„Meine Mission: Ich möchte, dass wir Mitgefühl zeigen können – mit uns selbst und mit anderen“

Amanda Dahms/ Immo Fuchs

Milka Loff Fernandes (43) kennen die meisten von uns als quirlige, gut gelaunte Moderatorin. Doch während Milka vor der Kamera für gute Laune sorgte, litt sie jahrelang unter einer Essstörung und einer rezidivierenden depressiven Störung, zu der in ihren 20ern auch noch epileptische Anfälle kamen.⁠ ⁠Milka hat gelernt, sich und ihren Körper so anzunehmen, wie sie ist. Heute gibt sie ihr Wissen in Sachen mentaler Gesundheit weiter, um anderen damit zu helfen. HEYDAY sprach mit der Moderatorin darüber, was Social Media mit unserer mentalen Gesundheit macht und weshalb es die größte Aufgabe des Lebens ist, echtes Mitgefühl zu erlernen. Eine Anleitung zur Selbstliebe…

Moderatorin und Mental Health Expertin Milka Loff Fernandes
Moderatorin, Buch-Autorin und Mental Health Expertin Milka Loff Fernandes hat eine Talkreihe auf Instagram ins Leben gerufen, bei der auch HEYDAY Gründerin Stephanie zu Gast ist.
Foto: Amanda Dahms

HEYDAY: Liebe Milka, viele kennen dich natürlich schon. Aber für jene Leserinnen, denen du noch unbekannt bist, stelle ich mal folgende Frage: Wenn du in einer Bar jemanden kennenlernst und dich vorstellst, was sagst du da?

Milka Loff Fernandes: Ich sträube mich dann dagegen, mich selbst in irgendeine Schublade zu stecken, denn in Schubladen wird mir immer so extrem langweilig. Wahrscheinlich würde ich sagen, dass ich Influencer der ersten Stunde bin. Denn als Moderatorin bei VIVA habe ich genau das getan, was ein Influencer macht – aber damals noch ohne Social Media.

Du bist ein echtes Multitalent und hast in unglaublich vielen Projekten deine Finger im Spiel...

Ja, denn anders funktioniert das auch einfach nicht mehr. Wenn ich nur eine Sache machen würde, dann könnte ich meinen Lebensunterhalt nicht verdienen. Mein Talent ist es, die Sachen schnell übersetzen zu können. Ich preise zum Beispiel auch für irgendeinen Kabelziehgerätehersteller das Produkt auf einer Messe an. Aber normalerweise kommt man ja mit solchen Geräten ja nicht in Berührung. Ich find‘s super! Weil genau das die Herausforderung für mich ist, das zu übersetzen. Nichts anderes habe ich mit meinem Buch gemacht – da übersetze ich, das, was Social Media mit unserer mentalen Gesundheit macht.

„In meinem Buch übersetze ich das, was Social Media mit unserer mentalen Gesundheit macht.“

Moderatorin und Mental Health Expertin Milka Loff Fernandes
Moderatorin und Buchautorin Milka im Interview mit Heyday

Professionelle Ermutiger:in: Milka freut sich über das Erscheinen ihres Ratgebers, der dazu aufruft, das eigene Leben mutig selbst in die Hand zu nehmen, und zugleich andere zu motivieren.

Du bezeichnest dich selbst als Influencer der ersten Stunde. Wie gefällt dir der Begriff des Influencers und wie hast du dessen Entwicklung beobachtet?

Ich habe bei Instagram und Co am Anfang erstmal mitgemacht und bin dem gegenüber dann immer kritischer geworden. Ich war schon immer eine stille Beobachterin und bin oft nicht gleich hektisch auf den fahrenden Zug aufgesprungen. So war es auch bei VIVA, da habe ich erstmal einfach irgendwie mitgemacht und dann erst später gemerkt, was für einen Einfluss ich auf Leute hatte! Das fand ich am Anfang sehr gruselig. Aber dann dachte ich, naja, wenn du Leute ermutigen kannst, dann ist das wohl dein Job – und so bin ich professioneller Ermutiger geworden. Bei Social Media war das ähnlich. Am Anfang ging es vor allem um gestellte Fotos. Das fand ich langweilig. Erst jetzt verändern sich die sozialen Medien stark dahin gehend, dass man sie mehr als Plattform für eine bestimmte Botschaft benutzt. Meine Message ist seit Jahren klar, damit bestücke ich meinen Instagram-Account und finde dadurch Gefallen dran, Content zu machen. Aber eben nur, wenn ich da den Mehrwert sehe.

