Gemeinsam mit ihrer Großmutter und einigen Silberfreundinnen tritt Luisa Hartung auf ihrem Blog den Beweis an, dass ältere Frauen schön, inspirierend, lebenslustig und bunt sein können – und das Alter tatsächlich nur eine Zahl ist. Sie möchte uns alle dazu inspirieren, das Alter mal grundsätzlich außen vor zu lassen, und mit mehr Aufmerksamkeit den Menschen dahinter zu betrachten
Nicht nur farblich gut aufeinander abgestimmt: Luisa und ihre Großmutter Angola
Die Schönheit des Alters hat Luisa Hartung immer schon fasziniert. Und so ist es nicht verwunderlich, dass sich die 27-Jährige genau mit diesem Thema gerne beschäftigt. Gemeinsam mit ihrer 86 Jahre alten Großmutter zeigt sie – gemäß des Namens ihres Blogs Style is Ageless – dass Stil kein Alter kennt. Wir sollen überdies erfahren, wie bereichernd ein generationenübergreifender Austausch für alle Beteiligten sein kann, denn Luisa ist sich sicher: „Gleiche Interessen sind keine Frage des Alters”. HEYDAY sprach mit der Bloggerin, die aktuell ihren Master im Bereich Medien- und Designmanagement macht
Luisa hat durch die Freudschaften mit älteren Frauen viel fürs Leben gelernt
HEYDAY: Luisa, wie kam es zu der Idee einen gemeinsamen Blog mit Deiner Großmutter zu gestalten?
Luisa: Das hat sich so ergeben. Meine Oma Angola und ich waren schon immer sehr eng und ich habe auch von jeher sehr gerne Zeit mit ihr verbracht. Sie ist so lebenslustig, offen und jung geblieben! Außerdem kennt sie mich so gut wie kein anderer Mensch und ich fühle mich in ihrer Gesellschaft immer superwohl – mit ihr ist es wie mit einer besten Freundin. Hinzu kommt, dass sie äußerlich ein ganz besonderer Typ ist – ihr Look, die großen Brillen. Sie hat schon immer getragen was sie wollte, dabei war es ihr seit jeher egal, was die Leute gedacht haben.
Dann war Deine Großmutter also schon immer sehr auf Stil bedacht?
Ja, ihre Mutter war Schneiderin, und obwohl die Familie durch den zweiten Weltkrieg viel verloren hatte und wirklich arm war, hatte sie es immer geschafft, praktisch aus nichts etwas Hübsches zu machen. Meine Omi hat den Style also quasi in die Wiege gelegt bekommen.
Und Du selbst, interessierst Du dich schon immer für Mode?
Tatsächlich ja, aber ich bin da auch so ein bisschen reingeboren, eben durch meine Oma und meine Mutter, und ich hatte auch immer sehr stilbewusste Freundinnen.
Glaubst Du, dass ältere Frauen heute in Sachen Mode mutiger sind als früher?
Ja, definitiv. Auch im Freundeskreis meiner Omi, obwohl das bereits auch schon alles Frauen über 80 sind. Da hat sich einiges getan. Allerdings ist Deutschland noch eines der Länder, das noch etwas hinterher hinkt, wenn man beispielsweise nach Spanien oder Italien schaut. Dort sind ältere Frauen schon seit eh und je sehr modisch unterwegs. Bei uns trifft man doch noch häufiger auf diesen Grau-Beige-Look – aber der Wandel kommt!
Was hat den Mut und das Selbstbewußtsein der Frauen in den vergangenen Jahren befördert?
Zum einen hat das natürlich viel damit zu tun, wo du hineingeboren und wie du aufgewachsen bist. Außerdem wird das Modebewusstsein heute durch Social Media verstärkt. Gerade auf Instagram gibt es so viele stylische Frauen mit 50+, 60+ . Meine Mutter beispielsweise hatte mit Social Media früher nicht viel zu tun, aber nachdem ich ihr ein paar interessante Accounts gezeigt habe, schaut sie immer wieder mal rein und lässt sich inspirieren.
Worauf legen ältere Frauen in der Mode besonderen Wert?
In erster Linie wollen sie sich wohl fühlen. Ältere Frauen, wie meine Omi, zeigen nicht mehr so gerne viel Haut, weil sich diese, wie auch die Körperhaltung durch den Alterungsprozess verändert hat. Die Kleidung soll der Figur schmeicheln, denn das Bewußtsein, sich schön und weiblich zu fühlen ist im Alter noch genauso wichtig wie für uns jüngere Frauen.
Was ändert sich am Style, wenn man älter wird, was bleibt?
Ich würde sagen, man wird mit den Jahren selbstbewusster, weiß was einem steht, hat seinen Stil gefunden. Sicherlich wird auch hin und wieder etwas Neues ausprobiert, aber in der Regel werden die Looks lieber mit Accessoires aufgepeppt, als das ein oder andere Experiment gewagt.
Satte, erdige Farben, glitzerndes Gold und schmeichelndes Make-up – Luisas Oma hat den Dreh raus!
Gibt es modische Gemeinsamkeiten zwischen Jung und Alt?
Das hängt natürlich vom persönlichen Geschmack ab, aber grundsätzlich schon. Meine Omi und meine liebe Freundin Gertrud haben viele sportliche Teile in ihrem Kleiderschrank, die eine junge Frau gleichermaßen tragen kann. Ich habe dies die „Generationengarderobe” getauft.
