Ich habe Lust! – Ein Reisebericht

Iva Samina

Unsere Gastautorin Sabine Thoss hat ihren HEYDAY-Beitrag der Lust an der weiblichen Sexualität gewidmet. Inspiriert von den positiven Erfahrungen einiger Anwendungen wie etwa tantrischer Massage, möchte sie Frauen ermutigen, sich ihrer Sexualität ohne Scham zu öffnen – und sie ganz bewusst zu genießen!

© Iva Samina

Die Trennung von einem Lebenspartner ist meist ein guter Anlass, um mal etwas Neues auszuprobieren. Oft geht der Trennung eine Zeit der Stagnation voraus, die nach der ersten Phase des Schmerzes den Impuls zur Weiterentwicklung in sich birgt. So erging es auch mir Ende 2019. Zwei Wochen lang dachte ich, ich sterbe. Doch dann machte sich der ungeheure Drang bemerkbar, wieder lebendig zu werden, etwas zu erleben. Ich überlegte, worauf ich Lust hatte. Vielleicht ein Städtetrip? Ich flog also nach Kopenhagen zu einem Konzert, ich flog nach Wien und hörte Burna Boy live. Danach besorgte ich mir große Töpfe und kochte Ramen-Suppen, ich kaufte mir ein E-Piano und nehme seitdem Klavierunterricht. Und natürlich: Ich fing wieder an zu Daten.

So landete ich zum ersten Mal auf einer dieser Dating-Apps und wischte Männer nach links oder rechts. Es kam zum ersten Match, und da ich einen Mann dann doch lieber persönlich kennenlerne, auch zu einem ersten Treffen. Mein erstes Online-Date lief allerdings etwas ungewöhnlicher ab, als ein simpler Kneipenabend: Wir trafen uns zum Kali-Atmen! Noch nie gehört? – Es handelt sich um eine Verbindung aus schamanischer Atemtechnik, tibetischer Heilkunst und indischem Tantra. Entwickelt hat das Konzept Manik Reuters – psychotherapeutischer Heilpraktiker, spiritueller Therapeut, Seminarleiter und energetischer Heilbehandler.

„Mein erstes Online-Date lief etwas ungewöhnlicher ab, als ein simpler Kneipenabend: Wir trafen uns zum Kali-Atmen!”

Ich bin im Allgemeinen eine sehr neugierige Frau und immer offen für neue Erfahrungen. Doch als wir den Seminarraum betraten, wurde mir doch etwas mulmig: Ich sollte mit einem wildfremden Menschen – liegend und Unterbecken an Unterbecken – tief in mein Wurzel- und Sexual-Chakra atmen! Wie sagt Katja Lewina in ihrem Buch Sie hat Bock so treffend? – „Wir leben in einer Gesellschaft, die jede Berührung außerhalb von festen Beziehungen reglementiert, emotional sowieso, aber auch körperlich.“

Doch zu kneifen, und mich meinen Berührungsängsten nicht zu stellen, kam nicht infrage. Ich absolvierte also die Übung – allerdings mit einem anderen Mann. Mein Date habe ich nur nochmal zum Verabschieden gesehen. Wie auch immer: Das In-einem-Atem-Verschmelzen hat sich bei mir nicht eingestellt. Aber: Mein Verlangen nach mehr – mich ganz intensiv zu spüren – war geweckt! Und was hatte es eigentlich mit der sexuellen Energie auf sich, über die der charismatische Seminarleiter sagte, sie sei „die stärkste Kraft, die uns zur Verfügung steht“?