„Häng dich rein und zieh dein Ding durch“, so könnte man deine Botschaft beschreiben. Wo hast du das gelernt?

Das habe ich in der VIVA-Zeit gelernt, denn da herrschte eine sehr schöne Fehlerkultur. Es gab es keine expliziten Anleitungen und Fehler waren einfach mit eingerechnet. Das wurde bei VIVA auch richtig zelebriert – denn sowas gucken wir gerne und das macht ein Bild authentisch. Doch diese Authentizität ist irgendwann verloren gegangen. Neulich habe ich einer ganz jungen Moderatorin bei ihrer Einstandssendung zugeguckt und dachte dann: Uff, die hat’s schon nicht leicht! Noch während du am Set bist, kannst du auf Twitter quasi live verfolgen, wie alle dich fertig machen. Das ist so hart.

Unser Lebensweg ist nicht ausgetrampelt, da müssen wir einfach hin und wieder nach vorne stolpern. Es wird eine Situation kommen, in der wir sagen müssen: Okay, ich weiß jetzt nicht wie das besser geht, aber ich probiere es einfach mal. Wenn wir das aber nicht machen, ja dann wird‘s halt irgendwann klein, bunt und komisch und dann bricht das Leben über uns zusammen, weil wir uns einfach nicht weiterbewegen. Diese Fehlerquote, das zu lernen und wertschätzen zu können… das war für mich erstens eine berufliche Schule, aber auch eine Lebensschule.

„Unser Lebensweg ist nicht ausgetrampelt, da müssen wir einfach hin und wieder nach vorne stolpern”

Moderatorin und Buchautorin Milka im Interview mit Heyday
Moderatorin und Buchautorin Milka im Interview mit Heyday
Moderatorin und Buchautorin Milka im Interview mit Heyday

Auch, wenn wir es schon hunderte Male gehört haben: aus Fehlern lernt man...

Ja ganz genau. Aber das ist ein Problem mit den sozialen Media: Da herrscht diese Makellosigkeit des Seins und die Nützlichkeit des Seins. Erstens muss man da immer perfekt sein und zweitens auch immer von Nutzen. Ich finde, es ist eigentlich das Gegenteil. Wir sind in uns absolut perfekt. Und es ist manchmal absolut okay, total nutzlos zu sein. Aber das wird so wenig herausgestellt, weil das keine spannenden Bilder gibt.

Spannende Bilder gibt’s in deinem Buch ja genug, aber eben verbunden mit dem Fokus auf dem eigenen Selbstwert. Dein Buch hat zum Ziel, dass sich die Leser:innen mit sich selbst auseinander setzen. Dabei unterscheidest du zwischen Selbstwert und Selbstwertgefühl. Was macht diesen Unterschied für dich aus?

Als ich begonnen habe, das Buch vorzubereiten, wollte ich vor allem herausstellen, dass der Selbstwert schon da ist. Ich möchte kein „Ich mach dich besser Buch“ schreiben, weil ich finde, dass jeder Mensch bereits absolut perfekt ist. Es geht nicht darum, dass wir über uns hinauswachsen, sondern es geht darum, dass wir uns entschälen. Also hineinfallen, in unser wahres, wunderbares Ich. Das ist die eigentliche Kunst: dass wir uns selbst mit so viel Mitgefühl annehmen, bis wir wirklich die Verbindung zu dieser Großartigkeit wieder bekommen. Weil es nicht der Wert ist, der uns fehlt, sondern diese Verbindung zu dem Wert, die wir nicht mehr haben. Das ist etwas, das ich extrem wichtig, und auch ein Gedanke, den ich extrem schön finde. Weil das so viel Stress rausnimmt.

Und genau dafür hast du dann 22 Challenges entwickelt, die dazu beitragen sollen, dass man wieder zu sich selbst findet, sich wertschätzt und diese Verbindung herstellt…

Genau, weil es natürlich toll ist, zu sagen: Fall doch einfach so in dich rein. Das klingt nur geil. Wir brauchen einfach oft – ich ja auch! – etwas ganz Konkretes an die Hand. Selbstwert ist ein abstrakter Begriff. Bis ich verstanden hab, was Selbstwert eigentlich bedeutet, hat es ewig gedauert. Dann habe ich reflektiert: Was habe ich eigentlich gemacht? Und was sind die Sachen, die mir helfen? Das waren vor allem kleine Achtsamkeitsübungen, wie z.B. mit einem bestimmten Fokus Tagebuch zu schreiben, oder sich selbst mal auf die Schulter zu klopfen. Aber auch – das ist mir ganz besonders wichtig – Mitgefühl im Alltag zu praktizieren. Das ist die Königs-Challenge, die BE LIKE THE SUN-Challenge. Wenn wir das können, wenn wir den Wert unserer Umgebung sehen können, den Wert anderer Menschen, anderer Lebewesen, und diesen Wert ehren können, dann tun wir das gleichzeitig mit uns.

