„Ich bin keine laute Person, es sind eher meine Looks”

Mirja Zentgraf

Die gebürtige Dänin Maria Gieseke (51) arbeitete lange Jahre als Model und Model-Agentin und ist bekannt für ihre aufregenden Looks – Mode ist ein Teil ihrer DNA. Für HEYDAY beantwortet die Wahl-Berlinerin persönliche Fragen und stellt ihre aktuellen Lieblingsdesigner vor

Fotos Mirja Zentgraf Interview Thorsten Osterberger

Maria Gieseke H&M Unconscious Stil Interview Modestil
Maria Gieseke H&M Unconscious Stil Interview Modestil

Maria Gieseke H&M Unconscious Stil Interview Modestil

Maria Gieseke in einem Kleid von H&M Unconscious

HEYDAY: Inwieweit beeinflusst Dich Deine skandinavische Herkunft? Macht sie sich in Deinem persönlichen Stil, Deiner Einrichtung, oder Deiner Lebenskultur bemerkbar?

Maria Gieseke: Herkunft und Familie begleiten einen durch das ganze Leben und prägen unseren Stil, unseren Geschmack, wer wir sind und wie wir durchs Leben gehen. Ich liebe meine skandinavischen Wurzeln, meine Kultur und die nordische Lebensart, allerdings ist mein Stil sicher nicht durch und durch dänisch. Das typisch Skandinavische findet bei mir eher Ausdruck in meiner Erziehung, meiner positiven Lebenseinstellung und meinen Werten – über uns Dänen sagt man ja immer, dass wir das glücklichste Volk auf Erden sind und da ist auf jeden Fall etwas dran. Bereits von klein auf bringt man den Kindern bei, nach grundlegenden menschlichen Werten zu leben: andere zu respektieren und Menschen beizustehen, die Hilfe brauchen. Uns Dänen macht aus, dass wir sehr weltoffen sind, man kommt leicht ins Gespräch mit uns, wir sind interessiert an anderen, gehen auf sie zu. Wir mögen einfach Menschen, das Miteinander, die Geselligkeit, den Austausch – eben das Hygge.


Was meinen Kleidungsstil oder meine Einrichtung betrifft – da bin ich nicht unbedingt typisch skandinavisch. Ich liebe es, mich mit Sachen zu umgeben, die mich an positive Momente, Erlebnisse, Reisen zurückdenken lassen. Eine Tour durch mein Zuhause ähnelt dem Blättern in meinem Reisetagebuch – überall stehen kleine Erinnerungsstücke, Schätze und Fundsachen aus der ganzen Welt. Gemälde, Miniaturen, Kissenbezüge, Wandregale, Teppiche – ich bringe alles mit. Oft machen sich meine Freunde, mit denen ich verreise, über mich lustig, sobald wir beim Rückflug am Check-In Schalter stehen – dann sagen sie den Mitarbeitern der Airline: „Und das ist unsere Freundin Mary. Sie hat hier zehn Jahre gelebt und nun zieht Sie mit all Ihren Habseligkeiten wieder zurück nach Deutschland.“ Dabei waren wir bloß für eine Woche da… Also wenn ihr das nächste Mal für euren Rückflug aus Mexico, Argentinien, Kuba oder Ibiza eincheckt und vor Euch eine blonde Lady mit ganz viel vor Ort gekauftem Souvenir-Kram steht, sagt einfach Hallo – es ist nicht so unwahrscheinlich, dass ich es bin (lacht).

Wofür investierst Du gerade die meiste Lebenszeit, beruflich und privat?

In den letzten Jahren habe ich bewusst den Fokus mehr auf meine Familie, auf private Angelegenheiten und Freunde gelegt. Das wilde Jet-Set Leben als Model und später als Model-Managerin habe ich natürlich schon lange hinter mir gelassen. Das fiel mir erst nicht leicht – vor allem war es keine einfache Entscheidung, meine Agentur aufzugeben, und dem ganzen Business den Rücken zuzukehren, die Jungs und Mädels – für die ich oft zweite Mama, Freundin, Agentin, Managerin war – in andere Hände zu übergeben. Aber mit den Jahren lernt man es, für etwas Anderes loszulassen; man bekommt eine neue Perspektive auf das Leben und die Prioritäten ändern sich. Mit der Geburt meines Sohnes hat sich dann natürlich noch mal ganz viel getan, und die Familie ist komplett in den Mittelpunkt meines Lebens gerückt.

