„Ich mag es einfach, mich chic anzuziehen”

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Mutig, authentisch und voller Gelassenheit: Stéphane Bonutto ist eine Inspiration für alle Männer, die davon träumen, in Sachen Mode ihre feminine Seite auszuleben und den eigenen Weg zu gehen – auch und gerade, wenn dieser nicht der Norm entspricht. Er entschied sich, seinem inneren Bedürfnis nachzugeben und fortan Frauenkleidung zu tragen. Denn genau so fühlt er sich wohl und vermag alle Facetten seiner Persönlichkeit auszudrücken

Stéphane Bonutto liebt es als Mann Frauenkleider zu tragen
Stéphane – Finanzmanager und Diversity-Speaker – hat nicht nur ein Faible für klassische Schlitten, sondern auch für schöne Damenmode

HEYDAY: Hallo Stéphane, wir kommen gleich auf den Punkt – Du trägst als Mann weibliche Kleidung. Was hat Dich dazu bewogen?

Stéphane: Vor etwa zehn Jahren habe ich das Bedürfnis verspürt, Kleidungsstücke zu tragen, die an sich für das andere Geschlecht gedacht sind. Ich hatte einfach Lust darauf. Ich erinnere mich noch an die ersten Sachen, die ich gekauft habe: einen kurzen schwarzen Rock, einen Damenpulli, ein Paar High Heels und Strumpfhosen. Letztere waren allerdings viel zu dick, weil ich damals keine Ahnung von DEN-Zahlen hatte (lacht). Ich habe mich auf Anhieb in den Sachen wohlgefühlt, und fortan zunehmend weibliche Kleidung getragen.

Wie hat Dein Umfeld reagiert?

Für das erste Mal im privaten Bereich habe ich Wintershorts mit einer Winterstrumpfhose gewählt. Das war noch nicht als zu weiblich anzusehen. Mit hohen Schuhen habe ich mich nicht gleich in die Öffentlichkeit getraut. Für mein Debüt in High Heels habe ich einen Auftritt bei einer Modenschau ausgewählt.

Du hattest also kein dramatisches Outing?

Nein, zumal mir damals nicht klar war, wo die Reise hingehen würde. Dass ich nacheinander meine ganze Garderobe auf weibliche Kleidung umstellen würde, wußte ich damals noch nicht. Rückblickend betrachtet finde ich, dass diese Vorgehensweise zu mir gepaßt hat.

Warum?

Weil es am besten zu meinem Naturell paßt. Ich mag es nicht, Menschen vor den Kopf zu stoßen.

Wann bist Du zum ersten Mal in Rock und hohen Schuhen öffentlich ausgegangen?

Ich habe eine Mainzer Spezifizität ausgewählt: die Fastnacht. Zu einer Sitzung bin ich einfach „als Frau“ erschienen. Ich weiß noch: mit Minirock, High Heels, Top und Blazer. Und dezent geschminkt. Das war für mich damals ein Riesending (lacht). Und ich habe mich pudelwohl gefühlt.

Gab es ein Schlüsselerlebnis, das Dich dazu bewegt hat Frauenkleidung zu tragen? Wie lange hattest Du schon den Wunsch, Dich anders zu kleiden?

Es passierte als ich unterwegs war, um Kleidung einzukaufen. Ich stand per Zufall vor einem Ständer mit Röcken und stellte fest, dass ich da „reinpassen“ würde! Bis dahin war ich stets der Meinung gewesen, dass ein Rock für einen Mann grundsätzlich zu klein wäre. Ich mußte dann über diese Idee lachen – keine Ahnung, warum ich das vorher für unmöglich hielt. Gedacht, getan, kaufte ich einen schwarzen geraden kurzen Rock, ein paar Strumpfhosen, einen anthrazitfarbenen Pullover aus der „Damenabteilung“ und zog das Ensemble zu Hause an. Ich habe mich auf Anhieb wohlgefühlt! Gleich kam mir die Idee, High Heels dazuzukaufen. Als das Outfit komplett war, muss ich gestehen, dass ich mir selbst gefallen habe!

