Mit der Natürlichkeit, die sie auf ihrem Blog BeFifty versprüht, macht Beate Finken anderen Frauen Mut, die positiven Seiten des Älterwerdens zu erkennen. Weg vom Jugendwahn und einen realistischen Blick auf die Frauen über 50 – das wünscht sie sich von der Modeindustrie. Auf HEYDAY zeigt sie außerdem ihre Lieblingsteile für den Herbst
Top von Christian Wijnants , Jeans von Dawn Denim, Sneaker von Golden Goose
HEYDAY: Liebe Beate, Du bist verheiratet, hast zwei Söhne, und führst seit Jahren Deinen eigenen Ü50-Blog, auf dem Du neben Mode-, Beauty- und Lifestyle-Themen auch Dein Alter thematisierst. Was hat dich dazu motiviert?
Beate Finken: Ich habe die Nähe zu uns Frauen der Generation Baby Boomer vermisst. Print-Medien machen einen prima Job und sind sehr professionell, Frauen in
meinem Alter sieht man aber im Print-Bereich viel zu wenig, und oft fehlt eine Portion Realität. Im TV-Bereich ist es noch ausgeprägter. Die gezeigten Frauen haben nichts mit uns „Ü50”-Frauen zu tun. Ganz oft sitze ich vor dem Fernseher und frage mich: „Meinen die mich?”. Viele Marken ignorieren, wie sehr sich meine Altersgruppe in den letzten Jahren verändert hat.
Instagram ist heute die Visitenkarte jeder Marke. Was hältst Du von
der Plattform und wie nutzt Du Deinen Account?
Instagram ist ein wunderbares Schaufenster, um gefunden und gesehen zu werden. Komplexe Themen kann man dort nicht vermitteln, aber es ist ein gutes, kostenloses Tool und gehört für mich ganz klar zum Marketing-Mix dazu.
Die Zielgruppe „50 plus” ist neugierig, lässt sich aber auch nicht alles andrehen. Authentizität spielt eine große Rolle. Wie siehst Du das und wie setzt Du werbliche Themen um?
Das ist ganz einfach. Wenn ich für ein Produkt brenne, dann kommt es auf meinen Blog, wenn nicht, lehne ich die Kooperation ab. Generell versuche ich, die Bildsprache sehr „sanft“ werblich zu gestalten. „Produkt neben das Gesicht oder frontal vor meine Person“ ist nicht mein Ding. Ich bin und möchte kein austauschbares Werbegesicht sein.
Oben links: Regencoat von Acne, Top von Christian Wijnants, Jeans von Dawn Denim, Sneaker von Golden Goose
Rechts: Daunenjacke von Acne, Jeans von Dawn Denim, Stiefeletten von ATP
Diversität ist gerade ein Riesenthema, auf das viele Firmen aufspringen. Reicht es, einfach ein grauhaariges Model neben ein junges zu stellen? Was hat sich auf dem Markt der Best-Ager in den letzten Jahren getan? Wo gibt es noch Handlungsbedarf?
Da ja nur ein Bruchteil der Ü50-Frauen grauhaarig ist und eine Modelfigur hat, gibt es da noch viel Spielraum. Handlungsbedarf? Das müssen jene beurteilen, die die Budgets verteilen. Wenn es so funktioniert, werden sie ihrer Linie treu bleiben. Ich persönlich würde es anders machen.
Was wäre Dein Vorschlag an die Industrie?
Weg vom Jugendwahn und einen realistischen Blick auf uns Frauen über 50. Die Vermarktung über 20-jährige Models mit schönen, faltenfreien Gesichtern und Figuren ohne weibliche Aussage entspricht nicht mehr der Zeit. Mode sollte Spass machen und unterstützend für die Persönlichkeit sein, frei von Zwängen. Julia Roberts wurde 2018 mit 50 vom People Magazine zur schönsten Frau der Welt gekürt, das ist doch ein super Zeichen und ein gutes Signal an die Industrie, auch mit werberelevanten und inspirierenden Frauen im Alter 50+ zu arbeiten.
Du bist total aktiv und normalerweise viel unterwegs. Wie sehr haben dich die Reise-Einschränkungen seit der Pandemie mitgenommen? Wie hat sich das auf Dich persönlich und auch auf Deine Arbeit ausgewirkt?
Die Reisen und neuen Eindrücke fehlen mir sehr. Das war mein Antrieb und meine Inspiration. Momentan zehre ich von meinen Erinnerungen. Ich war zum Glück noch im Januar 2020 in New York, habe im Februar eine Gletscherwanderung auf Island unternommen und den Opernball in Dresden besucht. Das sind Erinnerungen, die sehr kostbar geworden sind.
„Wir Midlife-Boomer sind leidenschaftlich, weltoffen und empathisch und haben ganz viel Kaufkraft!”