„Ich fühlte mich total blockiert, wenn es darum ging, mich in mir selbst frei zu fühlen und mich nach außen hin authentisch zu zeigen

Fotografin: Elisabeth Mochner
© Iva Samina

Ich besuchte Lichtrebellen, die Website von Manik Reuters, und fand ein reiches Angebot an Behandlungen – von energetischem Heilen über Chakra-Heilung bis zu De-Armouring. Letzteres sprach mich am meisten an, da es um eine tiefe Seelenarbeit ging, die helfen soll, die Verpanzerung aufzulösen und wieder einen natürlichen und tiefen Zugang zu sich selbst zu finden. Kurze Zeit später hatte ich meinen ersten Termin. Wie die Behandlung ablaufen würde, wusste ich bis dahin nicht. Im Vorgespräch erzählte ich, dass ich mich blockiert fühlte, einfach ich zu sein. Mich zu zeigen, so wie ich mich fühle, ohne Angst zu haben, auf Ablehnung zu stoßen. Dass ich diese Blockade gerne auflösen würde, um mich in mir frei zu fühlen und mich nach außen authentisch zu zeigen.

Reuters, Heilpraktiker für Psychotherapie, erklärte mir, dass bei De-Armouring durch die absichtslose Berührung des Körpers der energetische Fluss – die sexuelle Energie als treibende Kraft im Leben – aktiviert wird, und tiefsitzende Ängste sowie emotionale Schmerzen bis in ihre Wurzel aufgelöst werden. Das hörte sich sehr verlockend an. Als er mich bat, mich auszuziehen, wurde mir allerdings anders. Darauf war ich nicht vorbereitet. Ich gehe gerne in die Sauna. Aber mich vor einem fremden Mann, auch wenn er nicht bedrohlich wirkt, in einem geschlossenen Raum nackig zu machen, war doch viel verlangt. Ich fühlte mich in meinem Körper auch nicht hundertprozentig wohl – da sind die zu großen Brüste, ein bisschen Bauchspeck und überhaupt: Er hatte mir vorab nicht gesagt, dass er mich berühren wird, und dass meine sexuelle Energie ins Spiel kommt.

„Mittlerweile gehe ich zu meiner Vagina Massage, um mich selbst mehr zu genießen”

Wieder hatte ich diese Berührungsängste und die Angst vor zu viel Intimität, legte mich dann aber doch nackt auf die Liege. Und was darauf folgte, hat alle meine Erwartungen übertroffen! Ich wurde nicht nur am ganzen Körper berührt, sondern auch an meiner Vulva und in meiner Vagina. Ich glaube, das war einer der herausforderndsten Momente, denen ich mich je gestellt habe. Zu Beginn der Behandlung rotierte mein Gedanken-Karussell: Das kann ich doch nicht mit mir machen lassen! Das ist unanständig! Was ist, wenn ich sexuell erregt werde? Bin ich jetzt verdorben, weil ich diese Grenzen überschreite? Und, noch einmal aus dem Buch Sie hat Bock von Katja Lewina zitiert: „Viele von uns schämen sich für so ziemlich alles, was mit ihrem Unterleib zusammenhängt.“

Ich war alles andere als entspannt. Doch im Verlauf merkte ich: Das hatte nichts Erregendes. Im Gegenteil, es war teils eher schmerzhaft und fühlte sich an wie eine kräftige Massage. Ich konnte mich mehr und mehr der Behandlung hingeben – und ich erreichte einen Punkt, an dem sich Zeit und Raum verloren und ich meinen Körper ganz intensiv spürte. Nach der Behandlung fühlte ich mich präsenter und energetischer.

Mittlerweile hatte ich noch ein paar weitere Behandlungen, zu meinen Freund:innen sagte ich: „Ich gehe zu meiner Vagina-Massage, die mir hilft, mich für meine sexuelle Energie zu sensibilisieren.“ Was für mich bedeutet, mich wohler in meinem Körper zu fühlen und mich selbst mehr zu genießen – wozu auch ganz besonders mein Lustempfinden gehört. Und Letzteres verlangte nach mehr.

So buchte ich auf der Reise zur Erforschung meiner sexuellen Energie als nächste Station eine tantrische Massage. Mich nackt von einem fremden Menschen an intimen Körperstellen berühren zu lassen – das kannte ich ja jetzt schon. Doch da mir klar war, dass es diesmal wirklich sinnlich werden würde, wollte ich mich lieber von einer Frau behandeln lassen. Am ansprechendsten fand ich die Website von Iva Samina, die es sich zur Mission gemacht hat, die Sexualität von Menschen zu entfalten und zum Blühen zu bringen.