Ich habe seither darüber nachgedacht, ob dieses Gefallen an der weiblichen Kleidung auf einmal kam, oder ob es nicht einem schon viel länger präsenten Geschmack von mir entspricht. Inzwischen bin ich der Meinung, dass das Letztere gilt. Denn ich habe als Teenager sehr gerne mit meiner Schwester die französischen Modezeitschriften durchgeblättert, wir sind ja in Paris aufgewachsen. Ich war schon damals von der Eleganz der Schnitte und der Vielfalt der Designs begeistert. Auf die Idee, selbst diese Kleidung zu tragen, war ich als Teenager aber nicht gekommen.

Stéphane Bonutto liebt es als Mann Frauenkleider zu tragen
Sexy, lässig, klassisch: Stéphane beherrscht die gesamte Klaviatur der Damenmode

Stéphane Bonutto liebt es als Mann Frauenkleider zu tragen
Stéphane Bonutto liebt es als Mann Frauenkleider zu tragen

„Eine Frau kam einmal an mir vorbei und pöbelte mich an: „Päh! Wie sieht das denn aus! Hässlich!“

Das Tragen weiblicher Kleidung ist aber für Dich keine Verkleidung, oder?

Nein, natürlich nicht. Aber es war für mich zu der Zeit ein guter Einstieg, dass mein Outfit während der Fastnacht als „Verkleidung“ durchging. Dadurch konnte ich auch die ersten Reaktionen fremder Menschen testen.

Und wie sind die Reaktionen ausgefallen?

Ehrlich gesagt: begeistert. Ich weiß noch, dass mehrere Frauen mir hinterhergerufen haben, sie würden gerne so wie ich auf so hohen Absätzen laufen können. Auch ein paar Männer haben nicht schlecht hingeschaut. Und besonders stolz bin ich gewesen, am Ende der Sitzung in fünf Zentimeter hohem Schnee in High Heels zum Auto zu laufen und in den Schuhen nach Hause zu fahren.

Wie hast Du gelernt, auf High Heels zu laufen?

Ich verrate euch ein kleines Geheimnis: Ich hatte als Kind einen kleinen Hopser in meinem Gang. In der Mainzer Modewelt konnte ich einen Catwalk-Trainer kennenlernen. Er hat mir nicht nur meinen Hopser wegtrainiert, sondern auch das Walken beigebracht.

Das hat Dir anscheinend sehr gefallen.

Ja, ich habe es sofort genossen.

Stéphane Bonutto liebt es als Mann Frauenkleider zu tragen

Stéphane Bonutto liebt es als Mann Frauenkleider zu tragen
Schick und minimalistisch: Stéphane Ton in Ton mit Blazer und Shorts sowie im coolen Jeans-Look

Was ist denn so toll daran, in hohen Schuhen zu laufen? Viele Frauen sagen ja, dass das höllisch unbequem ist…

Ich liebe die Körperhaltung und die Ausstrahlung, die daraus resultiert. So viele Leute laufen nach vorne gebückt und wirken dadurch wie vom Weltgeschehen erdrückt. So kannst Du auf High Heels nicht laufen. Der Gang auf hohen Schuhen vermittelt Dir sofort Souveränität.

Du hast aber bestimmt nicht nur Lob für Deinen weiblichen Kleidungsstil geerntet. Hast Du Bespiele für kritische Stimmen?

Ja, ich erinnere mich an einen Sonntag bei der Urban Fashion in Mainz. Eine Frau kam vorbei und pöbelte mich an: „Päh! Wie sieht das aus! Hässlich!“

Wie hast Du reagiert?

Da sie offensichtlich keine Lust auf ein Dialog hatte habe ich sie gebeten, einfach weiterzugehen, wenn es ihr nicht gefallen würde. Gleich darauf kamen fünf andere Frauen und rieten mir, mich nicht beirren zu lassen und weiterzumachen. Sie würden es ganz toll finden, welchen Mut ich hätte und dass mein Outfit außerdem sehr ästhetisch sei. Das hat mich außerordentlich gefreut.

Du bist mit einer Frau verheiratet. Wie hat sie reagiert, als du angefangen hast, Frauenkleider zu tragen? Hattest Du Angst, es ihr zu sagen?

