Wie Jane Goodall den Planeten rettet

Am 3. April 2024 feierte sie runden Geburtstag: Seit über sechs Jahrzehnten ist die Aktivistin Jane Goodall (90) Fürsprecherin der Tier- und Pflanzenwelt. Im Jane Goodall Institut arbeitet sie nach wie vor unermüdlich daran, ihr Wissen um den Zustand unseres Planeten weiterzugeben, und neue Generationen für den Umwelt- und Artenschutz zu begeistern. HEYDAY sprach mit der umtriebigen Forscherin darüber, wie jede/r Einzelne von uns sich in den Dienst der Sache stellen kann

„Sollte die Menschheit an ihrem rein materialistischen Verhalten festhalten, führt dies zum Aussterben des Lebens auf der Erde, so wie wir es kennen. Einschließlich unseres eigenen Lebens!“

HEYDAY-Interview: Dr. Jane Goodall
Foto: Dirk Bader
Trotz Klimawandel und der weltweiten Bedrohung der Biodiversität hat die Aktivistin ihren Humor nicht verloren

HEYDAY: Liebe Frau Goodall, seit über 60 Jahren engagieren Sie sich für die Natur auf unserem Planeten und gründeten das Jane Goodall Institute (JGI), das unter anderem auch eine Niederlassung in Deutschland hat. Wie können unsere HEYDAY-Leser:innen Ihre Arbeit am besten unterstützen?

Jane Goodall: Ein erster Schritt könnte darin bestehen, unsere Webseite aufzurufen. Informieren Sie sich über die Programme, die wir in Deutschland anbieten, um dann vielleicht ein beitragendes Mitglied des Instituts und/oder ein Schimpansenwächter für einen der vielen verwaisten Schimpansen in unseren Schutzgebieten in Afrika zu werden. Eine andere Möglichkeit könnte sein, im Rahmen unseres Jugendprogramms Roots & Shoots eine Gruppe zu gründen, um Tieren, Menschen und der Umwelt zu helfen.

Wie wird sich der Stellenwert von Natur, Wildnis und biologischer Vielfalt in einer Welt verändern, die in nur wenigen Jahrzehnten ausschließlich von Digital Natives bewohnt werden wird? Es ist ja zu erwarten, dass der Großteil der Menscheit in Zukunft vornehmlich mit einer urbanen Umgebung vertraut sein wird …

Besonders wenn es um Kinder geht, ist die zunehmende Entfremdung von der Natur beunruhigend. Im Rahmen von Roots & Shoots, dem JGI-Programm für Jugendliche, versuchen wir junge Menschen in die Natur zu bringen. Es hat sich gezeigt, dass Kinder die Natur für eine gute psychologische Entwicklung benötigen. In vielen Ländern werden Anstrengungen unternommen, um städtische Umgebungen „grün“ zu machen, denn ein Leben zwischen Bäumen und Blumen hat viele Vorteile. Bäume helfen, die Luft zu reinigen und Schatten zu spenden, ihre Wurzeln stabilisieren den Boden. Es hat sich gezeigt, dass ein naturnahes Leben, das Pflanzen und Tiere einbezieht, die geistige und körperliche Gesundheit der Menschen verbessert.

Hier ein Beispiel: Im Rahmen eines Experiments in Chicago wurde ein Bezirk mit hoher Kriminalität teilweise begrünt – im Bereich der Grünfläche sank tatsächlich das Ausmaß der Kriminalität! Auch die Begrünung von Gebäudewänden wird zum Glück immer beliebter. All diese Bemühungen helfen den Menschen, sich mit der Natur zu verbinden. Und sie sind erfolgreich, wie etwa in Japan, wo seit einigen Jahren das „Waldbaden“ – also einfach in Ruhe Zeit in einem Wald zu verbringen – sehr beliebt ist.

Wie bewerten Sie den Einfluss von Bewegungen wie Fridays For Future und den Fortschritt der veganen Ernährung? Sind das „nur“ aktuelle Trends oder werden sich diese Strömungen mit zukünftigen Generationen verstärken?

