Die richtigen Fragen #2: „Was soll ich nur anziehen?“ – Wie banale Entscheidungen uns täglich fertig machen

Anna-Maria Langer

In der zweiten Ausgabe ihrer HEYDAY-Kolumne „Die richtigen Fragen“ überlegt Bloggerin und Autorin Nina Goldhammer (53), welche unserer 20.000 täglichen Entscheidungen eigentlich wirklich wichtig sind – und welche einfach nur Stress erzeugen…

HEYDAY-Kolumnistin Nina Goldhammer

„FRAGEN SIND DIE NEUEN ANTWORTEN“

Wir alle stellen uns von Zeit zu Zeit die gleichen, oft zentralen Fragen. Meine Kolumne auf HEYDAY will euch dazu inspirieren, die wichtigsten Fragen für euch selbst zu beantworten und als starken inneren Kompass zu nutzen. Denn in der Antwort schlummern auch immer tausend Möglichkeiten…

Ich sollte mich fertig machen, und das macht mich fertig. Wir sind eingeladen, und mein Mann wartet schon wortlos an der Tür. Während sich also unser Flur randvoll mit Schweigen füllt, bin ich vor dem Spiegel in eine Zeitschleife geraten – als ich versucht habe Hose und Schuhe zu kombinieren. Nichts will zusammenpassen. Und unwillkürlich tut es mir leid, dass ich nicht einer dieser Menschen bin, die morgens schon ihre Klamotten für abends rauslegen.

Treffe ich noch die Entscheidung, oder trifft die Entscheidung längst mich?

Eigentlich sollte es etwas Schönes sein, Entscheidungen zu treffen, gehören wir doch zu den wenigen Menschen auf diesem Planeten, die frei entscheiden können. Wäre da nicht das klamme Gefühl, dass sich unsere Entscheidungen längst verselbständigt haben.

„Etwas wirklich Banales wird aufgebauscht,

wie ein Ballkleid von Dior“

Nehmen wir einmal das Beispiel mit den Klamotten: Etwas wirklich Banales wird aufgebauscht, wie ein Ballkleid von Dior. Damit einhergehend fühle ich mich gezwungen ungefähr 1000 Entscheidungen am Tag zu treffen, von denen 100 Prozent absolut lächerlich sind: Ist das im Trend? Passt das zusammen? Sehe ich dünn aus? Sehe ich dick aus? Sehe ich aus, wie die anderen? Wird das Outfit gut ankommen? Bin ich unpassend gekleidet? Kann ich in den Schuhen lange stehen? Soll ich doch lieber offene Schuhe ..?

Was passiert eigentlich, wenn ich alle diese Entscheidungen nicht mehr treffe? – Nichts. Herrliche Ruhe im Kopf. Mehr Zeit und deutlich weniger Hektik.

In ihrem Buch Project 333, bei dem es darum geht, für drei Monate mit nur 33 Kleidungsstücken auszukommen, beschreibt Fashion-Minimalistin Courtney Carver mit einem Satz, warum wir alle unsere Garderobe reduzieren und damit unseren Köpfen wieder Raum für Wichtigeres – oder einfach Freiraum – einräumen können: „KEINEN INTERESSIERT ES, WAS DU AN HAST.” Es sei denn, du stehst in Jeans in der Kirche vor dem Altar – und selbst dann würden sich alle deine Freunde aufrichtig freuen, dich zu sehen.

HEYDAY-Kolumnistin Nina Goldhammer
20.000 Entscheidungen am Tag. Wie viele davon sind wirklich wichtig?

Letztens habe ich gelesen, dass wir alle rund 20.000 Entscheidungen am Tag treffen. Dabei macht unser Gehirn nur energetisch einen Unterschied zwischen der Entscheidung, ob ich meinen Job hinschmeißen oder meine Hose gegen ein Sommerkleid tauschen soll. Würde ich die Klamotten- oder Job-Entscheidung möglichst früh am Tag treffen, hätte ich eine bessere Chance, sie souverän und rational zu treffen. Denn im Laufe des Tages nimmt die Gesamtenergie, die wir für Entscheidungen haben, stetig ab … bis nur noch so wenig davon da ist, dass wir in unseren unbequemsten Pumps zum Stadion-Konzert stöckeln. Wenn du also dein Leben umkrempeln willst, dann tu es morgens und nicht mitternachts.