Als ich zum ersten Mal eine Strumpfhose getragen habe, hat sie mich gefragt, was ich daran bequem finde. Sie hat zu der Zeit hauptsächlich Hosen getragen und sie findet heute noch Strumpfhosen nicht besonders bequem. Ich aber schon – diese Geschmeidigkeit! Meinen ersten Rock bzw. mein erstes Kleid habe ich mit ihr für eine Mainzer Fastnachtssitzung angezogen. Im Inneren fühlte ich mich nicht verkleidet, sondern nur anders angezogen. Für mein Umfeld war es aber nur ein halber Schock, denn bei der Fastnacht ist ein Mann im Kleid oder Rock keine seltene Erscheinung. Daher kam ich auf die Idee, diese Veränderung graduell einzuführen.

Ich habe danach Stück für Stück meine Garderobe auf „weiblich“ umgestellt, was natürlich für Rückfragen bei meiner Frau gesorgt hat. Ich habe ihr gesagt, dass ich mich so besser fühle, dass ich die Schnitte, die Designs, die Farben und die Vielfalt einfach mag – und das ist auch die Wahrheit.

Doch eine Sorge bleibt bei meiner Frau: Wo führt es noch hin? Ihre größte Angst ist, dass ich mich irgendwann zur Frau umoperieren lasse. Diese Angst konnte ich ihr nehmen, und kann es weiterhin. Aber zugegeben, dass ich als ihr Mann die weibliche Facette meiner Persönlichkeit auslebe, stößt bei ihr noch immer nicht auf Begeisterung. Ich glaube, es entspricht nicht ihrer Vorstellung der männlichen Eleganz. Für mich wiederum ist die „klassische männliche Eleganz“ nicht mehr interessant, denn ich habe sie 40 Jahre lang gelebt!

Wie zeigt ihr euch zusammen als Paar? Beide in Frauensachen? Wie reagiert Deine Frau, wenn ihr auf der Straße angesprochen werdet? 

Da ich kaum noch männliche Kleidung besitze, sind wir stets beide feminin angezogen, wenn wir ausgehen. Aus Rücksicht auf meine Frau (vgl. die Antwort auf die vorherige Frage) ziehe ich allerdings keine zu ausgeprägten weiblichen Elemente an, und verzichte zum Beispiel auf Absätze – allein schon aufgrund des Größenunterschieds zwischen uns beiden. So gerne trägt meine Frau hohe Absätze nämlich nicht, weil sie diese unbequem findet.

Wir werden selten angesprochen. Allerdings nehmen wir die Blicke wohl wahr, wenn wir z.B. in ein Restaurant, ein Theater oder eine Oper eintreten. Meine Frau macht sich noch immer Gedanken über die Meinung der anderen. Ihre Befürchtungen versuche ich ihr immer wieder aufs Neue zu nehmen, weil ich inzwischen so wenig negative Reaktionen im Vergleich zu den positiven erlebt habe.

Trennt ihr eure Kleiderschränke strikt oder teilt ihr euch auch mal ein paar Sachen wie z.B. Oberteile? Gebt ihr einander Styling-Tipps? Woher beziehst Du Deine Ideen? 

Wir trennen unsere Kleiderschränke, allein schon aufgrund unserer unterschiedlichen Größen. Ein anderer Grund sind unsere Farbtypen. Ich bin ein Sommer- und evtl. auch Winter-Typ. Sie ist ein Frühjahrs- bzw. Herbsttyp. Diese zwei Typen sind hinsichtlich der passenden Farben nicht wirklich kompatibel. Ich trage zum Beispiel gerne Schwarz, während diese Farbe meine Frau blass erscheinen lässt.

Ich kaufe sehr gerne Kleidung für meine Frau mit ihr ein. Da sie andere Arten von Kleidung als ich trägt (zum Beispiel blumiger) kann ich Sachen vom Anblick her genießen, obwohl ich sie für mich persönlich nicht aussuchen würde. Früher, als ich selbst noch „männliche“ Kleidung trug, habe ich auch sehr gerne Kleidung für sie als Überraschung gekauft. Ich kannte ihr Größe und ihre Maße und habe mich selten vergriffen!