„Die Sexualität, mit der wir Frauen über 45 aufgewachsen sind, hat uns meist nichts über unseren Lustkörper gelehrt, und uns in heterosexuellen Beziehungen auch nicht regelmäßig Partner beschert, die den Körper einer Frau wirklich verstehen“

© Iva Samina

Im Vorgespräch wurde ich darüber aufgeklärt, dass es nicht das Ziel ist, einen Orgasmus zu bekommen, sondern dass es darum geht, sich tiefen und nähernden Erfahrungen zu öffnen. Zu empfangen, statt zu erwarten. Und, natürlich die sexuelle Energie ins Fließen zu bringen. Ich kann es jeder Frau nur ans Herz legen, sich einmal einer tantrischen Massage hinzugeben. Die zarten Berührungen am ganzen Körper haben mir bewusst gemacht, wie sinnlich und sensibel jede einzelne Zelle des weiblichen Körpers ist. Dieses Sich-Hingeben, sich einfach nur stundenlang lustvoll verwöhnen zu lassen, bringt einen zum Kern der weiblichen Sexualität, der unersättlich ist.

Die Sexualität, mit der wir Frauen über 45 aufgewachsen sind, hat uns ja meist nichts über unseren Lustkörper gelehrt, und uns in heterosexuellen Beziehungen auch nicht regelmäßig Partner beschert, die den Körper einer Frau wirklich verstehen. Noch einmal Katja Lewina: „Wenn Frauen also nicht so leicht kommen, liegt das nicht an physiologischen Gegebenheiten, sondern daran, dass heterosexuelle Männer ganz einfach nicht wissen, was genau sie tun sollen, um es einer Frau zu besorgen. Und daran, dass Frauen sich nicht trauen, es ihnen zu sagen.“

Bei mir jedenfalls war mein Sexleben sehr schambehaftet, wie ich im Kommenden lernen durfte. Zu diesem Zeitpunkt dachte ich noch, ich hätte guten Sex gehabt, doch vor rund einem Jahr traf ich dann einen Mann, der sich mit dem weiblichen Körper intensiv beschäftigt hatte und meine erotischen Zonen besser kannte als ich selbst. Im Zuge dessen wurde ich damit konfrontiert, wie viel mir tatsächlich peinlich war. Mich vor jemand anderem selber zu berühren, mich bei der Penetration vaginal zu befriedigen, mich lustvoll dem Lecken hinzugeben, zu stöhnen, zu squirten – mich einfach gedankenlos der Lust hinzugeben.

Doch zum Glück bin ich zu neugierig, und alles, was ich an Berührungen bei der tantrischen Massage kennengelernt hatte, hielt nun Einzug in mein Schlafzimmer. Ich wurde zum ersten Mal in meinem Sexleben stundenlang durch Streicheln verwöhnt, meine Vagina und Vulva standen beim Liebemachen im Mittelpunkt – und ich habe Orgasmen erlebt, die meinen ganzen Körper mit einer zutiefst erfüllenden sexuellen Energie durchströmten.

Ich habe erfahren, dass die sexuelle Energie die stärkste Kraftquelle ist, die uns Frauen zur Verfügung steht. Sie macht mich zur liebevollen und selbstbewussten Frau. Ich wünsche jeder Frau, dass sie diese Quelle in sich zum Strömen bringen kann. Ich sorge auf jeden Fall dafür, dass sie bei mir nie wieder versiegen wird. Und ich freue mich auf unzählige neue Erfahrungen…

HEYDAY-Gastautorin Sabine Thoss

Über Sabine Thoss

Sabine studierte Kunstgeschichte und arbeitete im Anschluss viele Jahre als Kostümbildnerin an diversen renommierten Theatern in ganz Deutschland. Danach wechselte sie für einige Zeit in die Filmbranche. Heute lebt sie in Berlin, arbeitet als freie Stylistin und baut gerade ihr eigenes Unternehmen als Personal Shopperin auf – ihr Schwerpunkt liegt dabei auf Vintage-Mode.

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