„Ich habe mich auch früher – als eine der wenigen in der Agenturszene – dafür eingesetzt, authentische Schönheit in jedem Alter wertzuschätzen und zu zeigen”

Du hast früher als Model gearbeitet, später eine Model-Agentur geleitet. In der Modewelt waren Frauen über 40 lange unsichtbar. Ist hier momentan eine positive Veränderung zu spüren, die längst nötig war?

Auch wenn es erst in den letzten Jahren üblicher geworden ist, Frauen über 40 als Brand Testimonials und Cover-Gesichter einzusetzen, war es für mich schon immer eine Selbstverständlichkeit. Irgendwie war es auch mein eigener kleiner Kampf als Frau. Ich habe mich auch früher – als eine der wenigen in der Agenturszene – dafür eingesetzt, authentische Schönheit in jedem Alter wertzuschätzen und zu zeigen.

Sogar in rein geschäftlicher Hinsicht ist es eine gute Sache, Models über 40 – Frauen wie Männer – als Botschafter zu engagieren. Oft sprechen sie die Zielgruppe einer Marke viel besser an. Sie sind die vertrauensvolleren Fürsprecher und die wahren Testimonials, die durch ihre Authentizität überzeugen und letztendlich ihren Auftraggebern somit ein viel positiveres Image verschaffen. Ich bin sehr froh darüber, dass heutzutage ausgerechnet die Großen der Branche, wie zum Beispiel L’Oreal, in ihren Kampagnen mit Helen Mirren oder Iris Berben hier Vorreiter sind. Sie spielen eine Pionierrolle dabei, dem Rest der Industrie zu vermitteln, dass Altern ein Privileg ist und Schönheit einen von außen schmückt, aber von innen durch das ganze Leben begleitet; dass Frauen im Alter bloß Mädchen mit etwas mehr Lachfältchen im Gesicht sind, und einige Storys mehr aus ihrem Leben zu erzählen haben. Es ist toll, dass die Branche endlich eingesehen hat, dass Authentizität das größte Kapital nicht nur eines Models, sondern auch eines jeden Menschen ist.

Wir bei HEYDAY wollen mit unseren authentischen Themen und persönlichen Geschichten inspirieren und entfernen uns vom ständigen Optimierungswahn, den viele Frauenzeitschriften propagieren. Wir sind Pro-Age! Wie gehst Du mit dem Älterwerden um? Was vermisst Du und was ist heute – in der Mitte des Lebens – besser als früher?

Also das Älterwerden kommt ja zum Glück nicht ganz so plötzlich über Nacht. Irgendwie hat man ja die Zeit, sich damit emotional zu arrangieren und sich auszusuchen, wie man es verarbeitet. Ich nehme es ganz tapfer und easy hin. Jedes durchlebte Alter, jedes erlebte Jahr hat einen eigenen Charme, seine besondere Schönheit und bestimmte Vorzüge. Ich glaube, ich würde nicht unbedingt wieder 18 sein wollen …

Älter zu werden heißt ja nicht nur, sich äußerlich zu verändern, sondern auch weiser zu werden, viel gelassener, reflektierter, entspannter zu sein, seinen Wert zu kennen, sich seiner Position im Leben bewusst zu sein. Es ist eigentlich etwas ganz Schönes – es ist ein Bonus, vom Leben mehr und mehr zu erleben, mehr und mehr zu entdecken, mehr und mehr zu hinterlassen.

Natürlich macht es was mit einem, aber es gibt einem auch eine Schatztruhe an Erinnerungen, Erlebnissen, Gedanken, Menschen. Und natürlich leben wir alle ein stressiges Leben – keine Frau hat es leicht dabei, den Erwartungen von Gesellschaft, Familie, Firma, Bekannten und Freunden gerecht zu werden. Allein die Gedanken daran, all das zu meistern, lassen uns schneller altern. Dabei verlieren wir den Fokus auf das Wesentliche: Auch unseren eigenen Wünschen und Träumen gerecht zu werden ist das, was uns durch jede Alterskrise bringen kann.