„Was passiert eigentlich, wenn ich alle diese

Entscheidungen nicht mehr treffe? – Nichts. Herrliche

Ruhe im Kopf. Mehr Zeit und deutlich weniger Hektik“

Vielleicht ist dir auch schon mal aufgefallen, dass du eher abends dazu neigst, deinen gesunden Ernährungsplan umzuschmeißen. Tja, Entscheidungsmüdigkeit und Chips sind einfach keine gute Kombination. Ich empfehle Basenfasten, oder noch besser: eine große Entscheidung treffen und die passende Routine etablieren, statt sich in kleinen Entscheidungen zu verlieren.

HEYDAY-Kolumnistin Nina Goldhammer

Generation Decision Fatigue

Unser Alltag wird immer komprimierter, und statt in Ruhe einen Status-Quo zu leben, gehen wir immer wieder in die innere Verhandlung. Das tägliche „Wer holt die Kinder ab?“ und „Welches Sofa gefällt uns beiden?“ hat unser Leben ganz schön kompliziert gemacht. Dazu kommen 50 Mails am Tag, von denen alle uns vorgaukeln, dass wichtige Entscheidungen an ihnen hängen. Deshalb sind wir oft entscheidungsmüde, geben irgendwann auf oder treffen dumme Entscheidungen.

Früher gab’s Faxgeräte, feste Zuständigkeiten und jeden Freitag Fisch. Heute entscheiden wir, was wir posten, anziehen oder dekorieren und leben in den Zwischenräumen. Paare gehen getrennte Wege, weil sie sich täglich über Nichtigkeiten streiten und so ihre Energie-Batterien aufbrauchen. Dabei habt ihr doch mal mit den großen, guten Entscheidungen angefangen, oder?

Also auf ins große Entscheidungs-Ausmisten?

Joshua Becker von der Band The Minimalists trägt täglich das gleiche Outfit, um (nicht nur seine) Ressourcen zu sparen. Auch Barak Obama, Steve Jobs oder Albert Einstein zählen oder zählten zum Club der Outfit-Minimalisten. Kim Kardashian, deren Kleiderschrank bei Insta so groß aussieht wie mein Garten, hat es da schon bedeutend schwerer. Du kannst jetzt gerne selbst entscheiden, wem von allen du volle Entscheidungsfreiheit für dein Leben gewähren würdest.

Ändert sich im Alter unsere Fähigkeit, gute Entscheidungen zu treffen?

Klares Ja. Ich schätze, wir alle werden sehr viel geiziger mit unserer Energie, sobald wir merken, dass sie begrenzt ist. Wir haben unsere Routinen. Wir treffen Entscheidungen gemäß unserer Persönlichkeit und unserer Werte, nicht anhand von Trends. Aber das Wichtigste für mich ist: Wir haben begriffen, dass wir uns nicht immer entscheiden müssen – und nicht aus allem eine Entscheidung machen. Kleiderschrank, Job oder Leben – meine Antwort ist heute oft: Passt.


HEYDAY-Kolumnistin Nina Goldhammer

ÜBER NINA GOLDHAMMER

Nina Goldhammer (53) ist Werbetexterin und Lifestyle-Bloggerin aus dem Rheinland bei Köln. Nach vielen Jahren in der Werbebranche kündigte sie mit 48 ihren festen Job und machte sich als Markenstrategin selbstständig. Seitdem gerät sie von einem guten Abenteuer ins nächste, unter anderem als Best-Ager-Model und Content Creator für namhafte Marken. Auf ihrem Lifestyle-Blog Nina Gold inspiriert sie Frauen ab der Lebensmitte dazu, glücklich und gelassen älter zu werden. Nina lebt mit ihrem Mann und zwei Söhnen in einem Haus auf dem Land.

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