„Mitgefühl im Alltag ist die Königs-Challenge. Wenn wir das können, wenn wir den Wert unserer Umgebung sehen können, den Wert anderer Menschen, anderer Lebewesen, und diesen Wert ehren können, dann tun wir das gleichzeitig mit uns”

Moderatorin und Buchautorin Milka im Interview mit Heyday
Digital Detox: Milka hat es versucht. Sie war ein Jahr lang offline und hat kein Social Media genutzt. Dabei konnte sie zusehen, wie ihre Reichweite schrumpfte.

Du schlägst in deinem Buch immer wieder den Bogen zwischen den sozialen Media und Selbstwert. Du erklärst, dass der Wunsch nach sozialer Anerkennung bereits in unser Gehirn eingebrannt ist und zeigst auf, wie wir tatsächlich von Likes süchtig werden können. Du hättest das Buch zum Thema Selbstwertgefühl ja auch ohne die Verbindung zu den sozialen Medien schreiben können. Wieso hast du dich für das Medium Instagram entschieden?

Naja, in Deutschland nutzen 54 Prozent aller Menschen Social Media– Tendenz steigend; in Monaco sind es sogar 97 Prozent. Leute, die ins Internet gehen, die gehen auch in die sozialen Medien. Sie stellen einen öffentlichen Raum dar, in dem wir uns begegnen und in dem wir dann auch unseren Selbstwert trainieren können. Das Buch ist so entstanden, dass ich an Schulen gegangen bin und darüber geredet habe, was Social Media mit dem eigenen Selbstbild macht. Wie man sich davon lösen kann, beziehungsweise, wie man das verbessern kann. Irgendwann habe ich gesehen, dass man sich nicht davon lösen kann. Du kannst ja den Leuten nicht sagen: Wirf dein Handy weg! Ich hab‘s selbst versucht, ein Jahr lang war ich offline, hab kein Social Media genutzt und konnte dabei zusehen, wie meine Reichweite schrumpfte. Wenn du eine Person des öffentlichen Lebens und nicht auf Social Media bist, dann ist es echt schwer, weiterzuarbeiten! Du musst also den Selbstwert in diesen Raum bringen.

Daraufhin habe ich mich sehr intensiv mit diesem Thema beschäftigt und auch viele Studien gelesen. Jede dieser Studien ist auf zwei bestimmte Sachen gekommen: Es gibt sehr viele Faktoren, die dich in den sozialen Medien stressen können, aber es gibt zwei Faktoren, die verhindern, dass dieser Stress zu einem Problem wird. Das ist erstens ein gesunder Selbstwert und zweitens ein persönlicher Raum, Freundeskreis, Familie, in dem du dich wohlfühlst und in dem du gut aufgehoben bist. Das war der Hintergrund zu dem Buch. Denn das wird total übersehen. Man redet über Social-Media-Knigge, man redet über Haters, man redet über alles Mögliche, aber wir reden nicht darüber, wie wir dem zuvor oder entgegen kommen können und wie wir Social Media tatsächlich zu einem wertvollen öffentlichen Raum machen. Und das geht nur, in dem wir uns selbst trainieren. Weiß du, es ist immer sehr einfach, etwas zu verteufeln und an den Pranger zu stellen, aber am Ende des Tages sind wir es, die unser Handy in der Hand halten.

„Es ist immer sehr einfach, etwas zu verteufeln und an den Pranger zu stellen. Aber am Ende des Tages sind wir es, die unser Handy in der Hand halten.”

Was genau ist deine Mission bei Instagram?

Dass wir Mitgefühl zeigen können. Mit uns selbst und mit anderen. Mitgefühl als Wert an sich zu sehen, das ist der Schlüssel – und dann funktioniert zum Beispiel auch Kommunikation besser.

Ich weiß nicht, ob das nur mir so geht, aber ich kann mit meinen Freundinnen mehr Mitgefühl haben, als mit mir selber. Mit sich selbst ist man ja doch schneller mal härter. Glaubst du, dass wir da wirklich automatisch den Bogen zu uns selbst schlagen, wenn wir unseren Mitmenschen gegenüber mehr Mitgefühl entgegenbringen können? Denn das ist ja die Brücke, die du baust, oder?

