Auszeit ohne Stress

Anne Smith

Unsere Beauty-Expertin Martina Davidson (43) liebt es, Zeit für sich zu haben, und sich zu verwöhnen. Dennoch beschleicht sie mitunter das Gefühl, dass der Wellness-Perfektionismus den Blick vom wahren Kern des eigenen Befindens ablenkt.

Foto: Anne Smith

Selfcare, Me-Time, Wellness – überall treffen wir auf Englische Begriffe, die uns daran erinnern wollen, dass es an der Zeit ist, uns mal wieder selbst zu verwöhnen. Im Dauerfeuer der Aufforderungen in Werbung und Magazinen entsteht irgendwann der Eindruck, man solle sich am besten permanent und überall mittels Produkten oder Freizeitangeboten der Entspannung hingeben.

Zu oft gehört, zu viel verwendet? Wenn jeder Tee, jede Yogastunde und Gesichtsmaske zur nachhaltigen Selbstfürsorge werden soll, die Tiefenentspannung aber dennoch ausbleibt, dann kann das ungute Gefühl entstehen, man habe sich sogar beim eigenen Verwöhnprogramm nicht genug Mühe gegeben.

Zuwenig Zeit und Geld investiert, nicht die richtigen Produkte? Manchmal ist die Müdigkeit bleiern, und das Gefühl des ,,mir ist alles zu viel“ lässt sich selbst durch Badewanne, Wellness-Chai und frisch lackierte Fussnägel nicht vertreiben.

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Illustration: Kera Till

Trotzdem: Mir persönlich gefällt all dies – tolle Produkte, Behandlungen, Auszeiten. Zeit für sich zu finden ist wunderbar. Auf der anderen Seite kann der allgegenwärtige Trend rund um die ultimative Wellness mit all seinen Ritualen leicht darüber hinwegtäuschen, worum es auch gehen könnte – worum es im Leben wirklich geht.

Machen wir uns nichts vor: Kommerzielle Verwöhn-Produkte und -Programme in Anspruch nehmen zu können ist ein Privileg, ein Luxus, der beileibe nicht uns allen zur Verfügung steht. So können die ständigen Appelle der Wellness-Industrie, doch bitte endlich dieses oder jenes Universalheilmittel gegen die alltäglichen Überforderungen auszuprobieren, zum Stress führen – und Gutgemeintes verliert plötzlich die Wirkung.

Meine Empfehlung: Nichts spricht gegen ein Verwöhn-Programm mit Hilfe all der pflegenden, vitalisierenden und wohltuenden Angebote, die uns heute zur Verfügung stehen. Doch was wirklich gegen die Zumutungen des Alltags hilft, ist mehr von dem, was man in Sachen Selbstfürsorge nicht kaufen kann: Zeit für Beziehungen und Freundschaften, sich an einer geneigten Schulter mal so richtig ausweinen, bei Überforderung ganz selbstverständlich um Hilfe bitten – und sich ohne schlechtes Gewissen erlauben, auch einmal „nein“ zu sagen.

Wir sollten auf die Frage „Wie geht es Dir?“ ehrlich antworten, und nicht all unsere Energie darauf verschwenden, um jeden Preis den „Ich funktioniere perfekt!“-Eindruck zu wahren. Wer sich an diese Vorsätze hält wird schnell feststellen, dass das Duftschaumbad plötzlich so richtig tiefenentspannend wirkt …

Foto: Anne Smith

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