Meine Stylingideen beziehe ich aus Zeitschriften, die wir für uns beide abonniert haben. Noch vor wenigen Jahren waren die Online-Shops der Marken, die ich hauptsächlich trage, meine Hauptinspirationsquellen. Seitdem ich erheblich mehr auf Social-Media-Portalen aktiv bin, sind diese zur Hauptquelle meiner Inspiration geworden.

Wie lange seid ihr schon zusammen?

Wir kennen uns seit über 20 Jahren und haben uns in Mainz bei einer deutsch-französischen Gesellschaft kennengelernt. Ich stamme aus Frankreich und meine Frau eben aus Mainz.

Du sprichst von Modeveranstaltungen. Wie bist Du dazu kommen, als Mann in weiblicher Kleidung zu modeln?

Wie gesagt, ich erinnere mich, dass ich als Teenager gerne die französischen Modezeitschriften durchgeblättert habe. Mit meiner Schwester schnitt ich die schönsten Werbungen mit den damaligen Topmodels aus – Ines de la Fressange, dann Claudia Schiffer zum Beispiel. Ich fand schon damals die Schnitte, die Stoffe und Farben und die Vielfalt der Damenmode viel interessanter als die Herrenmode – immer diese Anzüge…

Als ich vor mehreren Jahren zum ersten Mal bei einer Modenschau dabei war, hat mich der Glamour dieser Shows begeistert. Inzwischen weiß ich, dass es eine sehr harte Welt ist. Zum Glück will ich vom Modeln nicht meinen Lebensunterhalt finanzieren – daher machen mir die Shootings, die ich entweder für mich, für Fotografen oder für Labels gemacht habe, einfach nur sehr viel Spaß.

Wie kleidest Du Dich Zuhause? Trägst Du feminine Kleidung nur, wenn Du ausgehst?

Zuhause trage ich auch weibliche Kleidung. Im Winter gerne bequeme Cordhosen und Pullover, oder Wintershorts auf dicken Strumpfhosen. Diese Bewegungsfreiheit und dieser Kuschelfaktor! Im Sommer mag ich Sommershorts und -tops oder leichte, luftige Sommerkleider sehr. Jogginghose trage ich eher nicht, ich glaube, ich besitze auch gar keine.

Wenn Gäste kommen, ziehe ich auch sehr gerne ein schickes Kleid oder eine elegante Shorts mit Oberteil an. Ich mag es, mich chic anzuziehen, wenn wir Besuch bekommen. Es ist für mich ein Symbol der Würdigung unserer Gäste – inzwischen hat diese Gewohnheit sogar auf unsere Freunde abgefärbt. Einher geht ein schön gedeckter Tisch – das kann allerdings meine Frau viel besser als ich. Dafür bin ich für den gekühlten Champagner zuständig. Diese Gewohnheiten habe ich ganz klar von meinen Eltern übernommen. Das hat bei uns in Frankreich Tradition!

Du erwähnst die Arbeitswelt. Trägst Du auch weibliche Kleidung bei der Arbeit?

Ja, inzwischen auch ganz selbstbewusst.

Stéphane Bonutto liebt es als Mann Frauenkleider zu tragen
Auch im häuslichen Umfeld fühlt sich Stéphane wohl in femininen Looks

Stéphane Bonutto liebt es als Mann Frauenkleider zu tragen
Stéphane Bonutto im Home Office

Das war aber sicherlich nicht gleich der Fall. Wie hast Du im Arbeitsumfeld Deine Veränderung vorangetrieben?

Ich habe zunächst Damenhosen und Damenblazer getragen und meine Schuhe verändert – zu Ballerinas und ein wenig Absatz. Und manchmal ein bisschen Make-up aufgetragen. Das war genug, dass ein Kollege mich auf meine „äußerlichen Veränderung“ angesprochen hat. An diesem Tag wollte ich überhaupt nicht über das Thema reden und habe das Gespräch abgebrochen. Bei dieser Gelegenheit habe ich festgestellt, dass bei der Arbeit deutlich größere Herausforderungen vor mir liegen, als privat.

Was kam da auf Dich zu?