Beate Finken
Auf Instagram sehen wir, dass Du ein Herz für kleine Boutiquen in München hast. Das finden wir bei HEYDAY natürlich toll, denn gerade in dieser schwierigen Zeit ist es wichtiger denn je, lokale Läden und Manufakturen zu unterstützen. Welche sind Deine Lieblings-Labels und -Shops?
In meiner Hood in der Münchner Altstadt liegt das Chaingang – für mich die perfekte Mischung aus Mode, Schmuck und Lifestyle. Und nirgends in München wird man ehrlicher und freundlicher mit der richtigen Portion Humor beraten. Allen, die in kleineren Städten wohnen und/oder aktuell nicht so gerne in der Stadt unterwegs sind, kann ich die Plattform Melagence Local empfehlen, die es unabhängigen Händlern ermöglicht, ihre Produkte aus dem Melagence-Agentur-Portfolio online zu verkaufen. So wird das Internet zum Schaufenster und man unterstützt den Einzelhandel. Bei den Labels bin ich sehr breit aufgestellt. Sehr, sehr gerne mag ich Christian Wijnants und das nachhaltige Jeanslabel Dawn Denim.
Du lebst schon lange in München. Was magst Du an der Stadt besonders gern? Hast Du einen Lieblingsort?
Wenn ich die Surfer am Eisbach beobachte und anschließend in der Bar Schumann’s am Hofgarten zu Abend esse, bin ich glücklich. Beide Ort erfüllen meine Sehnsucht nach Abenteuer und Großstädten.
Du hast einen natürlichen Look und trägst nicht nur hochkarätige Designer-Lables, sondern einen guten Mix aus High Fashion und bezahlbaren Contemporary-Marken. Wie würdest Du Deinen persönlichen Stil beschreiben?
Meine Stil würde ich als einen Mix aus sportlich, modisch und klassisch bezeichnen. Ich kombiniere gerne Jeans mit einem Trendteil oder ein Kleid mit modischen Accessoires. Wenn es sich gut anfühlt, dann passt es zu mir. Ich entscheide mich oft emotional für ein Outfit, dann wirkt es authentisch und ich bin ganz bei mir.
Kleid von Christian Wjinnants, Strümpfe von Johnstons of Elgin und Pumps von ATP
Was ist Dir wichtig, wenn Du Fashion konsumierst? Hat sich Dein persönliches Kauf-Verhalten seit dem ersten Lockdown im März 2020 verändert?
Für mich steht zeitgemäße Mode im direkten Zusammenhang mit einer nachhaltigen Produktion. Feuer fange ich bei Slow Fashion und edlen Materialien. Im Bereich Comfy-Style (bequeme Mode; Anmerkung der Redaktion) habe ich seit dem ersten Lockdown definitiv aufgerüstet. Gerade habe ich die neue Chill & Sleep Kollektion von One Day Baby für mich entdeckt.
Welche Basics dürfen in keinem Kleiderschrank fehlen?
Schmale Jeans, lässige Hemden im Oversize-Stil, ein schöner Poncho, Maxikleider und Boots. Sehr gerne auch weite, elegante Mäntel – die retten definitiv jeden Look.
Gibt es so etwas wie den besten Kauf Deines Lebens?
Davon haben ich ganz viele. Vielleicht zu viele …
Wie stehst Du zu Vintage-Mode? Was machst Du mit all den Kleidungsstücken, die Du nicht mehr anziehst?
Ich habe eine Vintage-Jacke von meiner Mutter im Schrank und eine Gucci-Tasche, die fast 35 Jahre alt ist. Das war es. Ich trenne mich relativ schnell von Stücken, die ich nicht mehr trage, und meist gebe ich einen Artikel in den Wiederverkauf, wenn ich mir einen anderen kaufe. Dafür nutze ich Plattformen wie Rebelle, Catchys und Momox.
Kleid Dabbar Dress und Mantel Jack Coat von Christian Wjinnants
Du bist jetzt 54. Wenn man Dich kennt und deine Social-Media-Kanäle verfolgt, scheint es, als wärst Du angekommen und bist stets ganz bei Dir. Du wirkst schwerelos, erfrischend und vermittelst ein positives Gefühl. Ganz nach dem Motto: Jetzt ist meine Zeit. War das von Anfang an so?
Irgendwann habe ich für mich den Spruch entdeckt „Die beste Lebensphase ist immer genau jetzt” – und diese versuche ich zu genießen. Vergangenen Zeiten nachzutrauern war noch nie meins, ich schaue nach vorne.
Hast Du keine negativen Erfahrungen mit den Wechseljahren? Gibt es etwas am Älterwerden, dass Dich manchmal richtig nervt?