Der Schritt ist wirklich, sich selbst als Teil dessen zu begreifen, für das man Mitgefühl aufbringt. Sich dann auch einfach mal sein zu lassen. Du darfst dich selbst sein lassen. Du bist super. Und natürlich geht da immer noch was. Aber vielleicht nicht heute. Und vielleicht geht erst gerade dadurch, dass du dich sein lässt, wieder was. Und das ist so schön!

Es gibt im Buch ja auch die 30-days-of-stretching-Challenge. Die ist aus einer Situation entstanden, in der mir 2019 bewusst geworden ist, dass ich die ganze Zeit auf Diät war. Ich habe mich im Spiegel angeguckt und dachte nur „Ach du Scheiße!“ und habe festgestellt, wie dünn ich geworden war. Schließlich habe ich ein Esstagebuch geführt und das Ergebnis mit Empfehlungen verglichen. Ich habe eine Geschichte mit Essstörungen, aber erst da ist mir aufgefallen, dass diese noch nicht fertig ist. Ich habe zu der Zeit unglaublich viel Sport gemacht und weil ich nicht ganz damit aufhören wollte, habe ich angefangen mit Yin-Yoga. Etwas, das mich zutiefst langweilt. Das war mein erster Schritt, mich mal sein zu lassen. Ich habe gesagt, ich will jetzt keine Kontrolle mehr übernehmen, über das, was ich esse, wie ich aussehe, ich will jetzt einfach mal sein. Dann saß ich da in den verschiedenen Yin-Positionen und war plötzlich die ganze Zeit dauermüde, weil ich mich so angestrengt habe, etwas zu sein, was ich vielleicht gar nicht bin. All meine Energie ist darein gegangen. Wie eine bleierne Decke hing das über mir und ich dachte, ich will jetzt einfach nur noch schlafen. Dann wurde dieses Yin-Yoga super angenehm und da ist mir so viel aufgegangen. Da kam dann plötzlich auch super viel Gelassenheit.

Du sprichst in dem Buch immer wieder über Body Positivity. Dabei geht es darum, sich und seinen Körper so anzunehmen, wie er ist.

Wobei, ich würde da vielleicht wirklich noch weitergehen. Body Positivity ist gut, aber Body Neutrality finde ich noch ein bisschen besser. Denn, es geht nicht um deinen Körper. Es geht gerade nicht darum, wie du aussiehst und ob du dich damit gut findest. Wenn du dich gerade schlecht findest damit, dann ist das auch okay. Es läuft nicht immer alles glatt. Es gibt Tage, da kann ich mich selbst nicht angucken, da finde ich mich scheiße. Es geht darum, dass man weiterlebt, egal was ist. Und dass man sich auf diesen Körper nicht so fixiert, weil uns das ganz viel Energie wegnimmt, für das, wo wir sie eigentlich brauchen. Als Frau vor allem. Aber auch als Mann. Und an diese neuen Standards kommt man auch eh nicht mehr hin, weil die Filter zu gut sind und am Ende des Tages wollen wir alle aussehen, wie eine Computerversion von uns selbst. Aber das wird halt niemals passieren. Es ist also wichtig, da eine gewisse Neutralität reinzubringen und den Wert unseres Seins wieder zu sehen, statt den Wert unserer Körperlichkeit.

„Body Positivity ist gut, aber Body Neutrality finde ich noch ein bisschen besser. Nämlich den Wert unseres Seins wieder zu sehen, statt den Wert unserer Körperlichkeit.“

Fantastisches Schlusswort, danke für das Gespräch, liebe Milka!


Moderatorin und Buchautorin Milka im Interview mit Heyday

Mehr über Milka erfahren…

Moderatorin und Multitalent Milka war schon Influencerin, bevor es den Begriff überhaupt gab. Berühmt geworden als VIVA-Moderatorin lebt sie heute mit ihrem Mann, zwei Töchtern und mit ihrer Mutter in Amsterdam. Mit ihrem Buch „#selbstwert – die Happiness Connection“ geht sie ihrem Herzensthema auf den Grund und ermutigt die Leserinnen dazu, sich mit sich selber auseinanderzusetzen. Mehr auf Ihrem Instagram-Account…

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LIVE-TALK NICHT VERPASSEN:

Milka Live Talk auf Instagram mit Stephanie Neubert

Milka spricht in ihrem Instagram-Live-Talk MILKA LIVE am 02. April 2023
um 10:00 Uhr mit HEYDAY-Gründerin Stephanie Neubert

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