Entschleunigung, frische Inspirationen und neue Wege, um der Krise zum Trotz erfolgreich arbeiten zu können: HEYDAY sprach mit der Gründerin der Marke lala Berlin über die Herausforderungen durch Covid-19 für die Modewelt. Wie sie es schafft, privat und beruflich den Fokus zu bewahren und zukunftsgewandt zu denken, erzählt sie in unserem Interview.
HEYDAY: Liebe Leyla, wie versuchst Du in diesen schweren und unsicheren Zeiten Positivität und Stärke in die Welt zu tragen?
Leyla Piedayesh: Durch gute Energie, Zuversicht und den Glauben daran, dass wir es zusammen schaffen. Dazu frage ich gezielt, wer wo welche Hilfe benötigt. Das ist ehrlich gemeint und gelebt – wir brauchen Solidarität in solchen Zeiten, damit sich niemand allein gelassen fühlt. Mittels moderner Kommunikationskanäle wie etwa Instagram, streamen wir im Moment fast täglich live für die Fans unseres Lables und beginnen jeden zweiten Tag mit einer inspirierenden „Morning Message” an unsere (digitale) Community. Diese Nachrichten sollen beispielsweise gute Energie des Geistes transportieren, dazu Zuversichtlichkeit hinsichtlich der Zukunft – all dies unter dem Motto „Gemeinsam sind wir alles – in Liebe“.
Wie sehen Deine Erfahrungen und Wahrnehmungen in der Corona-Krise aus?
Das Miteinander und das Mitgefühl der Mitmenschen haben sich verstärkt. Die meisten in meinem Bekanntenkreis, die die Isolation anfänglich mit Frust und Angst aufgenommen haben, haben sich schnell mit der Lage angefreundet und sich die positiven Seiten zunutze gemacht. Zum Beispiel durch Entschleunigung, dadurch, mehr zu fokussieren, mehr zu ruhen, in der vorhandenen Freizeit bewusst das zu machen, was man gerne tut – und darin Glück und Leichtigkeit zu finden.
Natürlich habe ich auch vereinzelt Stimmen der absoluten Opposition vernommen, sowie Zweifel an dem ganzen Thema an sich sowie dem Umgang damit. Und dann gibt es da ja auch noch die sekundären Gefahren der Krise, die mir nahegingen, wie etwa Berichte über häusliche Gewalt und Depression.
Kreativität braucht Freiraum, Impulse, Grenzenlosigkeit – das genaue Gegenteil von dem, was wir gerade leben müssen. Wie steckst Du als kreativer Mensch diese Einschränkungen weg?
Kreativität ist meiner Meinung nach etwas, das von innen kommt. Durch Meditation habe ich gelernt, auf meine innere Stimme zu hören. Man muss nicht ans andere Ende der Welt reisen, um sich inspirieren zu lassen – im Gegenteil: Ich nehme vermehrt die Dinge in meiner unmittelbaren Umwelt wahr. Innere Ruhe gibt mir immense Kraft für inspirierende, kreative Momente. Krisen können tatsächlich zur Kreativität beitragen, da man ständig bewusst nach Lösungen suchen muss.
Inspirationen warten im uneingeschränkten Leben an jeder Ecke. Wo findest Du sie momentan?
Im Moment finde ich sie irgendwo in meinem Bücherstapel oder in den Spotify-Playlists. Wie gesagt, Inspiration kommt von überall her.
Welche positiven Seiten kannst Du der Situation abgewinnen?
Ich bin allgemein eine Person, die immer positiv denkt. Ich nutze gerade die Zeit, um viel mit Freunden aus aller Welt zu kommunizieren und mich auszutauschen. Das schafft ein ungemein starkes Gefühl von Zusammengehörigkeit. Generell gesprochen glaube ich, dass die Gesellschaft sich gerade von ihrer besten Seite zeigt. Es gibt unzählige soziale Initiativen, die bestätigen, dass wir zumindest menschlich gerade auf einem guten Weg sind.
Was hat Dich der Shutdown gelehrt?
Dass Gesundheit und Zusammenhalt das Wichtigste auf der Welt sind – wir müssen dem inneren Frieden und der Kraft Raum geben, um Ängste schnell aus dem Weg zu räumen. Angst ist in diesen Zeiten kein guter Begleiter und kann eine Abwärtsspirale auslösen.
Wie sieht Dein Arbeitsalltag momentan aus?
Im Moment gehe ich nicht ins Büro. An meiner Morgenroutine hat sich an sich nicht viel verändert: Nach einer geführten Meditation und einer Yoga- oder Pilates-Einheit checke ich meine E-Mails und erledige Telefonate. Es kommen zudem viele Videokonferenzen dazu. Trotz der vielen Arbeit nutze ich jede gewonnene Zeit bewusst, um zu lesen, Musik zu hören und mich davon inspirieren zu lassen – insbesondere anregende Podcasts und spirituelle Redner helfen mir sehr.