Junge Menschen werden nicht aufhören, die Politiker dazu aufzufordern, die steigenden Temperaturen einzudämmen. Unsere Roots & Shoots-Gruppen ergreifen bereits eigene Maßnahmen: Die Mitglieder pflanzen Bäume, sammeln Spenden, um Wälder und ökologisch wertvolle Gebiete zu schützen, und arbeiten an Kampagnen, um die Produktion von Einweg-Kunststoffen zu stoppen.

Die vegane Ernährung wird von Jahr zu Jahr von immer mehr Menschen übernommen, zumal die pflanzlichen Alternativen zu Fleisch, Käse und Eiern immer besser werden. Auch die Restaurants bieten heute vielfältigere pflanzliche Gerichte an, und die Köche gestalten ihre veganen Kreationen mit zunehmender Raffinesse.

Es hat sich gezeigt, dass ein naturnahes Leben, das Pflanzen und Tiere einbezieht, die geistige und körperliche Gesundheit der Menschen verbessert

Glauben Sie in diesem Zusammenhang, dass es hilfreich wäre, junge Menschen in ihren jeweiligen Heimatländern bereits in einem niedrigeren Alter, als es heute üblich ist, an die Wahlurnen zu lassen?

Eine interessante Idee!  Das würde garantiert einen Unterschied machen – aber sicher nicht, bevor endlose Diskussionen stattgefunden haben …

Unsere Leser:innen sind hauptsächlich Frauen über 50 – was möchten Sie ihnen sagen? Wie können sie die Generationen ihrer Kinder und Enkelkinder motivieren und dabei unterstützen, eine bessere Welt aufzubauen?

Zunächst möchte ich sie ermutigen, sich Roots & Shoots anzuschließen – das Programm hat junge Menschen auf der ganzen Welt motiviert und ihr Leben verändert. Und es funktioniert in beide Richtungen – viele Roots & Shoots-Mitglieder haben die Einstellungen ihrer Eltern und Großeltern geändert! Mit einer Mitgliedschaft oder der Gründung einer eigenen Gruppe bieten Sie Ihren Kindern und insbesondere den Enkelkindern auch die Möglichkeit, die Natur zu erkunden – etwa beim Camping oder einem Urlaub an wilden und schönen Orten.

HEYDAY-Interview: Dr. Jane Goodall
Foto:s Dirk Bader
HEYDAY-Interview: Dr. Jane Goodall

In jüngster Zeit sind Themen wie der Klimawandel und der Rückgang der biologischen Vielfalt aufgrund deutlich sichtbarer Ereignisse – wie etwa dem Abschmelzen der Polkappen, Dürren, Waldbränden und dem millionenfachen Tod von Bienen – in den Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt. Wie beurteilen Sie die Chancen, dass die Weltpolitik sich bald zu drastischen Gegenmaßnahmen entscheiden wird?

Nun, es scheint bereits Ansätze dafür zu geben, und viele Regierungen unternehmen ernsthafte Anstrengungen, um Gesetze einzuführen, die das Problem angehen. Die wirtschaftlichen Kosten einiger Extremereignisse – wie etwa Hurrikans, schwere Überschwemmungen und die Ankunft von Klimaflüchtlingen – veranlassen die Politiker zum Nachdenken und Handeln.

Mal ganz ehrlich: Glauben Sie, dass langfristige Maßnahmen zur Rettung des Planeten überhaupt eine Chance haben gegen die kurzfristige Gier der Menschen nach Geld und ihren Widerwillen, sich zu ändern?

Sollte die Menschheit an ihrem rein materialistischen Verhalten festhalten, führt dies zum Aussterben des Lebens auf der Erde, so wie wir es kennen. Einschließlich unseres eigenen Lebens!
Ich hoffe auf eine kritische Masse junger Menschen, die begreifen, dass zwar jeder Einzelne genug Geld zum Leben benötigt, aber alles schiefgeht, wenn wir ausschließlich für das Geld leben – es sei denn, wir arbeiten für Geld, um Programme zu unterstützen, die dazu beitragen, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Ich binde es toll, dass so viele Menschen heute Änderungen in ihrem Lebensstil vorgenommen haben…

