Jungenhafte noch sichtbar unter der Patina eines Mannes von Welt. Gut gekleidet, glänzendes Auto, eine erlesene Flasche Rotwein in der Hand. Und trotz all der Jahre, der Falten, der Sorgen, fiel alles von uns ab – und wir fühlten uns wie damals mit 25 und 26, mit all den intensiven Emotionen, der Vertrautheit, der gemeinsamen Vergangenheit.

Wie Nancy Kadish in ihren Recherchen festgestellt hat, gibt es keine Garantie, dass eine solche Beziehung halten wird – aber Tatsache ist, dass diese alte Liebe verdammt hell und heiß brennt. Und 73 Prozent Erfolgschance klingt doch nicht schlecht, oder?



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