„Wir müssen uns fragen, wie wir in Zukunft eine bessere Arbeitsweise etablieren können, die die Kreativität schützt, der Umwelt gegenüber verantwortlich ist, und zugleich auf die Bedürfnisse unserer Kunden eingeht“
Leyla Piedayesh
Was bedeutet Corona für die Modebranche und speziell für Deine Marke lala Berlin?
Für uns alle bei lala Berlin bedeutet es in erster Linie massive Einschränkungen, da neben unseren Boutiquen in Berlin und Kopenhagen natürlich auch unser Headquarter geschlossen ist. Trotz der Distanz durch das Homeoffice versuchen wir uns enger denn je mit unseren Mitarbeitern und Kunden über moderne Kommunikationsmittel auszutauschen.
Für die Branche allgemein bedeutet die Corona-Krise einen großen wirtschaftlichen Verlust über mehrere Wochen, wenn nicht Monate. Die Modeindustrie lebt mehr als jede andere von Aktualität und saisonalen Kollektionen, die leider, wie Lebensmittel, ihr Gültigkeitsdatum verlieren, sobald eine Saison abgelaufen ist. Dies bedeutet, dass die verlorenen Wochen durch Corona nahezu nicht aufzuholen sind.
Für unser Label läuft das Online-Geschäft weiter, daher haben wir eine kleine Absicherung. Meine Hoffnung ist, dass unsere Kunden und auch die Einzelhändler die Krise gut überstehen, und nicht zu viele Shops ihre Lebensgrundlage aufgeben müssen. Für uns und für die Branche allgemein sind die Erfahrungen durch die Covid-19-Beschränkungen eine Gelegenheit, über die Art und Weise unseres Handelns nachzudenken und uns zu fragen, wie wir in Zukunft eine bessere Arbeitsweise etablieren können, die die Kreativität schützt, der Umwelt gegenüber verantwortlich ist und zugleich auf die Bedürfnisse unserer Kunden eingeht.
Die gesamte Modeindustrie macht derzeit ähnliche Erfahrungen: Umsatzeinbußen durch Ladenschließungen, Cashflow-Probleme und dazu der Lernprozess, aus der Ferne zusammenzuarbeiten. Dies kann die Auswirkung haben, dass sich das Erscheinungsbild der Modeindustrie verändern wird, wenn die neue Normalität beginnt. Manche Marken und Labels werden überleben, andere traurigerweise nicht. Das ist eine Realität, die nicht geändert werden kann. Was wir sicherlich gelernt haben, ist, dass eine enge Kommunikation mit unseren Kunden und eine einhergehende Bedürfnisanalyse von höchster Wichtigkeit ist. Es gilt, sich gegenseitig zu unterstützen und aufzufangen. Diese enge Zusammenarbeit wird unser gemeinsames Überleben sichern, wenn das alles vorbei ist.
„Innere Ruhe gibt mir immense Kraft für inspirierende, kreative Momente. Krisen können tatsächlich zur Kreativität beitragen, da man ständig bewusst nach Lösungen suchen muss”
Leyla Piedayesh
Als Unternehmerin trägst Du nicht nur für Dich und Dein Label, sondern auch für viele Mitarbeiter und Angestellte eine große Verantwortung. Welche Maßnahmen konntest Du ergreifen, um Jobs und Existenzen zu erhalten?
In erster Linie versuchen wir jeden Mitarbeiter zu halten, das ist das oberste Gebot. Wir hatten das Glück, dass wir vor dem Ausbruch der Pandemie einen sehr gesunden Start in das neue Geschäftsjahr hatten, und demnach im Moment noch ganz gut da stehen. Aber natürlich müssen wir auch im Moment unsere Ressourcen schonen und versuchen, an der ein oder anderen Stelle das Budget zu reduzieren. Trotz alledem bleiben wir optimistisch, dass wir alle gemeinsam die Krise gut meistern werden.
Welche mögliche Entwicklung fürchtest Du am meisten?
Dass wir Mitarbeiter entlassen müssen, deren Existenz und Familien natürlich davon unmittelbar betroffen sind. Dass unsere Einzelhandelskunden, die uns schon seit so vielen Jahren unterstützen, insolvent gehen. Ich versuche von Tag zu Tag zu denken und gleichzeitig die Zukunft des Unternehmens und der Mitarbeiter immer zu berücksichtigen.
Worin besteht für die Modeindustrie die größte Herausforderung?