In erster Linie die Toleranz, die Akzeptanz und die Glaubwürdigkeit meiner Person trotz der äußerlichen Veränderung aufrechtzuerhalten. Während das Tragen eines Männerhemds durch eine nicht infrage gestellt wird, wirft das Tragen einer Damenbluse durch einen Mann immer noch hundert Fragen auf.

Ja, das ist schade und ungerecht. Welche Fragen hat man Dir gestellt?

Ob ich transsexuell sei, ob ich mich operieren lassen möchte. Ob ich keine Angst um meine Karriere hätte. Es ist doch so: Im beruflichen Umfeld gibt es viele Frauen, die ihre Weiblichkeit mit Absicht unterdrücken, um tougher zu erscheinen und sich dadurch besser in der Führungsetage zu behaupten. Weil ein Führungsjob in ihren Augen noch eine Männerdomäne ist, maskulinieren sie sich. Und dann komme ich als männliche Führungskraft in der Industrie, obendrauf für einen Finanzbereich verantwortlich, und trage Frauensachen. Da fühlen sich erst mal einige in ihrer eigenen Wahrnehmung gestört.

„Ich setze auf Authentizität – an mir ist alles echt! Das hilft mir bei der Argumentation, dass die Person und nicht das Erscheinungsbild zählt“

Es ist ganz schön mutig von Dir, Dich all dem auszusetzen …

Ja, ich weiß es. Und ich weiß, dass nicht alle den gleichen Mut haben. Zum Glück gibt es inzwischen einige Firmen, bei denen die Thematik „Diversität bei der Arbeit“ salonfähig ist. Bei anderen Firmen bleibt es bei der Regenbogenflagge im Monat Juni. Gut ist, dass bei manchen Unternehmen das Thema viel tiefer verankert ist – zum Beispiel durch einen Beauftragten für Diversity & Inclusion, durch Workshops und Reflexionsgruppen.

Deine Outfits haben Deiner Karriere aber anscheinend nicht geschadet. Wie hast Du das geschafft?

Neben dem Mut setze ich auf Authentizität. An mir ist „alles echt“: Ich trage zum Beispiel keine Perücke, mein Haar habe ich inzwischen wachsen lassen und trage es mittellang, mit einem femininen Haarschnitt natürlich. Die weibliche Facette meiner Persönlichkeit unterdrücke ich nicht, vielmehr lebe ich sie neben der männlichen Seite völlig aus. Dadurch hat meine Gesamtpersönlichkeit an Stärke gewonnen. Dies hilft mir in der Argumentation, dass die Person und nicht das Erscheinungsbild zählt, und dass die Glaubwürdigkeit einer Person nicht in Widerspruch mit einem ungewöhnlichen Aussehen steht.

Es herrscht aber leider nicht überall auf der Welt die gleiche Toleranz und Akzeptanz. Wie reagierst Du auf die Entwicklungen in anderen Ländern, in denen Dein Erscheinungsbild nicht akzeptiert wäre?

Ich habe es vorher gesagt: Mir geht es nicht darum, Menschen zu provozieren. Es ist mir bewußt, dass es Orte in der Welt gibt, wo mein Erscheinungsbild sogar lebensgefährlich sein könnte – Stadtteile in Großstädten, Regionen in Ländern und sogar ganze Länder in der Welt. Für solche Fälle hätte ich natürlich kein Problem, einen deutlich konventionellen Look zu tragen. Ich habe noch ein paar Männeranzüge und -schuhe im Schrank (zwinkert). Diese Entwicklungen machen mir aber Angst. Wenn man betrachtet, wieviele Jahre nötig gewesen sind, um Toleranz und Akzeptanz in der – vor allem westeuropäischen – Gesellschaft bezüglich Abweichungen von der „Normalität“ zu erreichen, finde ich es erschreckend, wie schnell andernorts das Pendel in die entgegengesetzte Richtung zurückschlagen kann.

Siehst Du vor dem Hintergrund solcher Entwicklungen einen gewissen Handlungsbedarf für Menschen wie Dich?