Klar versuche ich mich fit zu halten, aber nicht nur aus reiner Eitelkeit, sondern auch auch weil es zum Leben dazu gehört. Nach über 30 Jahren Pause habe ich wieder mit Ballett angefangen – es hält meine Seele entspannt und meinen Körper in Form. Das Älterwerden sollte einem nicht die Lust am Leben nehmen. Man muss nicht alles verändern und aufgeben … bei mir hat sich nur die Länge meiner Röcke verändert.

„Für mich hat Schönheit nichts mit Proportionen, Kleidergrössen, Perfektion oder Symmetrie zu tun – allein das Dasein eines Menschen ist schön”

Was bedeutet Schönheit für Dich?

Für mich hat Schönheit nichts mit Proportionen, Kleidergrössen, Perfektion oder Symmetrie zu tun – allein das Dasein eines Menschen ist schön. Für viele ist es bestimmt ungewöhnlich, wenn eine ehemalige Model-Agentin davon spricht, dass Schönheit keiner Formel entspricht, aber es ist in der Tat so: Das Leitmotto meiner Agentur war immer, Models zu casten, die den Raum, das Studio oder das Magazincover mit Charisma, Charakter und eigener Ausstrahlung füllen, und nicht mit einem von der Industrie vorgegebenen Bild von Schönheit.

Du bist über Düsseldorf nach Berlin gekommen. Fühlst Du Dich wohl in der Hauptstadt? Und wie inspiriert oder beeinflusst Dich Berlin?

Meine Zeit in Berlin hat mich sehr verändert. Ich habe das Gefühl, dass ich in den letzten Jahren hier sehr „gewachsen” bin und, obwohl ich schon vieles gesehen und erlebt habe, immer wieder von der Stadt und den Menschen überrascht werde.

Der Vibe, die Energie, die Offenheit, die vielen Farben von Berlin haben mich sofort gepackt und begeistert. Ich hatte schon immer viele Freunde hier, war oft für Jobs und Events da und konnte mich sehr schnell wohl und zuhause fühlen. Ich liebe den Puls und die vielen Gesichter von Berlin, den Charme und den ganz eigenen Stil der unterschiedlichen Viertel. Nichts ist hier uniform, alles ist anders und genau darin liegt für mich die Schönheit der Stadt – jeder ist frei und anders.

Model-Pose in extravagantem Outfit mit einem Oberteil der H&M Conscious Linie und einer Hose von Dawid Tomascewski

„Ich bin keine laute Person, es sind eher meine Looks”

Wenn man Dich auf Berliner Events kennenlernt und Dich und Deinen extravaganten Look auf Instagram sieht, spürt man Deine Liebe zur Mode. Du experimentierst viel, trägst kräftige Farben und wirkst sehr selbstsicher und stark. War das schon immer so?

Für mich sind meine Looks keine wirklichen Experimente. Alles passiert ganz natürlich. Ich verbringe nicht sonderlich viel Zeit damit, bestimmte Outfits bis zur Perfektion zu planen oder vor einer Feier zusammenzusuchen. Was mir Spaß macht, ist einzelne Teile immer wieder anders zu kombinieren. Für das eher monochrome Berlin sind meine Looks oft zu farbenfroh oder zu grell, aber keine selbstbewusste Frau lässt sich ja wohl verunsichern, wenn sie in einer komplett in Schwarz gekleideten Crowd hot pink trägt, oder?! Ich bin aber keine „laute“ Person, auch wenn meine Looks das vielleicht vermuten lassen.

Welchen Stellenwert hat Mode für Dich?

Mode hat mich schon immer durch mein Leben begleitet. Sie ist Teil von mir und meine Art und Weise mich auszudrücken. Sie spiegelt meine Laune wider, meine innere Welt und meinen freien Geist. Sie war immer Hobby, zeitweise auch Job und somit immer eine Konstante in meinem Leben.

Wie würdest Du Deinen persönlichen Stil beschreiben?

Mein Kleiderschrank ist ein Abbild von mir selbst – ein Mix aus Ethno-Elementen, Bohemian-Einflüssen, Island Chic, etwas dänischer Einfachheit und Gradlinigkeit und ganz viel Leben und Farbe. Ich liebe voluminöse Silhouetten, Layering-Looks, Kimonos, Fransen jeder Art und habe keine Angst vor grellen Farben, Pailletten, Federn … Wenn es mir Spaß macht es zu tragen, dann ist es ein gelungener Look.