Die größte Herausforderung besteht im Moment im Zusammenhalt, nicht nur untereinander, sondern auch zwischen Politik und Industrie. Überdies muss sich die Modebranche – da ein Großteil der Ware durch die Schließung der Geschäfte nicht verkauft werden kann – zwangsweise umorientieren und das Angebot reduzieren. Vorwiegend herrscht in der Modeindustrie immer noch die Regel „Quantität statt Qualität“, hier sehe ich wiederum eine Chance, einen längst überfälligen Prozess anzustoßen, und uns bewusst zu machen, was, wann und wieviel wir tatsächlich brauchen.
Leyla Piedayesh
„Ich glaube, dass die Gesellschaft sich gerade von ihrer besten Seite zeigt. Es gibt unzählige soziale Initiativen, die bestätigen, dass wir zumindest menschlich auf einem guten Weg sind.”
Wie wird deiner Ansicht nach das Mode-System nach der Corona-Zeit aussehen?
Im Moment kann ich nur für das Szenario für lala Berlin sprechen: Wir haben eine Kollektion komplett gestrichen, um den Markt nicht mit Produkten zu überfluten. Instinktiv hoffe ich, dass wir hier nicht die Einzigen sein werden, da die Krise wieder einmal verdeutlicht hat, dass weniger mehr ist.
Eine Modemarke digital erlebbar zu machen ist momentan ein aufkommender Trend – und wahrscheinlich auch für viele die einzige Überlebensmöglichkeit. Habt ihr auch etwas in der Richtung angedacht und ist „digitale Mode“ wirklich ein ebenbürtiger Ersatz?
Der Trend hin zum digitalen Erlebnis läuft schon eine ganze Weile. Die Krise hat diesen Trend unglaublich beschleunigt. Für viele stationäre Einzelhändler ist der Auftritt auf Instagram und Co. momentan die einzige Einkommensquelle, darum sollten wir für diese Medien, so oft sie auch zum Teil kritisiert werden, sehr dankbar sein, da sie Existenzen bewahren. Wir haben das Glück, bereits vor der Pandemie multimedial mit unseren Kunden kommuniziert zu haben, nutzen die Tools, die uns zur Verfügung stehen aber im Moment umso mehr. Ich habe mich zum ersten Mal selbst auf den Bildschirm gebracht und versucht, die gute Energie durch morgendliche Aufrufe und Tipps weiterzugeben, sogar zum Tanzen zu animieren, denn das erweckt den Geist und macht auch in der Isolation heiter.
Zudem recherchieren wir gerade, wie wir auf digitalem Weg den Verkauf unserer Kollektionen unterstützen können. Wir wollen digitale Showroom-Termine für die kommende Saison testen. Dies gibt unseren Kunden weiter die Möglichkeit, uns zu erreichen, und hoffentlich auch ein Gefühl des Vertrauens, dass ihre Gesundheit und Sicherheit geschützt werden kann, während wir unser gemeinsames Geschäft weiter vorantreiben.
Es gibt ein Foto von Cecil Beaton, 1942 von der Vogue zu Kriegszeiten veröffentlicht. Es zeigt ein makelloses Model mit Hut, Handschuhen und zeitgemäßem Kostüm inmitten der Trümmer eines zerbombten Gebäudes. „Mode ist unzerstörbar“ ist der Titel. Was ziehst du aus dem Foto – würdest du der Aussage der Titels zustimmen?
Mode ist von Natur aus regenerativ. Daher glaube ich auch, dass sich der Großteil der Modehäuser nach der Krise stabilisieren werden. Um auf das Kriegsbeispiel zurückzukommen: Wie in jedem Krieg, so wird es höchstwahrscheinlich auch in dieser Pandemie-Krise leider ein paar Verlierer geben. Das ist eine Tatsache, der wir zu dem Zeitpunkt leider nicht mehr aus dem Weg gehen können. Aber am Ende ist eines klar: Wir brauchen etwas zum Anziehen und deswegen glaube ich, dass Mode unzerstörbar ist. Die Frage ist nur, in welcher Form, Geschwindigkeit und Quantität alles nach der Krise weitergehen wird.
Wovon hast du vor ein paar Monaten geträumt? Und wovon träumst du jetzt?
Ironischerweise von einer Utopie, die ich mit „lala Island“ betitelt habe und nach der ich unsere aktuelle Frühjahr/Sommerkollektion benannt habe. Mir ist vor ein paar Monaten aufgefallen, dass wir uns als Individuen zunehmend isolieren und uns dadurch das Gefühl von Zusammengehörigkeit fehlt. Ich hatte diese Idee von „lala Island“ als einem Ort, an dem wir alle gemeinsam friedlich leben und uns gegenseitig unterstützen. Absurderweise ist das durch die Krise irgendwie Realität geworden. Jetzt träume ich davon, dass wir den Zusammenhalt auch nach der Krise beibehalten werden.
Nach der Krise werde ich als Erstes …?
Zusammen mit meiner Tochter meine Mutter in Wiesbaden besuchen und ein großes persisches Familienfest feiern.
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