HEYDAY hat Jane Goodall um einen Zehn-Punkte-Plan
für die politischen Führer rund um den Globus gebeten.
Hier ihre Forderungen:

  • Stoppen Sie die Subventionierung der fossilen Brennstoffindustrie und subventionieren Sie stattdessen alternative Energie.
  • Veranlassen Sie die obligatorische Umwelterziehung in Schulen, einschließlich des Lernens in
    der Natur. Finden Sie auch Möglichkeiten, den Kindern Toleranz gegenüber Herkunft,
    Geschlecht oder Lebensentwurf anderer Menschen zu lehren.
  • Erleichtern Sie es armen Kindern eine gute Ausbildung, kostenlose Mahlzeiten und
    medizinische Hilfe zu erhalten.
  • Treiben Sie die Ökologisierung von Städten voran, insbesondere in benachteiligten Gebieten.
  • Machen Sie die Innenstädte fußgängerfreundlich! Halten Sie private Autos fern, oder verlangen
    Sie viel Geld für die Fahrt in die Innenstadt – wie etwa in London! Ähnliches gilt auch für den
    Ozean. Reduzieren Sie gefährliche Geräusche von Bootsmotoren für die Meeresbewohner.
  • Verbieten Sie rigoros die Benutzung von Einweg-Plastik.
  • Setzen Sie strenge Gesetze in Bezug auf den Handel mit Wildtieren, Holz und anderen Pflanzen,
    sowie für den Tierschutz durch.
  • Verbessern Sie die Programme für die Abfallwirtschaft.
  • Hohe Bauten sollten in der Nacht beleuchtet sein, vor allem während der Zeit des Vogelzugs. Tausende Vögel finden jede Nacht den Tod, weil sie mit Gebäuden kollidieren. Erlassen Sie dementsprechende Gesetze.
  • Sorgen Sie im Interesse wild lebender Tiere für grüne Korridore in besiedelten Gebieten – z.B. Wildblumen entlang der Straßenränder, begrünte Dächer und Fassaden, grüne Brücken über Autobahnen oder Tunnel darunter.

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Mehr über Dr. Jane Goodall

Dutzendfach ausgezeichnet und von der Queen in den Adelsstand erhoben: Die britische Verhaltensforscherin, die 1934 in London geboren wurde, erhielt ab den 60er-Jahren weltweite Aufmerksamkeit für ihren Kampf zum Erhalt der Habitate von Primaten in Tansania. Heute geht ihr Engagement weit darüber hinaus: Mit ihrem Jane Goodall Institut gewinnt sie Tier-Paten, Spender und vor allem junge Leute, die sich im Rahmen von Umweltprogrammen ausbilden lassen, um für den Naturschutz und eine bessere Welt zu kämpfen.

Mehr über das Jane Goodall Institut (JGI)

Zentrales Motiv ist die Förderung des respektvollen Umgangs mit Menschen, Tieren und der Natur. Jane Goodall hat schon sehr früh erkannt, dass es im modernen Artenschutz absolut notwendig ist, soziale und wirtschaftliche Aspekte der Menschen vor Ort und auch global einzubeziehen. Deshalb will das Team des JGI auch in seiner deutschen Dependance das Bewusstsein für ökologische Zusammenhänge fördern, den Rahmen für individuelle Handlungsmöglichkeiten erweitern, sowie den öffentlichen Diskurs und Dialog anregen.

Ein besonderer Fokus gilt dabei dem Programm Jane Goodall’s Roots & Shoots und seiner Projektarbeit von und mit Kindern, Jugendlichen, Schulen und Universitäten. Einerseits, um die jungen Leute zu sensibilisieren und zu informieren, andererseits, um ihnen das Selbstverständnis für eine reflektierte, nachhaltige und friedliche Lebensweise zu ermöglichen.

Weiterhin bietet das JGI Patenschaften, Mitgliedschaften und ein Spendenprogramm an – für alle, die ihren Teil zur unermüdlichen Arbeit von Jane Goodall beitragen wollen. Denn nie war ihr Anliegen dringender als heute.

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