Maria Gieseke Dawid Tomascewski Stil Interview Berliner Designer
Maria in einer Robe von Dawid Tomascewski

Welche Designer inspirieren Dich?

Mit 50 hat man ja bereits so einige Fashion-Seasons erlebt, und das Tolle dabei ist, dass man aus jeder etwas mitgenommen hat. Ich war noch nie besessen von einer bestimmten Marke oder einem bestimmten Designer – ich gehe nicht nach Marken und Namen. Mich ziehen eher einzelne Teile an, die ich mit anderen Stücken aus meinem Kleiderschrank mische und so einen ganz eigenen Look kreiere. Ich habe kein Problem damit, ein No-Name-Teil für 19,99 Euro zu tragen und dazu Hermes, Zara und etwas vom Flohmarkt zu kombinieren. Von den großen Designern mag ich sehr gerne Etro, die alten Designs von Yves Saint Laurent, und Balmain. Ich liebe auch Tom Ford. In letzter Zeit trage ich viel Stine Goya, Ganni, Saks Potts, Henrik Vibskov und Gestuz.

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MARIAS
LIEBLINGS-DESIGNER

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1

Traumhaft schön: Odeeh

„Ich liebe die Mode von Odeeh – die farbenfrohen Kreationen der Designer vermitteln Leichtigkeit und etwas Märchenhaftes. Sie spielen mit Volumen und Proportionen, starken Prints und Mustern. Ich verfolge ihre Arbeit seit Jahren und bin ein wahrer Fan ihrer Handschrift.”

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2

Vorbildlicher Konzern: H&M

„Nachhaltiger Konsum war für mich schon immer ein Thema, allerdings ist mir in erster Linie wichtig, wie ein Teil aussieht und wirkt. Wenn es auch noch komplett nachhaltig produziert wurde, freut es mich. Selbstverständlich kaufe ich keine Produkte, bei denen allein durch den unrealistischen Preis schon klar ist, dass sie nicht nachhaltig produziert, und Menschen sowie die Natur dafür ausgebeutet wurden. In letzter Zeit kaufe ich öfter Teile aus der H&M Conscious Collection – das ist für mich ein gelungenes Beispiel dafür, wie ein Konzern Zeichen setzen und Engagement zeigen kann.”
Foto: H&M

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3

Opulent und besonders: Dawid Tomascewski

„Die Arbeit von Dawid Tomascewski ist ganz besonders toll: Seine Schnitte sind sehr außergewöhnlich, seine Looks immer wahnsinnig stark und einprägsam. Mit seinen Kreationen bringt er all meine Fashion-Vorlieben zum Ausdruck: großflächige Muster, opulente Silhouetten, viele Stickereien und dekorative Elemente, die Federn, Pailletten, Steine – ein Traum!”

 

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4

Einzigartige Unisex-Kollektionen: William Fan

„Über die letzten Jahre habe ich viele Designs von William Fan getragen – er hat einen sehr raffinierten, aber dennoch expressiven Stil. Er begeistert mich mit seinen Shows und damit, wie er seine Marke lebt und entwickelt.” Foto: PR

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5

Label to watch: Nobi Talai

„Eine Neuentdeckung unter den Berliner Designern ist für mich Nobi Talai. Ihre Mode ist sehr sinnlich, romantisch, und zudem ausdrucksstark mit einem klaren Statement. Ihre Kollektionen sind inspiriert von der Ethno-Kultur des Mittleren Ostens – leicht konstruiert, sehr elegant, viel Layering. Einfach nur wunderschön.”
Foto: PR


ÜBER MARIA GIESEKE

Maria Gieseke Odeeh
Das Styling sitzt: Maria in einem Seiden-Ensemble von Odeeh

Maria Gieseke wurde 1968 im dänischen Odense auf der Insel Fyn geboren. Schon mit acht Jahren begann sie zu modeln, mit 15 tauchte sie vollends in die Modewelt ein, studierte Betriebswirtschaft und Textilwirtschaft und war mit 18 bereits Geschäftsführerin. Mit 22 zog sie nach Düsseldorf und leitet acht Jahre lang ihre eigene Modelagentur. Seit 2016 lebt sie in Berlin.

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