Klar, viele Dinge. So eine Hitzewallung ist nicht gerade ein Highlight, und auch Periodenblutung, die manchmal wochenlang andauert und dann wieder im Nirvana verschwindet, braucht man nicht wirklich. Aber es ist wie es ist, und eine gute Frauenärztin hilft. Am meisten nervt mich die nachlassende Sehkraft.
„Ich weiß beim Blick in den Spiegel: Es ist nur erfahrene Haut, die etwas an Volumen verloren hat. Es ist kein Charakterfehler”
Beate Finken
Wie empfindest Du die Zeit in den Fünfzigern? Was ist der Vorteil am Älterwerden? Wie gehst Du mit all den körperlichen Veränderungen um?
Weniger müssen, mehr dürfen. Ich halte mich nicht an strenge Regeln, achte nicht wie eine Besessene auf mein Gewicht, Stundenpläne für Sport sind mir fremd. Viel Dolce Vita und ein wenig Disziplin. Dabei fühle ich mich sehr lebendig. Ich bin in den Wechseljahren wesentlich renitenter geworden, sage jetzt noch mehr meine Meinung. Ungerechtigkeit halte ich kaum aus. Das ist für mein Umfeld punktuell unterhaltsam bis anstrengend. Für mich ist das wichtig. Und ich weiß beim Blick in den Spiegel: Es ist nur erfahrene Haut, die etwas an Volumen verloren hat. Es ist kein Charakterfehler.
Das Älterwerden ist ja in unserer westlichen Welt immer noch negativ behaftet. Was muss sich in unserer Gesellschaft ändern, damit wir uns alle auf das Älterwerden freuen?
Große Frage. Ich übertrage das mal auf den Teilbereich Fashion. Ich wünsche mir, dass unsere Generation von der Industrie und von Modelabels ernster genommen wird, und sie uns bewusster sehen. Wir Midlife-Boomer sind leidenschaftlich, weltoffen, lieben Technik, sind kreativ und empathisch, und wir haben ganz viel Kaufkraft! Wir befinden uns auf dem Höhepunkt unserer Vitalität und wissen, was in der Welt los ist. Unterschätzt uns nicht und profitiert menschlich und beruflich von unseren Erfahrungen!
Was möchtest Du unseren Leserinnen mit auf den Weg geben, die den zweiten Lebensabschnitt noch nicht so entspannt genießen können?
Nicht mehr so kritisch mit sich selbst zu sein und sich zu mögen. Früher habe ich immer viel zu viel Zeit damit verbracht, mich mit meinen „Defiziten” auseinanderzusetzen. Heute denke ich an den meisten Tagen: „All good!” Die 50 ist doch nur ein Symbol dafür, dass unser Leben endlich ist. Das hält mich wachsam und neugierig.
Wenn Du es dir wünschen dürftest: Für welchen Designer würdest Du gerne mal modeln?
Sehr gerne für Loewe.
Jacke von Il Cappottino, Bluse von Christian Wjinatns, Jeans von Dawn Denim und Stiefeletten von ATP
Herzlichen Dank an das Produktionsteam: Fotografin: Sarah Willmeroth, Model: Beate Finken, Styling: Uschi Kubach
Über Beate Finken
„Marketingprofi, Weltreisende, Tourismuskauffrau, Networkerin, Konsumentin und Mutter. Viel gesehen und immer ein kritisches Auge, mit ganz viel frischer Begeisterung und einer Vorliebe für Herausforderungen. Authentizität gepaart mit Lebenserfahrung. Sehr social und digital, dazu Digital Immigrant und Print’s not dead-Anhängerin.”
Beate Finken hat jahrzehntelange Erfahrung sowohl in großen Werbe- und Incentive-Agenturen als auch im Verlagswesen gemacht. Ihr berufliches Spektrum erstreckt sich von klassischer Werbung, Veranstaltungsmarketing und Direkt Marketing über Kompensationsgeschäfte bis hin zu beratender Tätigkeit.
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Fotografiert wurde Beate Finken von der Newcomerin Sarah Willmeroth
Sarah ist 1997 in Oberbayern geboren und in einem kleinen Ort bei Bad Aibling aufgewachsen. Während ihres Auslandsjahrs 2013/14 in Brasilien entdeckte sie die Fotografie für sich. 2017, ein Jahr nach ihrem Abitur und weiteren Reisen in Asien, begann sie ein Studium der Fotografie and der Hochschule München. 2019 hat es Sarah für ein Praktikum bei einem Modefotografen nach Paris geführt, wo sie seitdem lebt und gerne noch weitere Jahre verbringen möchte. Neben der Modefotografie interessiert sie sich außerdem für Dokumentarfilme. Sie arbeitet sowohl digital als auch analog, und das vor allem für private Projekte.
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