Auf jeden Fall. Ich habe das Privileg, in einem Umfeld zu leben, in dem ich beide Facetten meiner Persönlichkeit öffentlich ausleben kann. Also sehe ich es als meine Verantwortung, für andere Menschen eine Inspiration zu sein. Besonders für diejenigen, die sich „noch nicht trauen“. Vor ein paar Jahren im Brüsseler Flughafen sprach mich eine andere Passagierin an und beglückwünschte mich zu meinem Outfit (ich hatte ein Business-Outfit mit Pencilskirt an). Sie sagte mir, dass Ihr Sohn ein ganz ähnliches Faible hätte, dass er sich aber nicht traue, es auszuleben. Sie fragte mich, welchen Ratschlag ich für ihn hätte. Wir hatten einen ganz tollen Dialog und ich freue mich, dass ich indirekt einem Mensch helfen konnte. Inzwischen biete ich solche Beratungen bzw. Coachings zum Thema Outing auch gerne an.

„Ich glaube, ich habe im Laufe meines Lebens einfach die zweite Seite meiner Persönlichkeit entdeckt. Die Erste zu verlieren, fände ich aber schade“

Du hast gerade gesagt „eine andere Passagierin“. Sprichst Du von Dir als weiblichem oder männlichem Wesen?

Als ich zum ersten Mal als „Frau Bonutto“ angesprochen wurde, fühlte es sich schon etwas komisch an. Zugleich sagte ich mir, dass mein weibliches Aussehen anscheinend ganz gut glaubwürdig sei, wenn man mich so anspreche. Und dass ich also keine falsche Brust brauche. Inzwischen finde ich es passend, wenn man mich mit „Herr“ anspricht, wenn mein Outfit nicht auffällig weiblich ist, und ich habe kein Problem mit„Frau“, wenn ich Rock, Kleid und Heels trage. Ich finde es sogar einfühlsam von den Menschen. Wobei ich wiederhole, daß ich mich weiterhin als Mann betrachte. Und ein bisschen Humor darf auch sein: Ich lächle gerne, wenn Kollegen mich bei der Arbeit manchmal „Stephanie“ nennen, um mich nicht mit einem der vielen „Stefanos“ zu verwechseln. Stéphane ist nämlich in meiner Generation ein ziemlich verbreiteter Vorname…

Wie weit willst Du noch mit Deiner weiblichen Seite gehen? Steht eine echte Transformation irgendwann einmal auf der Tagesordnung?

Nein, das habe ich nicht vor. Dann wäre ich nicht mehr die Person, als die ich geboren wurde. Ich glaube, ich habe im Laufe meines Lebens einfach die zweite Seite meiner Persönlichkeit entdeckt. Die Erste zu verlieren, fände ich aber schade.

Welchen Ratschlag hast Du für Personen mit dem gleichen Faible wie Du?

Traut euch! Seid mutig, seid ihr selbst und lebt die verschiedenen Seite Eurer Persönlichkeit authentisch aus. Findet eure persönliche Herangehensweise für euer Outing. Freut euch über Lob, stellt euch der Kritik und sucht den Dialog, wenn es möglich ist. Dadurch werdet Ihr eure Mitmenschen mitnehmen und gewinnen. Und Ihr werdet ein glücklicheres und erfülltes Leben führen.

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Stéphane Bonutto liebt es als Mann Frauenkleider zu tragen

Über Stéphane

Stéphane Bonutto kam 1969 in Griechenland zur Welt, sein Vater ist Franzose italienischer Abstammung, seine Mutter Französin mit niederländischen und belgischen Wurzeln. Er wuchs in Paris auf, ging zum Studieren nach Lyon, es folgten Stationen in Koblenz, Berlin, Mainz, Zürich und Rom; heute lebt er mit seiner Frau im Mainzer Raum und arbeitet im Finanzmanagement eines Industrieunternehmens. Er liebt die Welt der schönen Dinge: Musik, Design, Oldtimer-Autos und die Welt der Frauen, mit allem was dazugehört – Fashion, Schmuck, Make-up. Im vergangenen Jahr erhielt er den vom Verband Deutscher Mode- und Textil-Designer VDMD ausgelobten Fashion.Pluck.Award für den Mode.Mut.Mann 2020.

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Unsere Beauty-Expertin Martina Davidson sprach in ihrer Interviewreihe Beauty Conversation auf Instagram mit Stéphane über Schönheit…

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