Dieses Thema möchte ich zukünftig auf dem Blog etwas ausbauen. Ich möchte die Geschichte hinter den Klamotten erzählen, die vielleicht schon seit Jahrzehnten im Kleiderschrank hängen. Viele Sachen sind absolut zeitlos und von so guter Qualität, dass sie auch heute noch problemlos getragen werden können. Es muss nicht immer alles neu sein. Ich finde es wichtig, dass man wieder lernt, gute Kleidung wertzuschätzen.
Hast Du etwas vom Stil Deiner Großmutter übernommen?
Ich glaube ich habe durch meine Omi mehr Mut zur Farbe bekommen. Ich trage jetzt auch mal einen pinken Mantel, farbige Tücher oder auffälligen Schmuck. Ansonsten, das Qualitätsbewusstsein und die Wertschätzung für die Sachen. Das habe ich mittlerweile sehr verinnerlicht, und wähle daher sehr bewusst aus.
Gibt es Looks von denen Du sagen würdest, die sind im Alter ein absolutes No Go?
Wie schon gesagt, Wohlbefinden ist das allerwichtigste in der Mode. Man sollte sich treu bleiben, ansonsten… wenn eine Frau sich gut dabei fühlt, kann sie alles tragen.
Auf Deinem Blog geht es nicht nur um Mode, Du porträtierst auch außergewöhnliche Frauen. Nach welchen Kriterien wählst du sie aus ?
Das Alter spielt natürlich eine Rolle, die Geschichte dahinter, was sie gemacht haben oder immer noch machen. Es ist ganz individuell, was mich inspiriert. Ich denke aber dass jede Frau irgendwie etwas Außergewöhnliches geschaffen hat, und das jede Geschichte auf ihre Weise erzählenswert ist. Meistens treffe ich die Frauen durch Zufall und dann ergibt sich etwas aus den Dialogen. Mein Wunsch ist es, diese Frauen sichtbarer zu machen und gleichzeitig zu zeigen, was man im Alter noch erreichen kann.
Du suchst also nicht gezielt nach bestimmten Frauen?
Nein tatsächlich nicht. Jede Frau hat etwas zu berichten und im fortgeschrittenen Alter umso mehr. Mein Wunsch ist es, noch viel mehr Geschichten von interessanten Frauen zu bringen, sobald Corona das wieder zulässt. Hierzu arbeite ich gerade an einem Podcast, um im Austausch mit noch mehr Frauen deren Lebenserfahrung und Weisheiten teilen zu können.
Was macht Schönheit im Alter für Dich aus?
Für mich ist das die Lebenseinstellung, die Attitude und die Authentizität, dass man dazu steht, wer man ist und Meinungen von außen nicht mehr so wichtig nimmt. Es ist diese positive Art, und die Annahme der eigenen Lebensgeschichte, auch wenn diese, wie es eben oft ist, von vielen Höhen und Tiefen geprägt war.
Ganz klar – auch Luisas Freundin Gertrud hat das Style-Gen weitergegeben
Wie kommt es Deiner Meinung nach dazu, dass heute immer mehr Frauen in fortgeschrittenem Alter als Models entdeckt werden? Und warum funktioniert auf einmal so gut, was früher undenkbar gewesen wäre?
Das ist der Wandel der Zeit. Die Gesellschaft wird immer diverser und so hat sich auch die Modewelt verändert. Heute sind allgemein mehr Typen gefragt, es genügt nicht mehr hübsch, superschlank und jung zu sein. Und alt werden wir schließlich alle. Im Zuge meiner Bachelorarbeit habe ich eine Arbeit über dieses Thema geschrieben. Ich habe zwei Werbekampagnen der gleichen Marke miteinander verglichen. Die eine zeigte junge Models, die andere ältere. Dann habe ich Frauen befragt, welche Werbung sie eher anspricht, und das war tatsächlich überwiegend die mit den älteren Models.
Auf Deinem Blog geht es auch um Freundschaften zwischen jung und alt. Was macht eine solche Freundschaft aus?
Mit meiner Freundin Gertrud beispielsweise verbringe ich sehr viel Zeit. Bei ihr kann ich mich komplett fallen lassen, ich kann alle meine Sorgen 1:1 mit ihr teilen. Sie schaut aus einer ganz anderen Lebensperspektive darauf. Mit meinen Silberfreundinnen findet eine absolut ehrliche Kommunikation statt.
Möglicherweise fehlt da ein gewisses Konkurrenzdenken, was bei Gleichaltrigen unterschwellig da ist?
Exakt, genau so ist es. Eben weil einige Jahrzehnte zwischen uns liegen, begegnen wir uns auf einer ganz anderen Ebene. Dazu kommt natürlich die Lebensweisheit… Mit 80 ist, jede auf ihre Art, irgendwie weise. Da hat man schon alles erlebt, was mir noch bevorsteht.
Was lernst Du von deinen Silberfreundinnen?
Ich habe gelernt Ruhe zu bewahren, auch wenn Dinge nicht so laufen, wie sie sollten. Ich habe gelernt: Auch wenn etwas Schlimmes passiert, es geht immer weiter.
Was möchtest Du älteren Frauen mit mit auf den Weg geben?
Dass sie positiv bleiben und sich nicht unterkriegen lassen. Meine Silberfreundinnen haben so viel Schreckliches erlebt, weil sie in der dunkelsten Zeit der deutschen Geschichte aufgewachsen sind. Dennoch sind sie immer positiv geblieben, haben immer weitergemacht und niemals aufgegeben. Ich kämpfe für mehr Sichtbarkeit dieser tollen Frauen und dafür, dass man die Stigmata des Alters vergisst und sich aufeinander einlässt.
Liebe Luisa, wir danken dir für dieses schöne Gespräch.
Ob im Trenchcoat oder mit strukturierter Bluse im Animal-Look – ihre „Omi” ist Luisas Lieblingsmodel
